Weg mit den Grenzen für drei Goslarer Grundschulen
Bald grenzenlos und größer: Die Goetheschule soll gestärkt werden – Details folgen. Foto: Epping (Archivfoto)
In Goethe-, Schiller-, und Jürgenohlschule soll Grundschule bald grenzenlos gut sein: CDU, Grüne Partei 42, Linke, Bürgerliste und Niklas Prause votieren mit der AfD für einen gemeinsamen Schulbezirk. Die Details sind allerdings noch ungeklärt.
Goslar. Für eine vergrößerte Goetheschule und ein Aufheben der Schulgrenzen für Goethe-, Schiller- und Jürgenohlschule hat der Goslarer Rat am Dienstagabend in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause votiert. Die Antragsteller von CDU, Linken, Grüner Partei 42, Bürgerliste und dem fraktionslosen Niklas Prause kamen zusammen mit dem AfD-Duo auf 21 Stimmen. SPD und FDP waren zusammen mit Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner (SPD) gegen das Vorhaben, das nach 70-minütiger intensiver Debatte und einer nicht weiter kommentierten knapp zehnminütigen Sitzungsunterbrechung auf Antrag des Linken Rüdiger Wohltmann endgültig ins Ziel gebracht wurde.
15 Wortmeldungen gab es allein zu diesem Tagesordnungspunkt, der einen Großteil des Abends in Anspruch nahm. Richtig spannend wurde es aber erst, als AfD-Fraktionschef Dirk Straten als sechster Redner ans Stehpult eilte, es sich nach eigenem Bekunden zusammen mit Ramona Hohmann zwar nicht leicht gemacht habe, es an dieser Stelle aber auch nicht übertrieben inhaltsschwer machte. Das AfD-Duo habe vorher keine der beiden Seiten einbezogen, beklagte Straten. Und es werde sich wohl auch erst „im Nachhinein herausstellen, was richtig ist“. Seine knappe Ansage: „Wir schließen uns der Gruppe der Antragsteller an.“
Mutter-Engagement: Die Ohlhöferin Viktoria Schimansky (l.) übergibt das Ergebnis ihrer Petition gegen die Aufhebung von Schulgrenzen an Goslars Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner. Foto: Roß
„Traurige“ Abhängigkeit
Mit diesem Satz war die Messe gelesen. Denn trotz aller vorheriger und folgender Appelle, Versicherungen und gegenseitiger Vorwürfe stand spätestens zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit fest. In den monatelangen Vorberatungen in diversen Gremien, Runden und Treffen hatten sich alle anderen Fraktionen festgelegt. Die AfD hatte bis zuletzt geschwiegen. Am Ende störte sich von den Antragstellern auch nur Sebastian Wirth (Die Partei) daran, dass es doch „traurig“ sei, dass der „Antrag von den Stimmen einer faschistischen Partei“ abhänge. Auf der anderen Seite hätte dies aber auch für SPD und FDP gegolten, die sogar bei einer AfD-Enthaltung hinten runtergefallen wären.
Kein Wunder jedoch, dass ausgerechnet in dieser letzten Sitzung vor den Ferien niemand fehlte. Ratsvorsitzender Manfred Dieber (SPD), der an diesem Abend Bürgermeister Axel Siebe (CDU) den Vortritt ließ, hatte sich ebenso wie CDU-Fraktionschef Norbert Schecke, der im Urlaub fern der Heimat weilte, fürs Abstimmen zugeschaltet. Die Besucherbänke waren gefüllt wie selten – nicht nur, aber eben auch wegen des polarisierenden Schulthemas saßen Rektorinnen und Elternvertreterinnen hinten auf den Zuschauerstühlen. Hatte jemand seine Meinung geändert? Schnell war die Antwort klar: nein.
Viktoria Schimansky, Mutter von noch nicht schulpflichtigen Zwillingen aus Ohlhof, übergab vorab das Ergebnis einer Online-Petition an Stadtoberhaupt Schwerdtner. Mit 798 Meldungen war sie nur knapp unter 800 Menschen geblieben, die sich gegen das Aufheben von Schulgrenzen ausgesprochen hatten. Aber auch dies war letztlich lange bekannt. Was hat der Goslarer Rat am Dienstag genau beschlossen?
Was genau abgestimmt ist
„Die Aufnahmekapazität der Grundschule Goetheschule wird mit dem Ziel ausgebaut, die Schülerinnen und Schüler aus der Innenstadt sowie den südlich und östlich angrenzenden Stadtteilen vollumfänglich aufnehmen zu können.“ Und: „Die Schulbezirksgrenzen für die Standorte Goetheschule, Schillerschule und Jürgenohlschule werden aufgehoben. Für die genannten Grundschulen wird künftig ein gemeinsamer Schulbezirk gebildet.“ Vielleicht im Bewusstsein dessen, dass diese beiden Ansagen viel Interpretation mindestens bei Raum und Zeit belassen, beorderte Wohltmann die Antragsbefürworter – ohne AfD – ins Senatorenzimmer nebenan. Allerdings konnte sich dort nicht auf das konkrete weitere Vorgehen geeinigt werden. Wohltmann bestätigte GZ-Recherchen, dass er hinter verschlossener Tür als eine Übergangslösung für eine Annahme des alternativen Verwaltungsvorschlags mit neuen Schulbezirksgrenzen ab September fürs Schuljahr 2026/27 plädiert, aber keine Mehrheit erreicht habe. Nach GZ-Informationen wollten andere Teilnehmer diese Variante nicht, um den Druck auf die Verwaltung hochzuhalten.

Nicht nur, aber auch wegen der Schulgrenzen-Debatte ist der Zuhörerraum auf der Rathausdiele am Dienstag voll. Foto: Roß
Eine Abfrage am Mittwochmorgen bei den Spitzen der drei Fraktionen, die den Antrag auf den Weg gebracht hatten, ergab ebenfalls noch wenig Klarheit. Wann sollen die Schulgrenzen aufgehoben werden? Und wann soll ein Anbau gegen das Platzproblem an der Goetheschule wirksam helfen? Michael Ohse (Linke) ging davon aus, dass die Grenzen ab 2026/27 fallen sollen. Ein Anbau wiederum werde vermutlich schon drei bis vier Jahre bis zur Realisierung dauern. Auf der anderen Seite sei es aber abwegig, eine notwendige neue Mensa im Bestand abzubilden. Ein Ausweichen auf das Areal des Parkplatzes an der Bolzenstraße sei ohne Alternative.
„Den Zeitdruck hoch halten“
Während der Sitzung hatte Schulausschussvorsitzende Renate Lucksch erneut ihren SPD-Kalkulator angeschmissen und plakativ ihre Formulierung wiederholt, dass für 50 Kinder und 500 Meter mehr Schulweg zehn Millionen Euro und zehn Jahre Bauzeit hingenommen würden. Bei dieser Zahl wollte CDU-Fraktionsvize Dr. Pascal Bothe, der die Finanzausschüsse in Stadt und Landkreis leitet, natürlich nicht mitgehen. Aber es könne schon sein, dass darüber „eine Grundschulgeneration“ hinweggehe – sprich vier Jahre. Geplant und gebaut wird immerhin mitten im Unesco-Weltkulturerbe. Und auf einem Platz, der gerade den Christdemokraten bisher als Parkplatz wichtig war. Vielleicht gibt es Lösungen, die beide Nutzungen erlauben? Bei der Zeit war Bothe klar in der Ansage: Im Sommer 2026 sollen die Grenzen für die drei Schulen fallen: „Wir wollen den Zeitdruck hochhalten.“
Für die Grüne Partei 42 hatte Giovanni Graziano konkrete Vorstellungen. „Die Verwaltung muss Vorschläge machen“, sagte er, plädierte persönlich aber für eine zeitnahe Übergangslösung schon im nächsten Jahr zunächst mit Containern. Das könne „flott gehen mit diesen Lernmodulen“. Was nicht gehe, sei eine Verkleinerung des ohnehin kleinen Schulhofs. Abgesehen davon: „Alle Stellen sind aufgefordert, ihre Hausaufgaben zu machen.“ Das hat sich auch Fachbereichsleiter Sven Busse vorgenommen. Die Fragen, die die GZ den Fraktionen gestellt habe, habe sich auch die Verwaltung gestellt, weil im Antrag nichts konkret formuliert sei. Und noch wichtig: „Wie viele Schüler sollen in der Goetheschule untergebracht werden?“ Vor der nächsten Sitzung des Fachausschusses Bildung, Familie und Soziales, die auf den 28. August terminiert ist, soll nach den Sommerferien noch einmal die Arbeitsgruppe Schulentwicklungsplanung zusammenkommen. Ihm sind noch zwei Anmerkungen wichtig. Die vorhandene Mensa sei bei einer Schülerzahl von knapp über 200 ausreichend. „Wir können das im Bestand darstellen“, sagt Busse, Essen in mehreren Schichten sei andernorts durchaus üblich. Und wenn die Schulgrenzen wegfielen, bevor der Anbau fertig sei, sei es unumgänglich, dass es zu Losverfahren komme. Nicht zu vergessen: Es müssten auch Obergrenzen für die drei Schulen festgelegt werden.
„Vielleicht wird es auch gut“
Was gab es Neues in der Sache auf der Rathausdiele? Nicht viel. „Man muss Mut haben, Dinge zu verändern und voranzutreiben“, warb Prause. Michael Deike (CDU) sah Konkurrenz im Grundschulbereich als gewollt und wünschenswert an. Sebastian Wirth konnte Ängste von Lehrern und Eltern verstehen. „Vielleicht wird es auch gut, das wissen wir nicht.“ Vorab hatte er noch konstatiert: „Wer schreit, hat nicht recht.“ Und er hatte den Ratsältesten gemeint. Dem Liberalen Christian Rehse war zwischendurch der Kragen geplatzt. Unter dem Beifall der Zuhörer tat er sein Unverständnis kund, warum ohne Not ein „gut funktionierendes Schulsystem zerstört“ werden solle – mit einem „unausgegorenen Antrag“, der „verantwortungslos“ alle Aussagen von Schulleitern, Elternvertretern und Kitas wegwische und Schaden anrichten werde.
Mehrheit bedeutet Verantwortung
In Demokratien entscheiden Mehrheiten. Bei den Schulgrenzen und dem Ausbau der Goetheschule bilden Christdemokraten, Grüne Partei 42, Linke, Bürgerliste und der fraktionslose Niklas Prause diese Mehrheit zusammen mit der AfD ab. Das ist überhaupt nicht zu kritisieren. Zum Ausbau der Goetheschule gab es zudem diverse Ideen zu einer Realisierung.
Beim Wegfall der Grenzen für Jürgenohl-, Goethe- und Schillerschule bleibt an dieser Stelle noch einmal festzuhalten: Die Entscheidung fiel gegen das Votum sämtlicher Grundschulleitungen. Die Entscheidung fiel gegen das Votum aller betroffenen Schulelternräte. Und die Entscheidung fiel gegen das Votum der beiden Stadtelternräte für die Schulen und für die Kindertagesstätten.
Wer ist für die Entscheidung eingetreten? Am Ende niemand mehr – außer den Kommunalpolitikern selbst, die jetzt die Finger gehoben. Wie es konkret weitergeht, vermag aktuell niemand zu sagen. Noch befinden sich alle im Ideenstadium. Auch das ist in Ordnung. Aber irgendwann müssen jene liefern, die bisher viel reden. Das Schweigen nach einer geheimnisvollen Sitzungsunterbrechung auf der Ratsdiele verrät, dass ein gemeinsamer Kurs (noch) nicht existiert. Aus einer Mehrheit erwächst Verantwortung. Und Antworten wollen jene, die andere Lösungen favorisiert haben. In erster Linie die Eltern.
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