„Wald für morgen“: Vereinsgründerin gibt Vorsitz ab
Getrude Endejahn-Gremse plant ein Waldprojekt zur Goslarer 1100-Jahr-Feier 2020. Foto: Hartmann
Gertrude Endejan-Gremse hört auf: Die Gründerin des Goslarer Waldpflanz-Projekts „Wald für morgen“ hat den Vereinsvorsitz abgegeben. Während ihrer fünfjährigen Amtszeit haben Freiwillige mehr als 20.000 Bäume gepflanzt.
Goslar. Getrude Endejan-Gremse hört auf: Die Gründerin und Vorsitzende des Vereins „Wald für morgen“ hat die Leitung zum Anfang Januar niedergelegt. Sie will den Verein und das Baumpflanzprojekt nun in jüngere Hände übergeben. Als Nachfolgerin haben die Mitglieder Christiane Hunneshagen gewählt.
„Für mich persönlich ist es Zeit, meine Kräfte neu einzuteilen, den Motor jüngeren zu überlassen und dennoch in Verbundenheit kreativ teilzuhaben an unser aller Lebensgemeinschaft“, sagte Endejan-Gremse, die dem Verein weiterhin treu bleiben und auch als Ansprechpartnerin am Boden zur Verfügung stehen will – nur eben nicht mehr auf den Pflanzflächen im unwegsamen Berggelände.
Die Goslarerin hatte das Projekt „Wald für morgen“ als Aktion zum Stadtjubiläum ins Leben gerufen. Die Idee entstand im Jahr 2019: Jedes Goslarer Schulkind sollte zur 1100-Jahr-Feier der Kaiserstadt einen Baum pflanzen. Eine Idee, die bald an Fahrt aufnahm und eine Eigendynamik entwickelte, wie sich die Gründerin selbst gar nicht hatte erträumen können. Fast ganz Goslar schloss sich an. Schulen, Familien, Vereine und Firmen pflanzten Bäume oder trafen sich zum „Hordennageln“, um Schutzzäune aus Borkenkäferholz für die Pflanzflächen zu nageln. Ursprünglich waren einmal 12.000 Bäume als Pflanzziel im Gespräch gewesen, inzwischen sind es 20.769 (Stand: Ende 2024).
Wie kam es zu diesem Erfolg? „Vielleicht war es ein Stück weit der Zeitpunkt“, sagt Endejan-Gremse. „Man sah, wie die Bäume kaputtgingen. Ich war damals mit meinen Enkeln wandern und habe das ganze Elend gesehen.“
Ganz wichtig war ihr, die Aktion als „ein positives Erlebnis“ zu gestalten. Es ging nicht darum, über den Klimawandel zu klagen, sondern darum, „dass man etwas machen und selbstwirksam handeln kann“, sagt die Psychologin.
Wichtig war ihr, für die Einwohner der Stadt eine stärkere Identifikation mit der Natur zu schaffen. Sie wünschte sich, dass die Goslarer „dem Klimawandel handlungsmotivierend, hoffnungsvoll und mit angenehmen Emotionen begegnen“, sagt sie. Denn durch das Pflanzen von Bäumen spüren die Teilnehmer, dass sie selbst handeln und etwas bewirken können – die Arbeit und die Gemeinschaft können so die individuellen Gefühle der Hilflosigkeit reduzieren. „Ein wichtiger Aspekt von individueller und auch kollektiver Hoffnung ist die Möglichkeit, an einem größeren Sinn teilzuhaben: Als Teil des großen Ganzen an einer Lebensgemeinschaft teilnehmen, die das persönliche Leben überschreitet, so wie ich auch schon vor meinem Leben dadurch existiert habe“, sagt die Psychologin.
Viel Zulauf in der Corona-Zeit
Zum großen Zuspruch, den die Aktion fand, trug sicher auch die Corona-Pandemie bei, denn das Bäumepflanzen unter freiem Himmel war in den Zeiten des Lockdowns eine der wenigen erlaubten gemeinsamen Tätigkeiten. Die Schulen machten mit, und für die Jungen und Mädchen war es ein großes Abenteuer, ihren eigenen Baum zu pflanzen und ihm anhand der Baumnummer und des GPS-Finders auf der Vereinsseite bei seiner Entwicklung begleiten zu können.
Allerdings: Zumindest einen Gegner hatte das Projekt doch. Ein Lokalpolitiker habe sich an den Kinderschutzbund gewandt. „Er hat gesagt, das wäre Kinderarbeit“, erzählt Endejan-Gremse. Aber Polizei und Ordnungsamt unterbanden die etwas anderen Unterrichtsstunden im Freien nicht. „Da ist nichts weiter draus geworden“, sagt die Vereinsgründerin.
Der Verein erhielt viel Unterstützung. Die Stadtforst stellte immer neue Flächen zur Verfügung. Es gab Fördergelder, unter anderem von der Bingo-Stiftung und der Tessner-Stiftung. Firmen nutzten ihre Betriebsausflüge und -feiern zum Bäumepflanzen und Horden-Nageln.
Umwelt, Pädagogik und Kunst
Und die Aktion war schon von Anfang an mehr als ein einfaches Umweltprojekt: Natur und Kunst gingen hier eine Verbindung ein: Der Kaiserring-Stipendiat Andreas Greiner entwarf ein besonderes Pflanzmuster, sodass die Fläche sich zu einer großen Spirale entwickelte, die aus der Luft einen eindrucksvollen Anblick bietet. Es gab ein gemeinsames Kulturprogramm mit dem Mönchehaus und weiteren Goslarer Institutionen, Kunstaktionen, Konzerte. Hinzu kamen zahlreiche pädagogische Angebote, eine Waldausstellung und weitere ehrenamtliche Aktivitäten.
Die Bilanz, die Endejan-Gremse zum fünften Vereinsgeburtstag zog, kann sich sehen lassen. 206 beteiligte Schulklassen und 82 verschiedene Gruppen bauten 91 Hordengatter mit 3178 Horden mit insgesamt 9.561 Metern Zaunlänge und pflanzten 20.769 Bäume. Trotz der Dürre habe man auch sehr wenig Bäume nachpflanzen müssen, nur wenige seien eingegangen, sagt Endejan-Gremse. Bei der Bewässerung halfen im Sommer die Werksfeuerwehr von H. C. Starck und das Berufsförderwerk.
Es gibt so viele schöne Erlebnisse, an die die Vereinsgründerin gern zurückdenkt. Etwa daran, dass die Schüler der Adolf-Grimme-Gesamtschule für die Senioren des Hauses Abendfrieden Bäume gepflanzt haben. Sie selbst hatte damals mit ihrem Lada zwei ältere Rollstuhlfahrerinnen den Berg hochgefahren, damit diese sich die Bäume aus nächster Nähe anschauen konnten. Und die Seniorinnen hatten auch jede Menge Samenbälle geformt, die man an schwer zugänglichen Stellen auswerfen konnte.
Endejan-Gremse will nun etwas kürzertreten. Als „Graswurzel“ sei sie „sehr zufrieden mit dem Erreichten – mehr als zu Beginn des Projektes 2019
vorstellbar war“, betont sie. „Die Idee ‚Wald für morgen‘ hat Kraft entfaltet, hat viele angesteckt, hat Selbstwirksamkeit erlebbar gemacht, damit Freude und Zukunftshoffnung ausgelöst.“
Ihre Nachfolgerin Christiane Hunneshagen hat sich als Rekorpflanzerin bereits hervorgetan. Sie und ihr Mann Matthias haben schon über 1000 Bäume gepflanzt. „Wer in einem Jahr mit Ehemann als Workout 1000 Bäume pflanzt, ist überzeugt, hat Engagement und Esprit“, sagt Endejan-Gremse.