Zwischen Hoffnung und Skepsis: Bulgarien wird 21. Euro-Land
Bulgarien bald im Kreis der Euro-Länder. (Symbolbild) Foto: Andreas Arnold/dpa
EZB-Präsidentin Lagarde verspricht Wohlstand, doch fast jeder Zweite in Bulgarien ist skeptisch: Wird der Euro nicht doch zum „Teuro“? Und was bedeutet der Beitritt für die anderen Eurostaaten?
Brüssel/Frankfurt/Sofia. Die Euro-Familie bekommt Zuwachs: Zum 1. Januar 2026 wird Bulgarien als 21. Mitglied in den Kreis der Länder mit der Gemeinschaftswährung aufgenommen. In dem Balkanland gibt es jedoch großen Widerstand - und dann trat nur gut drei Wochen vor der Euro-Einführung nach Protesten und Korruptionsvorwürfen auch noch die prowestliche Regierung in Sofia zurück. Bulgarien stolpere in die Eurozone, kommentierte die spanische Zeitung „El Mundo“. Dabei sehen Befürworter reichlich Vorteile für den Betritt zum gemeinsamen Währungsraum.
Was bringt der Euro Bulgarien?
EZB-Präsidentin Christine Lagarde als Europas oberste Währungshüterin verspricht den etwa 6,4 Millionen Bulgarinnen und Bulgaren vor allem zwei Dinge: Wohlstand und Sicherheit. Fast die Hälfte (45 Prozent) der Exporte des südosteuropäischen Landes gehen ins Euro-Währungsgebiet. Künftig fallen bei diesen Geschäften für bulgarische Unternehmen keine Umrechnungskosten an. Kleine und mittlere Unternehmen werden nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) allein deshalb jährlich rund eine Milliarde Lewa einsparen.

Lagarde: „Die Einführung des Euro bringt Bulgarien zwei wesentliche Vorteile: Wohlstand und Sicherheit.“ (Archivbild) Foto: Arne Dedert/dpa
Zudem profitiere eine kleine Volkswirtschaft wie Bulgarien, in der fast jeder zweite Arbeitsplatz von der Auslandsnachfrage abhänge, in einer von ständigen externen Schocks geprägten Welt besonders von einem größeren Binnenmarkt.
Das bulgarische Finanzministerium und die Nationalbank BNB hatten geworben: „Der Beitritt zur Eurozone ist eine Möglichkeit, dass Bulgarien reicher wird.“ Der Euro werde dem Fremdenverkehr helfen und bulgarischen Herstellern den Handel mit Europa und der Welt erleichtern.
Haben die anderen Euroländer auch etwas davon?
Jedes weitere Land im gemeinsamen Währungsraum erleichtert Handel und Reisen. Wer in Bulgarien investieren will, muss sich keine Sorgen mehr um Wechselkurse machen. Zudem wird der Vergleich von Preisen einfacher, wenn auch in Bulgarien mit Euro bezahlt wird. Touristen, die etwa die Hauptstadt Sofia oder das Schwarze Meer besuchen wollen, müssen künftig kein Geld mehr umtauschen und dafür Gebühren zahlen.
Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks sind nach den EU-Verträgen verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören Preisstabilität, solide öffentliche Finanzen und stabile Wechselkurse. Die Inflation zum Beispiel darf nicht aus dem Ruder laufen, damit der Wert des Geldes gewahrt und seine Kaufkraft erhalten bleibt. Die Einführung der Gemeinschaftswährung steht noch in Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn aus.

Die Zentrale der Euro-Währungshüter in Frankfurt. (Archivbild) Foto: Boris Roessler/dpa
Was sind die Bedenken der Euro-Kritiker?
Etwa die Hälfte der Menschen in Bulgarien bezweifelt Umfragen zufolge, dass der Euro sie voranbringen wird. Die Sorge ist groß, dass mit der Währungsumstellung die Preise in dem Balkanland, das zu den ärmsten in der EU zählt, steigen werden und der Euro sich als „Teuro“ entpuppt. Und nicht wenige befürchten, dass Bulgarien einen Teil seiner hart erkämpften Unabhängigkeit aufgeben muss.
Im Land gibt es zudem Widerstand gegen den Euro vonseiten der prorussischen, nationalistischen Oppositionspartei Wasraschdane (Wiedergeburt), die im Europaparlament in derselben Fraktion sitzt wie die AfD.
Steigen die Preise im Zuge einer Währungsumstellung?
„Währungsumstellungen können zu einem vorübergehenden Anstieg der gemessenen Inflation führen, häufig, wenn Unternehmen ihre Preise während der Umstellung aufrunden“, räumte EZB-Präsidentin Lagarde in einer Rede in Sofia Anfang November ein. Bei entsprechender Überwachung der Behörden lasse sich Preiswucher aber verhindern.
Bei früheren Euro-Umstellungen lagen die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise nach EZB-Angaben zwischen 0,2 und 0,4 Prozentpunkten. Selbst in Kroatien, das dem Euro-Währungsgebiet zum 1. Januar 2023 zu einem Zeitpunkt beitrat, als die Teuerungsrate bereits hoch war, habe der Umstellungseffekt etwa 0,4 Prozentpunkte betragen und schnell nachgelassen.
Ist der Schritt in den Euroraum für Bulgarien tatsächlich so groß?
Bulgarien ist seit langem Teil der europäischen Währungsgeschichte. Seit 2007 ist das Land EU-Mitglied, seine Nationalwährung Lew ist aber schon seit 1999 an den Euro gekoppelt - im Verhältnis 1,95583 für einen Euro. Nach einer Finanz- und Währungskrise war der Lew seit 1997 bereits im Verhältnis 1:1 an die D-Mark gekoppelt. „Mit der Einführung des Euro macht Bulgarien nun den letzten Schritt in Richtung der Europäischen Währungsunion und nimmt seinen rechtmäßigen Platz im Herzen Europas ein“, sagt EZB-Präsidentin Lagarde.
Kommt Bulgarien ohne reguläre Regierung in die Eurozone?
Bulgarien wird am 1. Januar den Euro ohne eine reguläre Regierung und ohne einen Staatsetat für 2026 einführen. Es soll vorerst der verlängerte Haushalt 2025 gelten. Die erst seit Mitte Januar 2025 amtierende Regierung nahm auf Druck von Protesten zwei Haushaltsentwürfe für 2026 zurück.
Sollte im neuen Jahr keine Partei in Sofia eine neue Regierung bilden wollen, wovon Politologen ausgehen, wird Staatspräsident Rumen Radew ein Übergangskabinett einsetzen müssen, das so lange im Amt bleibt, bis nach einer Neuwahl eine neue reguläre Regierung steht. Es wäre die achte Parlamentswahl binnen fünf Jahren.
Die Einführung des Euro galt als Hauptziel der im Dezember zurückgetretenen Regierung aus Konservativen, Sozialisten und Populisten. Diese politisch so unterschiedlichen Kräfte bildeten als Kompromisslösung eine ungewöhnliche Koalition, um nach sieben Parlamentswahlen eine Neuwahl zu vermeiden.