Wie der Bahnhof Goslar sein heutiges Gesicht erhielt
Das Empfangsgebäude des Bahnhofs in Goslar. Die Fotografie von der Gleisseite wurde Ende des 19. Jahrhunderts aufgenommen. Foto: Privat
Der Bahnhof Goslar entsteht über viele Bauphasen: Vom ersten Gleis aus Vienenburg bis zu Erweiterungen um 1900 und nach dem Krieg verändert sich das Gebäude stetig.
Goslar.
Der folgende Text ist eine Zusammenfassung aus einem reich bebilderten dreizehnseitigen Fachartikel. Der komplette Artikel von Reinhard Dietrich, Maria Mungo und Ferdinand Werner erschien in der Zeitschrift INSITU, Zeitschrift für Architekturgeschichte, 17. Jahrgang 2025, Heft 1, S. 99ff und kann zu den Öffnungszeiten im Lesesaal des Stadtarchivs unter der Signatur B 54 / 2025 eingesehen werden. Die Zusammenfassung erstellte Ulrich Koschorke.
Goslar lag zu Beginn des Eisenbahnzeitalters in einem toten Winkel. Nachdem 1838 ein erster Abschnitt der Braunschweigischen Staatseisenbahn – von Braunschweig Richtung (Bad) Harzburg – eröffnet worden war, verhandelten zwar verschiedene Stellen über eine Abzweigung nach Goslar, aber erst 1863 wurde der Bau der Bahnlinie beschlossen. Nicht zuletzt wegen der zu erwartenden Touristen bemühten sich die Bürger daraufhin, die Stadt für Besucher attraktiver zu machen. Am 22. März 1866 feierte man endlich die erste Zugfahrt von Goslar nach Vienenburg.
Der erste Bahnhof: Bau und architektonische Ideen
Obwohl das aus Vienenburg kommende Gleis hier endete, wurde das Empfangsgebäude in Seitenlage errichtet – wohl in der Hoffnung, einmal nach Westen weiterbauen zu können. Im Dezember 1865 hatten die Arbeiten mit dem Ausheben der Baugrube begonnen.
Eine Bauaufnahme vor der zweiten Erweiterung des Empfangsgebäudes im Jahr 1897. Foto: Privat
Neuromanik als prägender Baustil
Er wurde im neoromanischen Stil errichtet, ebenso folgende Erweiterungen. Ähnlich wie in anderen durch romanische Großgebäude geprägten Städten nahm die Eisenbahnverwaltung diesen Stil auch für Goslar auf, für das den Bezug die Kaiserpfalz und die romanischen Kirchen bildeten. Der Bezug schien wichtig, zumal treibende Kraft des Bahnbaus hierher auch der Fremdenverkehr war. Da quasi parallel (1868 bis 1879) die Rekonstruktion der Kaiserpfalz stattfand, wurde die Stadt so als Reiseziel aufgewertet.
Der Bahnhofsvorplatz Goslar um 1903, aufbereitet als kolorierte Postkarte. Foto: Privat
Vom architekturgeschichtlichen Standpunkt betrachtet, gehört das Goslarer Empfangsgebäude zu einer kleinen Gruppe von Bahnhofsgebäuden im neuromanischen Stil. Dazu gehören auch einige, bei denen sich das Neuromanische auf die Gliederung durch romanische Formen beschränkt. Die Neuromanik entwickelte sich in Goslar zum Lokalstil, denn weitere Repräsentationsbauten folgten der Vorgabe des Bahnhofs: das Kaiserliche Postamt (heute: Dresdner Bank), der Neubau des Ratsgymnasiums, im Detail selbst die Goslarer Filiale der Hildesheimer Bank (heute: Fielmann).
Goslar wird zum Verkehrsknotenpunkt
Zum 1. Mai 1883 gingen die Strecken Richtung Hildesheim und Kreiensen in Betrieb, Goslar wurde damit zum Durchgangsbahnhof und zum Verkehrsknotenpunkt. Was das für das Empfangsgebäude bedeutete, ist unklar. Immerhin wäre das ein plausibler Zeitpunkt für dessen erste Erweiterung, für die es keine Datierung gibt.
Platzmangel und neue Pläne für den Bahnhof
Andererseits legt die Bahn im Januar 1890 der Öffentlichkeit – die sich seit Jahren über den Platzmangel im Empfangsgebäude beschwert, so gibt es nur einen Fahrkartenschalter – eine Planung für eine Erweiterung vor. Vermutlich hat man also zunächst den östlich anschließenden Teil (Richtung Klubgartenstraße) angebaut. Den Zustand nach Vollendung der zweiten Bauphase zeigt das undatierte Foto vom Ende des 19. Jahrhunderts von der Gleisseite.
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Deutlich sind die Unterschiede zum heutigen Bestand: Die östliche Ecke des Gebäudes (ganz links im Bild) ist nur einstöckig und trägt ein Walmdach, die letzte Gebäudeachse im Südosten fehlt noch. Der Plan von 1897 zeigt als zentrale Partie einen zweigeschossigen Pavillon zu drei Achsen, unten mit großen rundbogigen Öffnungen, im ersten Stock aber über jeder dieser Öffnungen je drei kleine rundbogige Fenster mit einem Dreipass. Beide Fassaden – zur Straßen- wie zur Gleisseite – sehen gleich aus. Die Mittelachse an der Straßenseite war der Haupteingang, an der Gleisseite der Durchgang für den Gepäckträger. Links und rechts davon befand sich je eine schmale Achse mit zwei gekoppelten rundbogigen Fenstern; im Süden noch ein kurzer Flügel mit Diensträumen und dem Büro des Bahnhofvorstehers.
Der lange Weg zur großen Erweiterung
Ein erster Plan für eine Erweiterung wurde im Januar 1890 der Öffentlichkeit vorgestellt. Er sah an beiden Seiten eine Verlängerung des Gebäudes parallel zum Bahnsteig vor, wurde aber nie umgesetzt. Stattdessen kam es in der Folgezeit zu einer Reihe kleinerer Bauten wie einer Toilette, einer Trinkhalle oder Aufenthaltsräumen für das Personal, um dem Raumbedarf nachzukommen.
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Der berichtende Journalist der Goslarschen Zeitung ergoss seinen Spott über so viel unkoordinierte Geschäftigkeit der Bahnverwaltung. An den Klagen wegen der völlig unzureichenden Verhältnisse am Bahnhof aber änderte sich nichts. Zwar begann die Königliche Eisenbahndirektion in Magdeburg 1897 ernsthaft eine Erweiterung zu planen, die ersten Entwürfe wurden indes vom Berliner Ministerium als zu teuer (so einer über 175.000 Mark von 1899) abgelehnt. Erst im Januar 1901 genehmigte der Minister die Baumaßnahme mit veranschlagten Kosten von 250.000 Mark.
Der große Anbau von 1901/1902
Was nun entstand, war ein Anbau an der westlichen Seite des Bestandsgebäudes, sodass ein L-förmiger Grundriss entstand und sich die Fläche verdoppelte. Der neue Teil enthielt geräumige Gänge und großzügige Wartesäle, während im alten Teil ein großer Gepäckraum, Büroräume und die Telegrafie untergebracht waren.
Die neue „Zierde“ Goslars hielt ein unbekannter Fotograf bald nach der Eröffnung 1902 fest. Das Äußere führt die neoromanischen Tendenzen weiter, das Innere hingegen scheint im Wesentlichen nach funktionalen Gesichtspunkten gestaltet worden zu sein. Sichtbar sind davon heute nur noch eine Holzbalkendecke und die freigelegte farbige Ornamentik im öffentlichen Gang.
Weitere Ausbauten vor dem Ersten Weltkrieg
Zwischen 1911 und 1914 wurde das Empfangsgebäude erneut erweitert: um einen Wartesaal 3. und 4. Klasse mit vorgebauter „Winter- und Sommerhalle für Ausflügler und Sportler“ in Leichtbauweise; die Bahnsteiganlagen erhielten einen Personentunnel. Weitere Ausbauten erfolgten in der Reichsbahnzeit: So wurde 1927 die komplette abschließende Giebelwand im Osten versetzt, sodass das Fachwerk im Obergeschoss verschwand und die Fassade stilistisch rein neoromanisch aussieht.
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1929 wurde die Bahnsteigsperre im Gebäude so verlegt, dass die Wartesäle und die Bahnhofsbuchhandlung ohne Bahnsteigkarte für jedermann erreichbar waren. Im Krieg blieb der Bahnhof unbeschädigt. Historische Fotografien zeigen, dass der älteste Teil des Empfangsgebäudes straßenseitig nur aus einem Erdgeschoss bestand, hingegen bahnsteigseitig ein Vollgeschoss im 1. Stock aufwies. Erst ein Foto wohl aus den frühen 50er Jahren zeigt nun auch straßenseitig einen ersten Stock als Vollgeschoss in Neoromanik. Dieser Umbau ist insofern bemerkenswert, als doch dieser Stil inzwischen völlig aus der Mode ist.
Veränderte Nutzung ab den 1960er Jahren
Weitere Ergänzungen und Umbauten erfuhr das Gebäude ab den 1960er Jahren. Am auffälligsten ist eine Erweiterung im Nordwesten, wo ein Eingangsraum zu Bahnsteig 1 angebaut wurde. Da sich die Reisegewohnheiten in dieser Zeit stark wandelten, verloren die großzügigen Wartesäle an Bedeutung und sollten anders genutzt werden. Sie wurden deshalb durch den Einbau mehrerer kleinteiliger Räume stark verändert.
Der Text stammt aus den Goslarer Archiv-Nachrichten Nr. 22 8/25.

Das Empfangsgebäude des Bahnhofs in Goslar. Die Fotografie von der Gleisseite wurde Ende des 19. Jahrhunderts aufgenommen. Foto: Privat
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