Rätselhafter Zensus: Darum schrumpft der Stadtrat im Oberharz
Die angeblich gesunkene Einwohnerzahl in Clausthal-Zellerfeld hat finanzielle und politische Auswirkungen. Foto: Pförtner/dpa
Die Zensus-Zahlen treffen Clausthal-Zellerfeld hart: 1,6 Millionen Euro fehlen im Haushalt, 2026 schrumpft auch noch der Stadtrat. Die Stadt zieht daher vor Gericht.
Clausthal-Zellerfeld. Die rätselhaften Zahlen des Zensus 2022 wirken in Clausthal-Zellerfeld bis heute nach. Weil die Stadt laut Erhebung deutlich weniger Einwohner hat als zuvor angenommen, verliert sie ab der Kommunalwahl 2026 zwei Sitze im Rat. Statt 32 Mitgliedern plus Bürgermeisterin werden künftig nur noch 30 Ratsmitglieder sowie der Hauptverwaltungsbeamte vertreten sein.
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Was genau bei der Zählung schiefgelaufen ist, kann sich in der Oberharzer Verwaltung bis heute niemand erklären. Am Stichtag 15. Mai 2022 sollen laut Zensus 1294 Menschen weniger in Clausthal-Zellerfeld gelebt haben, als in den städtischen Registern standen. Die Verwaltung arbeitet dennoch weiter mit den eigenen Zahlen, also rund 15.250 Einwohnerinnen und Einwohnern. „Wen sollen wir denn aus dem Melderegister streichen?“, fragte Mario Medico aus dem Bürgerserviceamt schon früh. Irgendetwas scheint bei der Zählweise des Landesamts für Statistik nicht gepasst zu haben.
Stadt schließt sich Sammelklage an
Darum hat sich Clausthal-Zellerfeld einer Sammelklage der Stadt Celle angeschlossen. Denn auch anderswo sind nach dem Zensus 2022 auffällig viele Menschen „verschwunden“: Braunlage hat etwa 300, Goslar sogar rund 2000 Einwohner verloren. Dabei waren die Zahlen zuvor über Jahre stabil. Eine plausible Erklärung blieb das Statistikamt bislang schuldig. Große Hoffnungen auf eine schnelle Klärung hat Gemeindewahlleiter Medico allerdings nicht. Selbst eine Klage gegen den vorherigen Zensus läuft noch immer.
Der vermeintliche Schwund hat in Clausthal-Zellerfeld auch verheerende finanzielle Folgen. Mit weniger Einwohnern sinken auch die sogenannten Schlüsselzuweisungen vom Land. Für die Berg- und Universitätsstadt bedeutet das rund 1,6 Millionen Euro weniger im Haushalt. Schon vor Monaten warnte Medico, dass sich die Zensuszahlen auch auf die Zusammensetzung des Stadtrats auswirken würden. Genau das ist nun eingetreten.
Nach den aktuellen Zahlen des Landesamts für Statistik Niedersachsen lebten Ende Juni 2025 noch 13.802 Menschen in Clausthal-Zellerfeld. Damit schreibt das Kommunalwahlrecht künftig 30 Sitze im Rat vor. Hinzu kommt der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin. Medico fragte zwar nach, ob die laufende Klage daran etwas ändere. Doch das Gesetz sieht vor, dass die Zahlen des Statistikamts maßgeblich bleiben.
Auflösung der Ortsräte?
An der Einteilung der 15 Wahlbezirke ändert sich allerdings nichts. Für die Ortsräte bleibt ebenfalls alles wie bisher: In Altenau-Schulenberg werden elf, in Wildemann fünf Mitglieder gewählt. Überlegungen wie in Goslar, wo ein Ortsrat womöglich aufgelöst werden könnte, gibt es im Oberharz nicht – auch wenn in der Vergangenheit immer wieder Kritik an dem Gremium und seinem Einfluss laut wurde.
Die nächste Kommunalwahl findet am 13. September 2026 statt. Ob sie mit der Bürgermeisterwahl kombiniert wird, entscheidet der Stadtrat am 4. Dezember. „Aus organisatorischen Gründen wäre es sinnvoll, beides an einem Tag durchzuführen“, meint Medico. In anderen Städten wie Bad Harzburg war das reine Formsache. Eine mögliche Stichwahl würde am 27. September 2026 folgen. Die Amtszeit der Ratsmitglieder beträgt fünf Jahre, die der Hauptverwaltungsbeamten acht Jahre.

Die Kommunalwahl ist am 13. September 2026. Auf die Wahlbezirke in Clausthal-Zellerfeld hat der Zensus keine Auswirkungen. Foto: Neuendorf/Archiv
Dann ist der Stichtag
Wahlvorschläge von Parteien und Wählergruppen müssen bis spätestens 20. Juli 2026 im Rathaus eingereicht werden, ebenso die gesammelten Unterschriften der parteilosen Kandidaten. Bewerberinnen und Bewerber für das Bürgermeisteramt benötigen 150 Unterschriften, für den Stadtrat 20, für die Ortsräte jeweils zehn. Bei der Wahlleitung – Medico und seiner Stellvertreterin Astrid Freitag – liegen die entsprechenden Vordrucke bereit. Der Gemeindewahlleiter rät dringend, die Unterlagen nicht erst kurz vor Fristende abzugeben: „Was am Stichtag um 18 Uhr fehlt, kann nicht mehr nachgereicht werden.“
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Obwohl die Wahl noch fast ein Jahr entfernt ist, laufen die Vorbereitungen bereits. „Das ist ein Heidenaufwand“, sagt Medico. Zwar steht kein Superwahljahr wie 2021 an, als gleichzeitig Bundestagswahl war, doch diesmal liegt die gesamte Organisation bei der Stadt selbst, inklusive Briefwahl und Auszählung. Weil der Amtsleiter im Rathaus bald in den Ruhestand geht, wird es seine letzte Kommunalwahl sein. Seine Kollegin Freitag soll künftig die Leitung übernehmen.
Mit rund 10.000 bis 11.000 Wahlberechtigten rechnet die Stadt bei der Wahl im kommenden September. Wer am Wahltag als Helfer oder Helferin unterstützen möchte, kann sich bereits jetzt per Mail an wahlen@clausthal-zellerfeld.de wenden. Als Aufwandsentschädigung gibt es 50 Euro.
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