Wie Ost und West zum Erhalt des Grenzdenkmals Wülperode beitragen

Per Wasserstrahl weicht der Wehrnachwuchs am Grenzdenkmal Wülperode zunächst Moos und Flechten auf den Betonplatten ein. Foto: Gereke
Das Grenzdenkmal Wülperode erinnert an die Schrecken der deutschen Teilung – und an spektakuläre Zwischenfälle im Kalten Krieg. Damit das so bleiben kann, sind regelmäßige Pflegeeinsätze notwendig. Dazu packten jetzt Ost und West gemeinsam an.
Nordharz. Auch ein Denkmal braucht mal Pflege – erst recht, wenn es ständig Wind und Wetter ausgesetzt ist. Ein gemeinsamer Einsatz von Ost und West sorgt dafür, dass das Grenzdenkmal Wülperode in neuem Glanz erstrahlt. Helfer – unter anderem von der Jugendfeuerwehr Wiedelah und Grenzerkreis Abbenrode – rückten an, um die Reste des einstigen Kfz-Sperrgrabens der DDR-Sperranlagen von Moos und Flechten zu befreien.
Die erwiesen sich übrigens als hartnäckig. Nur per Wasserstrahl war ihnen beizukommen. Schaufel und Besen kamen genauso zum Einsatz wie Schäleisen und Hacken. Irgendwann klappte es dann aber doch. Und die Reste einer Schmiererei an den Betonplatten, die den Graben verstärken, der eine Flucht per Fahrzeug aus der DDR verhindern sollte, ließen sich auch beseitigen. Eine finanzielle Förderung für das Pflegeprojekt gab es übrigens durch den Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Ordentlich zu ackern haben die Mitglieder der Jugendfeuerwehr Wiedelah, die Moos und Flechten von den Betonplatten des einstigen Kfz-Sperrgrabens der DDR-Grenzanlagen entfernen. Foto: Gereke
Das Grenzdenkmal Wülperode führte viele Jahre einen wahren Dornröschenschlaf. Überwuchert waren die Reste des Streckmetallzauns, der historische Ort, der an die Schrecken der deutsch-deutschen Teilung erinnert, kaum zu erkennen. Auf Initiative von Lothar Engler vom Grenzerkreis Abbenrode, ein Zusammenschluss von ehemaligen Bundesgrenzschützern und Zöllnern aus dem Westen und DDR-Grenzsoldaten aus dem Osten, erfolgte schließlich kurz vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls das Freischneiden. Sein Engagement führte auch dazu, dass die Zaunreste in der Okeraue offiziellen Denkmalstatus erhielten.
US-Jeep landet auf DDR-Gebiet im Graben
Seit 2015 ist das Fallstein-Gymnasium Osterwieck Pate des Grenzdenkmals – ein preisgekröntes Projekt. Die Schüler des 10. Jahrgangs kümmern sich immer um die Pflege des Areals. Für sie steht in dieser Klassenstufe das Thema deutsche Teilung, friedliche Revolution und Wiedervereinigung auf dem Stundenplan. Im Laufe der Jahre ergänzte der Grenzerkreis den etwa 62 Meter langen Zaunrest um Infotafeln und die Replik einer DDR-Grenzsäule.

Das Grenzdenkmal Wülperode liegt direkt an der Landesstraße zwischen Wiedelah und Isingerode, die durch Sachsen-Anhalt führt. Foto: Gereke
Zu Zeiten der deutschen Teilung war dieser kleine Grenzabschnitt auch Schauplatz von spektakulären Grenzzwischenfällen. Dem Fahrer einer Raupe gelang dort im November 1973 die Flucht. Der damals 22-Jährige hatte einen Motorschaden an seinem Fahrzeug vorgetäuscht. Als seine Bewacher, zwei Angehörige der DDR-Grenztruppen, sich an der Raupe zu schaffen machten, sprintete er plötzlich Richtung Grenze los. „Die DDR-Grenzer rissen zwar noch ihre Kalaschnikows hoch, schossen aber nicht. Ihnen gegenüber standen BGS-Beamte mit gezogener Pistole.
Die BGS-Streife war im wahrsten Sinne des Wortes zur rechten Zeit am rechten Ort“, hat Grenzerkreis-Mitglied Wolfgang Roehl zusammengefasst.

Grenzwischenfall am heutigen Grenzdenkmal Wülperode: Die Besatzung eines US-Jeeps verfährt sich 1980 während eines Manövers und landet auf DDR-Gebiet im Graben. DDR-Grenzaufklärer im Hintergrund beobachten die Bergung mit einem Radlader. Foto: Archiv Engler
Im September 1980 wollten dann US-Soldaten während einer Übung nach Braunschweig fahren. Es war dunkel und dazu noch nebelig. Sie fuhren versehentlich durch Wiedelah, durchbrachen die einfache Rundholzabsperrung und landeten auf DDR-Gebiet in einem Graben. Sie entfernten sich, nahmen aber alle Funkgeräte sowie Papiere und Dokumente mit und meldeten sich auf dem Kieswerk Wiedelah, das direkt an der Grenze lag. Absprachen zwischen BGS, Zoll, DDR-Grenztruppen sowie Mitarbeiter vom Kieswerk brachten dann die Bergung in Gang, sodass ein Radlader den Jeep wieder in den Westen ziehen konnte.
Wanderung zum Tag der Deutschen Einheit
Das Grenzdenkmal wird in diesem Jahr übrigens auch eine Station der traditionellen Grenzwanderung am Grünen Band im nördlichen Harzvorland zum Tag der Deutschen Einheit der Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt (SUNK) und des Heimatvereins Abbenrode sein. Unter dem Motto „Grenzerfahrungen zum Anfassen“ erwartet die Teilnehmer eine spannende Mischung aus historischen Einblicken, Naturwissen und persönlichen Geschichten. Los geht es um 10 Uhr am Dorfplatz in Wülperode (Dorfstraße 11). Schon zu Beginn erfahren die Wanderer Wissenswertes über die ehemalige innerdeutsche Grenze und hören bewegende Erzählungen aus dieser Zeit. Ergänzt wird die Tour durch Informationen zu aktuellen und zukünftigen Naturschutzprojekten am Grünen Band, vorgestellt von Benjamin Hoppe, Gebietsbetreuer der SUNK am Grünen Band.

Alljährlich zum Tag der Deutschen Einheit laden die Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt und der Heimatverein Abbenrode im nördlichen Harzvorland zur Grenzwanderung ein. Foto: SUNK
Nach dem Besuch des Grenzdenkmals geht es auf das Gehöft der Familie Reckleben, wo sich die kleine Dorfkirche exklusiv für die Gruppe öffnen wird. Außerdem wird die neue SUNK-Fläche bei Suderode angesteuert, wo Ackerland in artenreiches Grünland umgewandelt wurde. Hier erklärt der SUNK-Vertreter, wie durch Pflege, Forschung und die Zusammenarbeit mit der Hochschule Anhalt vielfältige Lebensräume entstehen. Nach der Rückkehr zum Startpunkt fahren die Teilnehmenden gemeinsam nach Abbenrode, wo der Wandertag bei Kaffee und Kuchen im Café Grünspan gemütlich ausklingt. Die Teilnahme ist kostenfrei, die Plätze sind jedoch begrenzt, daher wird um Online-Anmeldung unter https://pretix.eu/sunk/grenzwanderung2025/ gebeten.
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