Sven Regener bringt Leander Haußmann mit nach Hahnenklee
Seit dem 1. Januar 2024 machen sie gemeinsam Radio: Der designierte Preisträger Sven Regener (l.) und sein Laudator Leander Haußmann gehen beim RBB monatlich mit „Kopf und Kragen“ auf Sendung. Foto: rbb/Charlotte Goltermann
Sven Regener erhält als erster Preisträger den Goldenen Ton. Der Berliner Musiker ist gerade als Literat auch zum Mainzer Stadtschreiber ernannt, kommt am Samstag in Hahnenklee am Ende auch nicht ganz um Paul Lincke herum.
Hahnenklee. 70 Jahre Musikpreis der Stadt Goslar und dennoch eine Premiere: Wenn der Berliner Musiker Sven Regener am kommenden Samstag nach Hahnenklee kommt, um sich seinen Ring abzuholen, ist die kleine goldene Trophäe nicht mehr nach dem ungekrönten Operetten-König Paul Lincke benannt.
Goldener Ton heißt die Auszeichnung jetzt, nachdem der designierte Preisträger eine intensive historische Auseinandersetzung mit dem Namensgeber angestoßen hatte. Die Zeremonie samt Feierlichkeiten drumherum fallen in diesem Jahr vergleichsweise bescheiden aus. Ein Goslarer Konzert etwa gibt es nicht – weder am Museumsufer noch in der Kaiserpfalz, wo Annett Louisan im Dezember 2023 vor fast 400 Zuschauern als definitiv letzte Paul-Lincke-Ringträgerin auftrat.
Ein Bild aus alten gemeinsamen Zeiten: Die beiden Regisseure Leander Hausmann (l.) und Sven Regener stellen sich Ende August 2012 am Müggelsee in Berlin vor Beginn der Pressekonferenz zum Kinofilm „Hai-Alarm am Müggelsee“ den Fotografen. Foto: picture alliance / dpa
Regisseure und Radiopartner
Prominenz ist dennoch vertreten: Die Laudatio auf Regener hält Regisseur Leander Haußmann. Dem gebürtigen Quedlinburger gelang sein bundesweiter Durchbruch als Filmemacher 1999 mit „Sonnenallee“. Sein zweites Werk war 2003 schon die Verfilmung des Romans „Herr Lehmann“, der aus Regeners Feder stammt. Beide zusammen führten vor einem guten Jahrzehnt die Regie beim Kinofilm „Hai-Alarm am Müggelsee“. Und sie stehen sich weiterhin nah: Seit Januar des Vorjahres machen sie beim Rundfunk Berlin-Brandenburg regelmäßig Radio. „Kopf und Kragen“ heißt die Sendung, die jeden ersten Montag im Monat um 19 Uhr vor Publikum läuft.
Am Samstag geht es für das Publikum im Oberharz um 14 Uhr mit dem offiziellen Teil los. Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner obliegt die Ehre, Regener den ersten Goldenen-Ton-Ring überzustreifen. Nach dem Eintrag des Preisträgers ins Goldene Buch der Stadt Goslar steht ein gemeinsamer kurzer Spaziergang in den von Wildschweinen arg in Mitleidenschaft gezogenen Kurpark auf dem Programm, wo am Eingang in Höhe der Poststraße eine neu errichtete Klanginstallation wartet – eine Art Xylophon aus Metall mit zunächst sechzehn Röhren, die den neuen Ringträgern gewidmet werden, deren Namen eingraviert bekommen und die beliebig erweiterbar sind.
Im Kurpark platziert: Die neue Klanginstallation für die Preisträger des Goldenen Tons steht zur Premiere bereit. Hier werden die Namen verewigt. Foto: Epping
Peter Urban kommt, Peter Plate hat abgesagt
Anschließend soll es noch in die Stabkirche gehen, ehe die Abreise individuell erfolgt. Die Ring-Jury soll am Samstag fast komplett vertreten sein. ESC-Legende Peter Urban, der im November im Goslarer Kulturmarktplatz vor gut 100 Zuhörern aus seiner Biographie vorgelesen hat, hat sein Kommen laut Stadt-Sprecherin Daniela Siegl jedenfalls angekündigt. Ex-Rosenstolz-Musiker Peter Plate hat dagegen abgesagt. Der Lincke-Ringträger von 2007 mit Goslarer Vergangenheit arbeitet aktuell wie berichtet unter Hochdruck mit Partner Ulf Leo Sommer am neuen Musical „Wir sind am Leben“, das am 21. März im Berliner Theater des Westens Premiere feiern soll.
„Froh, dass es weitergeht“
„Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass es mit dem Musikpreis in Hahnenklee weitergeht“, sagt Ortsbürgermeister Heinrich Wilgenbus (CDU). Er sei sehr gespannt, wie der Goldene Ton gerade auch vom Publikum vor Ort angenommen werde. Über Paul Lincke, dessen Vergangenheit im „Dritten Reich“ und die Umbenennung des Preises hat Hahnenklee über Monate hinweg heiß diskutiert. Genauso wie aktuell die Förderer des Preises immer noch über den Namen ihres Vereins diskutieren. In einer Sondersitzung ist am 10. Oktober mit deutlicher Mehrheit die Entscheidung gefallen, sich von Freundeskreis Paul-Lincke-Ring in Freundeskreis Goldener Ton umzubenennen. Eine entsprechende Information bestätigt Vorsitzende Almuth Ahrendts, ohne sich gegenwärtig näher dazu äußern zu wollen. Es gibt demnach noch letzte Formalien zu erledigen.
Für Regener selbst gestaltet sich diese Woche zu einer Art Ehrungsreigen. Am Montag gab das ZDF bekannt, dass der 65-jährige Schriftsteller und Musiker den 41. Mainzer Stadtschreiber-Literaturpreis von ZDF, 3sat und der Landeshauptstadt erhält. Er wird Mainzer Stadtschreiber 2026. Die Verleihung des mit 12.500 Euro dotierten Preises ist für April 2026 geplant. Der Preisträger erhält zudem für ein Jahr Wohnrecht in der Stadtschreiberwohnung, die im Herzen der Mainzer Altstadt liegt. Goslar lässt grüßen...
„Die Dramen des Alltäglichen“
„Sven Regener erzählt sowohl als Schriftsteller als auch als Musiker die großen Geschichten in scheinbar beiläufigem Ton“, heißt es in der Jury-Begründung. „Seine Romane, Drehbücher und Songtexte beschreiben die Dramen des Alltäglichen und wissen um die Poesie des Strauchelns.“ Mit dem melancholischen Ton seiner Band Element of Crime und dem lakonisch norddeutschen Sound seiner Romane um Herrn Lehmann in Zeiten deutscher Umbrüche erreiche Regener ein großes Publikum. Originell und vielfältig sei sein Werk, das immer wieder zu überraschen vermöge.
Auf seiner Homepage verrät Regener zudem, dass er aktuell an seinem neuen Roman arbeite, der nächstes Jahr erscheinen soll. „Und mehr wird nicht verraten, außer dass er natürlich super wird und die Herren Sinatra und Astaire darin eine Rolle spielen werden, wenn auch nur sehr indirekt“, heißt es dort.
Paul Lincke und seine Ablehnung
Ob er am Samstag vielleicht doch noch etwas mehr von seinem Projekt preisgibt? Immerhin scheut sich der Mann nicht vor klaren Worten. Nach der Umbenennung des Preises stellte er jedenfalls in einem auch in der GZ erschienen Interview im April klar, dass er den Anstoß zur Auseinandersetzung mit Paul Lincke gegeben hatte. Was anfangs von offizieller Goslarer Seite immer blumigst umschrieben wurde. „Ich hatte den Preis angenommen und mich erst danach über Paul Lincke schlau gemacht. Und erfahren, dass Paul Lincke in hohem Alter ein wohl doch ziemlich glühender Nazi war. Ich habe den Preis deshalb dann wieder abgelehnt. Nun ja, ich hätte vorher nachgucken sollen. Jedenfalls wollte ich einen Preis, der diesen Namen trägt, dann nicht mehr haben. Die Leute, die den Preis verleihen, hatten das auch nicht gewusst“, sagte Regener.
Hat als Namensgeber ausgedient: Der Berliner Operetten-König Paul Lincke spielt künftig keine zentrale Rolle mehr bei den Ringverleihungen. Seine Statue steht nach wie vor auf dem nach ihm benannten Platz, der bisher stets Pflichtstopp bei Preisverleihungen war. Foto: Epping
Ganz um Paul Lincke, der auf dem Waldfriedhof im Kurort seine letzte Ruhestätte gefunden hat, kommt er in Hahnenklee dennoch nicht herum. Die Ring-Verleihung geht im Paul-Lincke-Saal des Kurhauses über die Bühne. Und um der Wahrheit halber: 70 Jahre Musikpreis der Stadt Goslar sind auch schön gerechnet, weil die ersten Verleihungen ab 1955 bis zur Eingemeindung in den 1970er Jahren eine reine Hahnenkleer Angelegenheit waren – mit Preisträgern, über deren Vita durchaus auch noch diskutiert werden darf (Bericht folgt).

Sauerei: Die Wildschweine haben den Kurpark in den vergangenen Woche weiter heimgesucht und umgepflügt. Foto: Epping
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