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Vögel in Not?

GZ Plus IconRund 60 Tauben verlassen Goslarer Hausdach nicht mehr

Rund 60 Tauben sitzen auf einem Hausdach an der Breiten Straße

Rund 60 Tauben sitzen auf einem Hausdach in der Breiten Straße und bewegen sich nicht von der Stelle. Foto: Roß

Rund 60 Tauben sitzen auf einem Dach in der Breiten Straße und verlassen es nicht. Zwei Goslarerinnen schlagen Alarm – sie befürchten Tierleid und fordern ein Taubenhaus.

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Von Hendrik Roß
Donnerstag, 13.11.2025, 19:45 Uhr
Rund 60 Tauben sitzen seit mehreren Wochen in einer Reihe auf dem Giebel eines Hausdachs an der Breiten Straße. Sie rühren sich kaum, doch die massiven Kotspuren auf der Einfahrt zum Grundstück deuten darauf hin, dass die Tauben diesen Ort nicht verlassen wollen.
Gudrun und Nadine Sakowski stehen vor dem Taubenhaus in der Altstadt.

Gudrun (l.) und Nadine Sakowski sorgen sich um das Wohl der Vögel. Foto: Roß

Nadine und Gudrun Sakowski sorgen sich um die Tiere. Sie haben nachgeforscht und herausgefunden, dass die Vögel wahrscheinlich auf dem Dachboden des Hauses genistet haben. Der Zugang sei nun vom Eigentümer versperrt worden. Die Tauben kommen nicht mehr an ihre Nester. Darum würden sie auf dem Dach verharren. „Und sie fressen praktisch nichts“, sagt Gudrun Sakowski.

Sorge um das Wohl der Vögel

Die beiden Goslarerinnen sorgen sich um das Wohlergehen der Vögel. Doch nicht nur das. Als sie nachgeforscht haben, wurden ihnen Bilder zugespielt, die auf dem Dachboden entstanden sein sollen. Darauf sind mehrere tote Tauben zu sehen. Aber auch Gegenstände wie ein Seil oder ein Handbohrer.
Die Einfahrt voller Taubendreck beweist, wie lange die Tiere schon auf dem Dach ausharren.

Die Einfahrt voller Taubendreck beweist, wie lange die Tiere schon auf dem Dach ausharren. Foto: Roß

Die beiden Frauen befürchten eine Misshandlung der Vögel. Dabei wäre es doch auch möglich gewesen, die Tiere und ihre Nester umzusiedeln, geben sie zu bedenken. An anderen Stellen in Goslar gäbe es ähnliche Probleme mit den Stadtvögeln. „Wir brauchen ein Taubenhaus“, fordert das Duo. Dort könne man auch die Bestände regulieren.

Kein unnötiges Leid

Was sagt das Veterinäramt des Landkreises dazu? Kreissprecher Maximilian Strache führt aus: Grundsätzlich bestehe aus behördlicher Sicht Handlungsbedarf, wenn etwa Tiere lebend, ohne Zugang zu Futter oder Wasser eingesperrt werden oder Vögel nicht mehr zu ihren Nestern mit Jungtieren gelangen können, um diese zu versorgen. Der November sei allerdings keine Nistzeit für Tauben.
Eine tote Taube liegt neben einem Seil auf dem Dachboden.

Eine tote Taube: Zwei Tierschützerinnen befürchten, dass die Tiere misshandelt wurden. Foto: Privat

Strache weiter: „Wenn verendete Tiere gefunden werden oder der Verdacht besteht, dass Tiere durch bauliche Maßnahmen eingesperrt wurden, besteht grundsätzlich Handlungsbedarf.“ Der Hauseigentümer sei verpflichtet, sicherzustellen, dass keine Tiere lebendig eingesperrt werden oder unnötig leiden.

Das Verhältnis von Mensch und Taube ist kompliziert. Der Naturschutzbund Deutschland bezeichnet die Vögel als „anpassungsfähigen Kulturfolger“. Laut Schätzungen leben 500 Millionen von ihnen weltweit in Städten.

Tauben-Boom nach Zweitem Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Taubenbestände in der deutschen Ruinenlandschaft, aber auch in der darauffolgenden Wohlstandsgesellschaft explodiert. Die Toleranz gegenüber den Vögeln nahm immer mehr ab, heute werden sie abschätzig auch Ratten der Lüfte genannt.

Friedhart Knolle (BUND) und Annett Jerke (Nabu) von den Goslarer Umweltverbänden haben sich den Fall in der Breiten Straße angeschaut. Man könne nicht genau sagen, wie die Tauben auf den Fotos zu Tode gekommen seien, sagt Knolle. Generell gelte, dass Taubenpopulationen „tierschutzgerecht vergrämt“ werden müssen, wenn sie zum hygienischen Problem werden.

Die Deutsche Bahn habe damit in Goslar schon vor einigen Jahren Erfahrungen gesammelt. Tatsächlich sorgten Tauben und ihre Hinterlassenschaften am Goslarer Bahnhof lange für Diskussionen – allerdings ging es dabei vor allem um den Dreck, den die Vögel hinterlassen. Um sie zu vertreiben, gab es Experimente mit Duftstoffen, dann setzte die Stadt auf die Ansiedlung von Falken und Uhus, bei denen Tauben auf dem Speiseplan stehen, und baute entsprechende Nistmöglichkeiten. Die Bahn setzte schließlich auf Netze, aus denen die Feuerwehr zumindest zwei Tiere retten musste. Doch seit Längerem ist Ruhe in Sachen Tauben am Bahnhof.

Zu viele Tauben, zu viel Stress

Laut Nabu-Auskunft schaden zu viele Tauben auf zu engem Raum auch den Tieren selbst. Mehr Stress, mehr Krankheiten und Parasiten führten zu einer Jungsterblichkeit von bis zu 90 Prozent im ersten Jahr, erklärt der Umweltverband.

Menschen stören sich vor allem an Lärm- und Geruchsbelästigungen durch die Tiere. Ihr Kot könne aber auch Krankheitserreger übertragen.

Wie der Nabu weiter ausführt, gibt es zahlreiche Methoden zur Taubenbekämpfung, die alles andere als tiergerecht seien. Dazu zählen etwa Abschüsse, Vergiften oder mechanische Fallen mit Gittern, Drähten oder Nägeln. Dieses Jahr geriet die Stadt Limburg in die Schlagzeilen, weil dort 200 Tauben per Genickbruch getötet werden sollten. Die Aktion wurde schließlich abgeblasen.

Wie löst man das Problem?

Doch was passiert mit den 60 Tauben auf dem Goslarer Althausdach? BUND-Mann Knolle empfiehlt, erst einmal abzuwarten und gegebenenfalls einen Tauben-Experten hinzuzuziehen. Der Nabu rät generell zur Einrichtung von betreuten Taubenschlägen, in denen Stadttauben gezielt angesiedelt und die Bestände reguliert werden können. Auch Fütterungszonen können demnach sinnvoll sein.

Nicht weit entfernt vom Taubenhaus in der Breiten Straße befindet sich tatsächlich eine ehemalige Heimat der Vögel. Im Taubenturm im Ulrichschen Garten haben sich allerdings mittlerweile Fledermäuse angesiedelt.

Der Landkreis empfiehlt „für die praktische Entfernung eines Taubenbefalls“ im Dachboden eine Firma für Schädlingsbekämpfung und Taubenabwehr zu beauftragen. Das Veterinäramt könne dabei unterstützen.

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