300 Besucher kommen zur Filmpremiere nach Braunlage

So gut besucht ist das Kurgastzentrum selten: 300 Gäste sehen die Premiere des Film „Formen moderner Erschöpfung“. Foto: Eggers
Das Interesse war riesig. 300 Besucher kamen am Mittwochabend ins Kurgastzentrum, um die Premiere des dokumentarischen Spielfilms „Formen moderner Erschöpfung“ zu sehen. Regisseur Sascha Hilpert dankte dabei auch vielen Braunlagern.
Braunlage. Für Detlef Kiep war es schon ein seltsames Gefühl. „Ich kann das gar nicht beschreiben“, meint der Kunsttherapeut der Klinik Sanatorium Dr. Barner. Am Mittwochabend hat der Hohegeißer sich selbst im Kino – auf einer großen Leinwand im Kurgastzentrum – gesehen. Detlef Kiep wirkte wie so viele Mitarbeiter des Sanatoriums bei dem dokumentarischen Spielfilm „Formen moderner Erschöpfung“ mit, der am Mittwochabend vor 300 Besuchern in Braunlage gezeigt worden ist.
„Mit dieser Resonanz haben wir nicht gerechnet“, sagen Regisseur Sascha Hilpert und Produzent Joachim Kühn übereinstimmend. Der Andrang war so groß, dass um 19 Uhr, als der Film eigentlich beginnen sollte, noch nicht alle Besucher im großen Saal des Kurgastzentrums waren. Dirk Becker, der Geschäftsführer der Braunlage-Tourismus-Gesellschaft, hatte noch weitere Stühle herbeigeschafft, sodass alle einen Sitzplatz hatten.

Schon am Eingang gibt es lange Schlangen im Kurgastzentrum. Foto: Eggers
Ohne Drehbuch agiert
Im Januar und Februar 2023 hat das Team um Regisseur Sascha Hilpert diesen dokumentarischen Spielfilm gedreht. Hilpert, der einst Patient in der Klinik war, die ein Privatkrankenhaus für Psychosomatik und Psychotherapie ist, hatte die Idee, einen Film über dieses Haus zu drehen. Die vielen Gebäude haben sich in den vergangenen 125 Jahren nur wenig verändert hat. „Hier ist alles echt. Das ist nie Kulisse“, betont der Regisseur.
Sascha Hilpert hat mit Birgit Unterweger, Rafael Stachowiak und Wolf List nur drei hauptberufliche Schauspieler verpflichtet. Die weiteren Rollen haben Mitarbeiter der Klinik Sanatorium Dr. Barner wie beispielsweise Detlef Kiep übernommen. Sie schlüpfen dabei nicht in eine Rolle und hatten auch kein Drehbuch. Sie spielen einfach sich selbst.

Regisseur Sascha Hilpert und Produzent Joachim Kühn begrüßen die Besucher zur Premiere ihres dokumentarischen Spielfilms im Kurgastzentrum Braunlage. Foto: Eggers
Detlef Kiep jedenfalls wusste zwar, dass ihm mit Nina (Birgit Unterweger) eine Schauspielerin und keine Patientin gegenübersitzt, aber er hatte die Kamera schnell vergessen und in dem Film so agiert, als würde er mit einer Patientin arbeiten. Diese verweigerte im Film zunächst die Therapie, in dem sie mit Kohle quer über den leeren Zeichenblock wischte, später arbeitete sie aber mit. Detlef Kiep analysiert ihre Zeichnung dann vor laufender Kamera.
Aber auch die Schauspieler improvisierten. Sie wussten ja nicht, wie die Barner-Mitarbeiter auf die Dialoge im Drehbuch reagieren würden. „Das ist ein faszinierendes Format“, erklärt Sascha Hilpert im Kurgastzentrum.
Kaum bemerkbar
Der Regisseur, der auch zusammen mit Martin Rosefeldt das Drehbuch schrieb, betont, dass er schlecht hätte einen Dokumentarfilm drehen können, weil richtige Patienten mit psychosomatischen Problemen nur sehr schwer gefilmt werden könnten. Diese sollen ja nicht vorgeführt werden, und deshalb sei die Idee mit den Schauspielern entwickelt worden.
Klinikchef Johann Barner lobt das Filmteam, das im Alltag kaum bemerkbar gewesen sei. Immerhin hatte das Sanatorium zum Zeitpunkt des Drehs 80 Patienten, die aber nicht im Film zu sehen sind. Das Barner-Mitarbeiter-Team ergänzte die Doktorandin des Charité aus Berlin, Sarah Bernhard. Sie habe die Erschöpfung der Moderne in ihrer Promotion thematisiert und dafür auch häufiger im Sanatorium Dr. Barner recherchiert.

Die Farben im Film wirken doch düsterer, als sie sein sollten. „Das ist im Kino anders“, meint Regisseur Sascha Hilpert, der nicht ganz so zufrieden wirkte. Foto: Eggers
Zusammen mit Christian Konrad, dem Archivar des Hauses, ist sie im Film im Dialog auf die Geschichte der Klinik eingegangen. Ergänzt wurde dies durch das Vorlesen historischer Briefe von den bekannten Patienten Frida von Uslar-Gleichen, Paul Klee und Hans-Erich Nossak, die als Patienten das Leben im Sanatorium ihren Angehörigen geschildert hatten.
Größere Sprechrollen hatten neben Detlef Kiep unter anderem auch die Ärzte Dr. Ulrike Manegold, die als Psychaterin mit Nina (Birgit Unterweger) sprach, Dr. Anousheh Heimann, die diesen Part mit Henri (Rafael Stachowiak) hatte, Cryslin Baldoza-Ozburg, die als singende Reinigungskraft und Sonnenschein schnell für Beliebtheit sorgte und Christiane Sparmann, die den Schauspielern einen Blick im Speisesaal mit Blick auf den Garten empfahl.

Mit dem Andrang hat die Braunlage-Tourismus-Gesellschaft nicht gerechnet. Geschäftsführer Dirk Becker holt weitere Stühle, damit alle Besucher einen Platz finden. Foto: Eggers
Noch lange gefeiert
Insgesamt wirkten 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem Film mit, berichtet Sascha Hilpert. Dabei waren die Dialoge nicht immer gleich im Kasten. „Wir mussten auch schon mal mehrfach drehen“, erklärt der Regisseur, der alle Barner-Beschäftigten im Abspann erwähnte. Dort tauchte auch Matthias Bliemeister, der Wirt der Kneipe „Hille Bille“, auf, der in seiner Szene ebenfalls seinen Job machte, und den Schauspielern Nina und Henri in seiner Gaststätte ein Getränk brachte.

Diese Mitarbeiter des Sanatoriums Dr. Barner mit Geschäftsführer Johann Barner (links) wirken bei dem dokumentarischen Spielfilm mit und bekommen bei der Premiere ganz viel Applaus vom Publikum. Foto: Eggers
Die drei Schauspieler Birgit Unterweger, Rafael Stachowiak und Wolf List konnten aus terminlichen Gründen nicht zur Premiere nach Braunlage kommen, der Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Bis nach Mitternacht feierten die anderen Schauspieler ihre gelungene Filmpremiere mit Regisseur und Produzent in der Gaststätte „Drink‘a‘Bell“ des Kurgastzentrums.
Der dokumentarische Spielfilm „Formen moderner Erschöpfung“ kommt am Donnerstag, 13. November, in ausgewählte Programmkinos in ganz Deutschland und im nächsten oder übernächsten Jahr ist er im Rahmen der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ im ZDF zu sehen.
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