Ohne Glanz und Protest: Goldener Ton besteht die Pflicht-Premiere
Her mit den Fragen (v.l.): Goslars Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner, Preisträger Sven Regener und Laudator Leander Haußmann stehen vorab bei der Pressekonferenz Rede und Antwort. Foto: Neuendorf
Der Goldene Ton hat seine Premiere überstanden, Sven Regener den Goslarer Musikpreis erhalten. Die GZ berichtet vom Zittern der Veranstalter, über ein bemerkenswertes Berliner Duo, alte Saal-Dokumente und einen neuen Preisträger.
Musikpreis der Stadt Goslar verliehen
Goldener Ton: Starke Momente mit Sven Regener und Leander Haußmann
Kein Wunder, dass die Anspannung bei den Goslarer Verantwortlichen vor dem Festakt hoch war. Umso größer dürfte die Erleichterung gewesen sein, als sich Regener im Doppelpack mit Arbeitskumpel und Laudator Leander Haußmann als ebenso entgegenkommender wie gescheiter Gast präsentierte. Witzig und willensstark, klar in der Ansage, freundlich im Auftreten: Regener, dessen Weigerung, einen Preis mit dem Namen Paul Lincke anzunehmen, eine lange Debatte in Kurort und Kernstadt ausgelöst hatte, zerstreute auch schnell alle Bedenken, dass er mit Leben und Leistung Linckes vor der Nazi-Zeit irgendwelche Probleme habe. Er wolle nicht den Stab über den Menschen brechen. Aber sich eben auch nicht mit einem solchen Namen schmücken lassen.
Hinweis auf weitere Arbeit
Vielleicht ein Hinweis auf den weiteren Umgang mit Lincke in Hahnenklee? Gedenken und Erinnerung nicht löschen, sondern einordnen? Es wäre ein Weg. Ob deshalb ein kurzfristiges Entfernen des Paul-Lincke-Saal-Schildes im Kurhaus Not tat? Nachvollziehbar, dass es sich niemand hätte anziehen wollen, wenn Regener die letzten Schritte in den Saal des Kurhauses unter einem solchen Schild hindurch verweigert hätte. Hinterher ist man immer schlauer. Allerdings erscheint die Begründung der Goslarer Verwaltung, es habe nie eine offizielle Taufe des Saales nach Paul Lincke gegeben, immer fadenscheiniger, wenn der Blick auf einen Antrag von CDU und FDP im Ortsrat vom 25. November mit der Nummer 331 aus dem Jahr 1998 fällt.
Antrag von 1998 mitgebracht
Heinrich Wiebe, der Langzeit-Liberale im Ortsrat, hatte das von ihm und Bernhard Uhe für die CDU unterzeichnete Papier am Samstag in der Tasche. Damaliges Begehr: Der große Kursaal soll fortan nach Lincke, der kleine Saal im Kurmittelhaus nach dem Maler Wilhelm Ripe heißen. Begründung: Die Erinnerung an beide werde „im täglichen Sprachgebrauch und an Orten zentraler (Kur-)Veranstaltungen für Gäste und Einwohner aufrechterhalten.“ Es geht übrigens um eine Zeit, als Georg Michael Primus noch Oberstadtdirektor in Goslar war. Am Samstag weilte der gerade 80 gewordene Jurist unter den Gästen in Hahnenklee.Musikpreis der Stadt Goslar
Seven Regener erhält „Goldenen Ton“
Komisch jedenfalls, dass die Kulturabteilung bei ihren Recherchen nichts zutage fördern konnte. Ob der Antrag vielleicht noch in der Warteschleife hängt? Erst am Dienstag der Vorwoche hatte die Goslarer Ratspolitik noch im Finanzausschuss über die „Einführung eines Antragscontrollings“ diskutiert. Um den Bürgern sagen zu können, wie weit welcher Antrag mittlerweile gereift sei. Hier wäre ein Anfang für die Suche. Das Schild hat derweil wie berichtet Marketingchefin Isabel Junior abgenommen und gesichert.
Presse und Ausweis
Zurück zum Samstag: Neben der GZ, dem Harzer Panorama, dem NDR und der dpa war mit Michael Beforth auch der Vertreter eines Hahnenkleer Internetauftritts auf der Pressekonferenz vertreten. Klaus-Peter Kühl, ein ausgewiesener Gegner der Ring-Umbenennung, musste als dessen Begleitung mangels Presseausweises passen, sodass ein sauertöpfisch dreinblickender Beforth allein und schweigend die Frage-Antwort-Runde verfolgte. Was gab es dort zu erfahren? Vieles, was die 220 Gäste im nur halb geöffneten und deshalb vollen Saal kurz hinterher auch hören konnten. Dass Regener und Haußmann eher Freunde beruflicher Art seien und normal nicht zusammen ins Kino oder zu Konzerten gehen. Obwohl: „Angriff der Klonkrieger“ aus der Star-Wars-Reihe hätten sie schon gemeinsam gesehen. Und auch Bob Dylan beim Musizieren gelauscht. Und dass noch eines von insgesamt drei zusammen geschriebenen Theaterstücken auf seine Veröffentlichung wartet. „Eins haben wir noch nicht ins Rennen geschickt“, sagte Regener.
Zur Umbenennung des Preises? Der Goldene Ton sei ein guter Name. Zuerst wollte Regener den Findungsprozess nicht kommentieren. Später lobte er, dass Goslar die Aufgabe sehr gut gemeistert habe – unaufgeregt, aber konsequent. Für die Jury bezog der frühere NDR-Unterhaltungschef Dr. Jürgen Meier-Reese Position. Das Gremium habe keine aktive Rolle gespielt, aber schon alles genau beobachtet. Regener gebühre ein Kompliment dafür, die Aufarbeitung angestoßen zu haben. Goslar und Hahnenklee verdienten für die Gestaltung „großen Respekt“, den er als Außenstehender bezeugte. Denn: „Nicht überall ist so etwas so honorig gelungen.“
Zum Turnen in St. Andreasberg
Regener und der Harz? Als Kind sei er mit dem Turnverein einst zwei Wochen in St. Andreasberg gewesen. Leander Haußmann wiederum ist in Quedlinburg geboren, weil sein schauspielernder Vater ein Engagement beim Bergtheater in Thale hatte. Als er selbst ein Jahr alt war, ging es in die Hauptstadt. Er fühle sich als „Ur-Berliner“ und müsse mit diesem „Gepäck“ umgehen, erzählte er schmunzelnd. Kurzum: Die Berliner Gäste waren ein Gewinn für die Veranstaltung – da haben sich Lincke-Ringträger in der Historie schon anders benommen.
Laute Pfiffe im Saal
Apropos Benehmen: Dass Elke Dreßler während der Zeremonie mehrfach pfiff, hatte nichts mit Missfallen zu tun. Die Leiterin des Büros von Goslars Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner und Frau des Ersten Kreisrates Frank Dreßler, der am Samstag den Landkreis vertrat, beherrscht einfach die Kunst, lautstark auf den Fingern zu pfeifen. Und was wäre der „Sportpalastwalzer“ von Siegfried Translateur ohne Pfiff an den richtigen Stellen? Ein im Vorfeld in anonymen Mails angekündigter Protest durch pfeifende Fußgänger blieb am Samstag dagegen aus. Ob der stürmische Wind und der nervige Niederschlag eine Rolle spielten? Egal. Im Saal fiel der Beifall an mehreren Stellen fast schon demonstrativ lang und laut aus. Wer einen Kontrapunkt zum ersten Goldenen-Ton-Ringträger suchte, dessen Blick blieb ausgerechnet an einem Bruce-Springsteen-Sticker hängen, den Goslars Kulturverwalter Marvin Voges an der Jacke trug. Voges war es auch, der Regener beim regennassen Gang zur Stabkirche quasi an die Hand nahm. Dort spielte Stefan Klockgether auf dem Carillon Melodien von Renegers Band Element of Crime.
Den (Goldenen) Ton getroffen: Stabkirchen-Carillonneur Stefan Klockgether lässt sich von Sven Regener über die Schulter schauen, während er auf seinem Instrument Lieder von Element of Crime spielt. Foto: Neuendorf
Der Weg führte übrigens doch über den Paul-Lincke-Platz. Der neue Preisträger kannte dort keinerlei Berührungsängste. Weder mit der Lincke-Büste noch offenkundig mit dem Springsteen-Emblem seines Guides. Bevor der Boss für den Goldenen Ton infrage kommt, müsste er freilich erst einmal etwas Musikalisches auf Deutsch abliefern. So geht auch der zweite Goldene Ton definitiv an jemand anderen.
Neuer Preisträger hat zugesagt
Einen Preisträger, das war am Samstag aus mehreren gesicherten Quellen zu erfahren, gebe es schon. Das ist vielleicht die nächste gute Nachricht des Wochenendes. Die Person, deren Name bis zur offiziellen Verkündung geheim bleibt, habe nämlich bereits auch zugesagt. Erfreulich deshalb, weil der nach wie vor undotierte Musikpreis weiterhin von der Akzeptanz der ausgewählten Künstler lebt. Der Samstag bot jedenfalls keine weitere Angriffsfläche für neue Ring-Diskussionen.Preisverleihung in Hahnenklee
Paul Lincke, Lili Marleen und die Geschichte(n) eines Musikpreises
Und so blieb Leander Haußmann in seiner humorigen Laudatio nur der Rat für Regener und dessen Nachfolger, mit dem Preis pfleglich umzugehen. Als mahnendes Beispiel hatte er die Geschichte des österreichischen Schauspielers Jens Harzer mitgebracht, dem sein 2019 in Wien verliehener Iffland-Ring beim Feiern vom Finger gefallen sei. Alle hätten bei der intensiven Suche helfen müssen. Weshalb das Lokal jetzt „Café Bücke dich“ heiße. Überprüfbar ist die Anekdote nicht. Aber schön. Und sie gefiel dem Publikum. Vom Goslarer Kaiserring ist eine ähnlich bodentiefe Ringsuche von Preisträger Mario Merz 1989 mindestens mündlich überliefert. Es bleibt abzuwarten, wie fröhlich, ungezwungen und glanzvoll künftige Verleihungen des Goldenen Tones über die Kurhaus-Bühne gehen. Dann wieder im Paul-Lincke-Saal?...
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