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Ausstellung zum Kaiserring-Stipendium

GZ Plus IconGoslarer Mönchehaus zeigt Film über trommelnde Priester-Rebellin

Evan Ifekoya gestaltete für die Ausstellung „The Archive is an Altar“ eine Leseecke aus Styrodur. Hier können die Besucher in Büchern über die Traditionen der Yoruba auf Entdeckungsreise gehen.

Evan Ifekoya gestaltete für die Ausstellung „The Archive is an Altar“ eine Leseecke aus Styrodur. Hier können die Besucher in Büchern über die Traditionen der Yoruba auf Entdeckungsreise gehen. Foto: Hartmann

Eine trommelnde Priester-Rebellin, eine Schmöker-Ecke mit Büchern über die Yoruba-Tradition, Erz aus dem Rammelsberg und ganz viel spirituelle und queere Energie: Evan Ifekoya eröffnet im Goslarer Mönchehaus die Ausstellung zum Kaiserring-Stipendium.

Von Petra Hartmann Samstag, 04.10.2025, 14:00 Uhr

Goslar. Evan Ifekoya hat das Kaiserring-Stipendium gewonnen und stellt nun im Mönchehaus-Museum aus: „The Archive is an Altar“ lautet der Titel der Ausstellung, in der sich die Spiritualität des afrikanischen Yoruba-Volks, die Geschichte des Goslarer Bergbaus und queeres Leben begegnen. Am heutigen Samstag ist Eröffnung.

Evan Ifekoya ist eine nicht-binäre Künstlerpersönlichkeit, die sich weder als männlich noch als weiblich begreift. Da „sie“ oder „er“ hier gleichermaßen nicht zutreffen, wird in diesem Artikel das Neopronomen „sier“ verwandt.

Weiße Haube nach Initiationsritus

Ifekoya ist 37 Jahre alt, stammt aus Nigeria, lebt in London und ist doch zugleich tief verwurzelt in der spirituellen Tradition der Yoruba. Vor drei Monaten hat sier sich einem Initiationsritus des afrikanischen Volkes unterzogen. Vor allem mit der spirituellen Kraft des Wassers sei sier verbunden, und das nicht erst seit diesem Ritual. Nun befindet Ifekoya sich in einem „weißen Jahr“. Nach außen sichtbar wird der neue Status durch eine weiße Kopfbedeckung. Und es sind einige Regeln während dieses Jahres zu befolgen, darunter das Verbot, fremde Menschen zu berühren, erklärt Ifekoya. Nach Abschluss des Jahres habe sier eine Art Priesterschaft erworben.

Evan Ifekoya (links) und Mönchehaus-Direktorin Miriam Bettin vor einer kleinen Meereswelt: In Plexiglas eingegossen finden sich in dieser Scheibe Muscheln, Algen und weitere organische Materialien, die Ifekoya bei Strandspaziergängen entdeckte.

Evan Ifekoya (links) und Mönchehaus-Direktorin Miriam Bettin vor einer kleinen Meereswelt: In Plexiglas eingegossen finden sich in dieser Scheibe Muscheln, Algen und weitere organische Materialien, die Ifekoya bei Strandspaziergängen entdeckte. Foto: Hartmann

Einbruch in eine Männer-Domäne

Die Ausstellung ist inzwischen aufgebaut und hat für Besucher einige neue Erfahrungen und Erkenntnisse zu bieten. Kernstück ist ein etwa 20-minütiger Dokumentarfilm über Amelia Pedroso (1947 – 2000), eine offen lesbisch lebende Priester-Rebellin an der heiligen Batá-Trommel. Pedroso brach als feministische Priesterin in eine Männer-Domäne ein, als sie die bisher für Frauen verbotene Trommel für sich eroberte. Ifekoya war von der Geschichte dieser Frau fasziniert, lernte extra für den Film das Trommeln und erlebte durch die neue Mönchehaus-Direktorin in Goslar eine bemerkenswerte Wiederbegegnung: Denn Miriam Bettin, die mit „The Archive is an Altar“ ihre erste Ausstellung in dem Goslarer Museum kuratiert, besitzt eine der heute nicht mehr erhältlichen Ausgaben der Zeitschrift „Glendora Review“, in der ein Porträt Pedosos erschienen ist – die beinahe einzige Schriftquelle über das Wirken der trommelnden Rebellin. Bettin hatte das Heft mehr zufällig im Kult-Laden „Jazzhole“ in Lagos erworben und stellte es nun als Exponat zur Verfügung.

Meereswellen und Rammelsberg-Erz

Dass der Film, der den Titel „Modupe“ trägt, was in der Yorubasprache soviel wie „Dankbarkeit“ bedeutet, auch eine starke aquatische Komponente hat, versteht sich bei Ifekoya beinahe von selbst. So werden eindrucksvolle Szenen von Trommel-Performances durch Meeresbilder umspült, und man sieht das Gesicht der Musikerin im Wasser untertauchen und verschwimmen.

Ein zweites Goslarer Ausstellungsstück ist ein Erzbrocken, den Ifekoya in der Kluskapelle entdeckte: Eine Erinnerung an die letzte Schicht im Rammelsberg, darauf drei dicke weiße Kerzen. Der Stein steht nun vor zwei Andachtsbildern aus dem Film, Erinnerungsstücke und Devotionalien für Amelia Pedroso. Harz trifft Afrika, Kerzen brennen dort und hier.

Tradition, Spiritualität und Erinnerung aus Nigeria und dem Harz: Vor zwei Bildern, die Erinnerungsstücke aus dem Film „Modupe“ in Form von Altargaben zeigen, liegt ein Stück Erz aus dem Harz, Erinnerung an die letzte Fuhre aus dem Rammelsberg vor Schließung des Bergwerks. Evan Ifekoya entlieh Erz und Kerzen aus der Kluskapelle und wird sie nach Abschluss der Ausstellung wieder zurücktragen.

Tradition, Spiritualität und Erinnerung aus Nigeria und dem Harz: Vor zwei Bildern, die Erinnerungsstücke aus dem Film „Modupe“ in Form von Altargaben zeigen, liegt ein Stück Erz aus dem Harz, Erinnerung an die letzte Fuhre aus dem Rammelsberg vor Schließung des Bergwerks. Evan Ifekoya entlieh Erz und Kerzen aus der Kluskapelle und wird sie nach Abschluss der Ausstellung wieder zurücktragen. Foto: Hartmann

Lese-Ecke aus rotem Stein

Die Erinnerung als Archiv und Altar gleichermaßen. Sehr eindrucksvoll demonstriert Ifekoya dies in der „Red Rock Suite“, einer Installation aus rotem Stein, genauer gesagt aus dem harten und zugleich warmen Dämmstoff Styrodur. Hier hat sier eine Leseecke eingerichtet. Ein runder Tisch und drei Bänke, daneben ein Regal mit Büchern über die Yoruba, ihre Tradition und ihre Spiritualität. Wer mag, kann es sich hier gemütlich machen und selbst auf Entdeckungsreise gehen. Festlesen und Bleiben ausdrücklich erwünscht.

Und wer beim Schmökern zwischendurch einmal den Blick hebt, kann die Augen auf Ifekoyas neuer Sonnenscheibe ruhen lassen. Einer in Plexiglas eingegossenen Sammlung aus ozeanischen Fundstücken, aus Muscheln und Schnecken und kleinen organischen Strukturen, wie man sie bei einem Strandbesuch auflesen kann. Übrigens war Ifekoya ausgesprochen fasziniert von den schneckenartigen Spiralornamenten am Taufbecken der Frankenberger Kirche. Das Gotteshaus wird sier im kommenden Jahr auch als Spielstätte für ein besonderes Angebot zur Ausstellung nutzen.

Eine Woche Ausstellungs-Pause

Ein bisschen kompliziert wird es mit dem Terminkalender für die Besucher durch die Aufbauarbeiten zur Ausstellung der Kaiserring-Preisträgerin Katharina Fritsch: Ifekoyas Ausstellung wird am heutigen Samstag um 17 Uhr eröffnet und ist auch am morgigen Sonntag zu sehen. Dann wird das Museum wegen Umbau bis zum 10. Oktober geschlossen sein. Ab dem 11. Oktober können Besucher dann beide Ausstellungen in voller Pracht bewundern.

„The Archive is an Altar“ endet am 18. Januar. Eine besondere Veranstaltung zum Abschluss ist für Samstag, 17. Januar, geplant: Dann wird Ifekoya zusammen mit dem Modupe-Ensemble in der Frankenberger Kirche eine Soundperformance präsentieren. Die Uhrzeit wird noch bekannt gegeben.

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