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Nachgedacht

GZ Plus IconSchminke als Opium fürs Volk

Styling und Fotopräsenz müssen passen: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) ließ einen Auftrag über rund 600.000 Euro jährlich für Fotografie und Videobegleitung ausschreiben. Das sei auch in den anderen Ministerien üblich.

Styling und Fotopräsenz müssen passen: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) ließ einen Auftrag über rund 600.000 Euro jährlich für Fotografie und Videobegleitung ausschreiben. Das sei auch in den anderen Ministerien üblich. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Politische Selbstinszenierung kostet die Steuerzahler Millionensummen, wie eine jüngste Ausschreibung aus dem Finanzministerium von Lars Klingbeil offenbart. Das reicht inzwischen von der Bundesregierung bis in die Rathäuser.

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Von Jörg Kleine
Samstag, 11.10.2025, 09:00 Uhr

Beim alten Konrad Adenauer (CDU) oder bei Willy Brandt (SPD) hatten Visagisten, Bild- und Lichtkünstler wohl wenig zu verdienen. Die Furchen im Gesicht waren bei diesen Kanzlern ein Ausdruck von Lebenserfahrung, langen Nächten und staatsmännischer Herausforderung. Wenn der Wind draußen blies, war Adenauer auch die Frisur egal. Der Mann trug Hut. Und Brandt sparte sogar am warmen Wasser, zumindest, wenn man seinen Parteifreund Herbert Wehner wörtlich nehmen wollte: „Der Herr badet gerne lau“, ließ der sozialdemokratische Wadenbeißer vertraulich über seinen Kanzler wissen. Wehner genügten derweil Gel im Haar und Pfeife im Mund fürs optische Styling.

Millionensummen der Steuerzahler fürs politische Showgeschäft

Nun hat sich die Welt auch für Politiker deutlich verändert – vor allem in puncto öffentlichkeitswirksamer Inszenierung. Ob das aber zum Vorteil ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Mindestens kostet das politische Showgeschäft die Steuerzahler inzwischen Millionen- und Abermillionensummen. Devise: Macht ja nichts, merkt ja keiner. Und gerade deshalb sollten wir mal darüber reden.

Das fängt im Kanzleramt in Berlin an, reicht über die Bundesministerien und Parteizentralen weiter in Bundesbehörden, Landesregierungen und -ministerien bis hinein in Landratsämter und Rathäuser. Überall gedeihen Pressestäbe, Kommunikationsberater, Social-Media-Teams, Fotografen, Videografen und andere Künstler, damit öffentlich bedienstete Wahlbeamte im rechten Licht dastehen.

Kosten für Styling und Visagisten kommen noch obendrauf

Vize-Kanzler und Finanzminister Lars Klingbeil ließ jüngst einen Rahmenvertrag für Foto- und Videodienstleistungen ausschreiben, damit er für rund 600.000 Euro im Jahr auf Schritt und Tritt „qualitativ hochwertig“ in Szene gesetzt werden kann. Der Lohn für professionelle Visagisten und Stylisten komme noch obendrauf, wie die Bild-Zeitung zuerst berichtete. Ein Sprecher aus dem Klingbeil-Team be(un)ruhigte: Solche Aufträge von Foto- und Videografen seien schließlich in allen Bundesministerien üblich und dienten „der Erfüllung des Informationsauftrags der Bundesregierung“.

Auch bei der vormaligen Ampel-Regierung war das kaum besser. Was der offenbar genügsame Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Visagisten einsparte, packte Annalena Baerbock im Außenamt obendrauf. Dem Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) hätte man sich fürs Styling manchmal lieber hochhackige Schuhe gewünscht – zumindest wenn er neben dem russischen Sitzriesen Wladimir Putin stand.

Im Weißen Haus ist alles noch viel teurer

Wenig Trost spendet in dieser verlustreichen Bilanz, dass deutsche Politpromis wohl noch Waisenkinder sind im Vergleich zur persönlichen Inszenierungssucht des US-Präsidenten Donald Trump. Vom Bedarf an orange koloriertem Haarfärbemittel, Haarspray sowie Make-up, das den Altersfleckenteppich wie jugendliche Sonnenbräune aus Florida überdecken soll, könnte hierzulande vermutlich ein mittelständisches Unternehmen ertragreich leben.

Ein besonderes Schmankerl peilt der rötliche Mann im Weißen Haus offenbar nächstes Jahr im Sommer zu seinem 80. Geburtstag an: Ein Kampfsportspektakel in Käfigen soll auf dem Rasen vorm Präsidentensitz inszeniert werden. Während in den USA, Kanada und Mexiko die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen wird, setzt Trump auf eine martialische Mixtur aus Boxen, Ringen und Kickboxen, bei der Blut fließt. Allein die anschließende Wiederherstellung der grünen Wiese vorm Weißen Haus wird auf umgerechnet 600.000 Euro taxiert.

Dafür kann sich der deutsche Vize-Kanzler und Finanzminister Lars Klingbeil immerhin ein ganzes Jahr von Profis mit Kamera und Video begleiten lassen ...

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