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Diakonie-Lädchen

GZ Plus IconGibt es noch eine Chance für Clausthaler Traditionsgeschäft?

Viele Stammkundinnen wie Antje Schick-Dekowski (l.) wissen die ehrliche Beratung von Margot Neumann zu schätzen.

Viele Stammkundinnen wie Antje Schick-Dekowski (l.) wissen die ehrliche Beratung von Margot Neumann zu schätzen. Foto: Knoke

Seit 16 Jahren verkauft Margot Neumann in Clausthal-Zellerfeld gebrauchte Kleidung für den guten Zweck. Nun muss die 87-Jährige das Diakonie-Lädchen aus persönlichen Gründen schließen. Zwei potenzielle Nachfolgerinnen äußern aber Interesse.

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Von Corinna Knoke
Samstag, 18.10.2025, 04:00 Uhr

Clausthal-Zellerfeld. Wenn donnerstags die rote Jacke an der Tür hängt, wissen alle: Das Diakonie-Lädchen in der Schulstraße hat geöffnet. Seit 16 Jahren verkauft Margot Neumann (87) in dem Geschäft gebrauchte Damenoberbekleidung für den guten Zweck. Eigentlich wollte sie noch weitermachen, bis sie 90 Jahre alt ist, doch die Gesundheit macht nicht mehr mit. Ende des Monats schließt sie ihr Lädchen. Für viele Stammkundinnen ist das ein Verlust, auch wenn sich womöglich eine Nachfolge anbahnt.

Das rote Jäckchen an der Eingangstür ist das Erkennungssymbol des Diakonie-Lädchens in der Schulstraße.

Das rote Jäckchen an der Eingangstür ist das Erkennungssymbol des Diakonie-Lädchens in der Schulstraße. Foto: Knoke

2008 gründete Neumann gemeinsam mit dem früheren Kirchenkreis-Sozialarbeiter Norbert Hammermeister den Fonds „Oberharzer Schulmaterial- und Lernmittelfonds“, heute „Luca lernt mit“. Damit unterstützt das Diakonische Werk Familien mit geringem Einkommen beim Kauf von Schulmaterialien. Um das Projekt zu finanzieren, entstand 2009 das Diakonie-Lädchen – damals noch direkt an der Marktkirche. Bis heute fließen die Erlöse aus gespendeter Kleidung vollständig in die Aktion.

Das Lädchen: Klein, aber fein

Das Geschäft misst nur rund 15 Quadratmeter, bietet aber fast alles, was das Frauenherz höherschlagen lässt. Neumann achtet darauf, dass die Kleidung modisch und in einem sehr guten Zustand ist. Mehr als 20 Euro kostet kein Stück, und oft ist der Preis nur eine Spendenempfehlung. Wer weniger geben konnte, wurde sich mit Neumann schnell einig. Viele Stammkundinnen kamen ohnehin weniger wegen der Preise, sondern wegen ihrer ehrlichen Beratung.

Das erlebte auch Antje Schick-Dekowski am Donnerstag. Sie hatte einen Schal im Schaufenster gesehen, doch Neumann winkte ab: „Das ist nicht Ihre Farbe.“ Stattdessen zog sie andere hervor und noch eine Tasche, weil sie wusste, dass Schick-Dekowski so etwas suchte. Am Ende kaufte die Kundin fünf Tücher, darunter auch das, von dem ihr Neumann abgeraten hatte.

Die 87-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund. „Die Kundinnen haben ja hinten keine Augen. Ich möchte nicht, dass sie sich zu Hause ärgern oder der Mann fragt, was sie denn da gekauft haben.“ Zu ihren Stammkundinnen zählen auch viele internationale Studentinnen der TU Clausthal. Einer half sie beispielsweise vor einer mündlichen Prüfung, das richtige Outfit zu finden. Und auch eine Urlauberin, die im Herbst im dünnen Pullover anreiste, verließ dank eines Ponchos von Neumann nicht mehr frierend den Laden.

Ein Auge für Trends

Auch wenn es den Anschein macht, kommt Neumann nicht aus der Modebranche. Sie hat bei der Sparkasse gearbeitet. „Mode war schon immer mein Hobby“, sagt sie. Sie hat ein Auge für Trends und Kombinationen. Ihr fällt es zudem leicht, sich von Kleidung zu trennen, um Platz für Neues zu schaffen. Was sie aussortierte, kam dann wiederum ihren Kundinnen zugute.

Auch außerhalb des Lädchens war Neumann engagiert: Die gebürtige Berlinerin setzte sich für das DRK-Pflegeheim ein, war Patientenfürsprecherin im Robert-Koch-Krankenhaus, kooptiertes Mitglied im Kreisseniorenrat und Vorsitzende des Fördervereins „Mensch zu Mensch“.

Schwer fällt ihr nun der Abschied. „Es war schön, eine Aufgabe zu haben“, sagt sie. Auch ihre Kundinnen bedauern den Rückzug. „Es geht ja nicht um das Lädchen, Frau Neumann. Sie sind das Lädchen“, sagt Schick-Dekowski, die besonders Neumanns offenes Ohr schätzt. Die 87-Jährige habe sich auch den sonstigen Sorgen ihrer Kundinnen angenommen und schon mal beim Ausfüllen eines Antrags geholfen.

Doch vielleicht geht es weiter: Zwei Frauen können sich vorstellen, das Lädchen künftig zu übernehmen. „Wir suchen noch einen Träger“, sagen sie im Gespräch mit der GZ. Bevor noch nicht alles in trockenen Tüchern ist, wollen sie anonym bleiben. Das Diakonische Werk hat den Mietvertrag zum 30. November gekündigt. Sollte sich die Nachfolge verzögern, will Neumann als Spende noch die Miete für Dezember übernehmen. Ihr Herzenswunsch ist, dass es weitergeht und das rote Jäckchen noch lange an der Tür hängt.

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