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Besuch auf dem jüdischen Friedhof

GZ Plus IconStolpersteine: Mitglieder der Familie Levy zu Gast in Goslar

Julie Levy-Robinowitz und Ken Robinowitz auf dem jüdischen Friedhof am Grab von Julius und Louise Levy.

Julie Levy-Robinowitz und Ken Robinowitz auf dem jüdischen Friedhof am Grab von Julius und Louise Levy. Foto: Hartmann

Zwei Stolpersteine in Goslar erinnern an das jüdische Ehepaar Dagobert und Margarete Levy. Nun waren Familienangehörige der beiden aus den USA in die Kaiserstadt gekommen, um sich die beiden kleinen Denkmäler anzusehen.

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Von Petra Hartmann
Sonntag, 25.08.2024, 08:00 Uhr

Goslar. Seit dem vergangenen Jahr erinnern zwei Stolpersteine an der Goslarer Kornstraße an das jüdische Ehepaar Dagobert und Margarete Levy. Als die beiden kleinen Denkmäler gesetzt wurden, konnten die Familienangehörigen nicht dabei sein. Doch nun kamen Julie und Ken Robinowitz aus Dallas/Texas nach Goslar. Sie besuchten die Steine und den jüdischen Friedhof.

Julie Levy-Robinowitz ist die Großnichte von Dagobert und Margarete Levy. Ihr Vater, Walter Levy, ist der Neffe des Ehepaars. Er wanderte 1938 in die USA aus und lebt dort, inzwischen 102 Jahre alt, in einem Altenheim.

Blumen oder Steine aufs Grab?

Das Ehepaar Robinowitz besuchte nach der Ankunft in Goslar zunächst das Grab von Julius und Louise Levy, Julie Robinowitz‘ Urgroßeltern. Dem jüdischen Brauch gemäß legten beide einen Kieselstein auf dem Grabstein ab.

Etwas verwundert mag sie der Zustand des Grabes haben, denn es ist eines der wenigen Gräber, die dort bepflanzt worden sind. Erika Hauff-Cramer und ihr Mann Stefan, die die Stolperstein-Verlegung mit organisiert und den Kontakt zu den Nachfahren hergestellt hatten, erklärten den Besuchern aus Texas, dass ein Goslarer, Gerd Fricke, die Pflege und Bepflanzung des Grabes übernommen hatte.

Einige Angehörige der dort Bestatteten hatten Kritik daran geübt, denn Blumenschmuck ist auf jüdischen Gräbern nicht üblich. Doch Ken Robinowitz meinte: „Das bedeutet für unsere Familie sehr viel, dass jemand so etwas tut.“ Der Brauch, Steine statt Blumen auf die Gräber zu legen, sei in Israel Tradition, und in Texas halte man es ebenso: „Blumen sterben, Steine nicht“, erklärte er den Hintergrund.

Zwangsweise im Judenhaus

Anschließend sahen sich die beiden die Gedenktafel an der Stelle des alten Judenhauses an. Hier war Margarete (Grete) Levy zwangseingewiesen worden. Dagobert Levy wurde noch im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert und kehrte im Juni 1945 zunächst nach Goslar zurück. Beide wanderten in die USA aus, wurden dort aber nicht heimisch und kamen nach Deutschland zurück. Sie zogen nach München. Eine Rückkehr nach Goslar, wo sie ihre Peiniger aus der Nazizeit ständig hätten wiedersehen müssen, kam für die beiden nicht infrage.

Julie und Ken Robinowitz gingen nach ihrem Friedhofsbesuch auch zu dem Haus in der Schulstraße, in dem die Firma von Dagobert Levy untergebracht war. Er produzierte Kurzwaren wie Hosenträger und Gürtel. Das Geschäft wurde 1938 in der Reichspogromnacht verwüstet.

Ein Gebet an den Stolpersteinen

Als das Ehepaar Robinovitz zum ehemaligen Wohnhaus der Levys in der Kornstraße 7 kam, polierte es die beiden Stolpersteine und sprach ein Gebet.

Walter Levy, der in den USA regen Anteil an der Stolperstein-Verlegung nahm und mit dem Goslarer Ehepaar Cramer regelmäßig per E-Mail in Kontakt steht, teilte ihnen kürzlich noch einige Erinnerungen an seine Besuche in Goslar bei seinem Onkel und seiner Tante, Dagobert und Margarete Levy, mit.

Erinnerungen an Goslar

„Meine erste Erinnerung, wohl 1925, war das Haus der Großeltern, Rammelsbergerplatz oder Rammelsbergerstraße. Das Haus lag auf einem Hügel, man musste ein wenig hochklettern“, erinnert er sich. „Ich weiß nicht mehr, ob Dago und Grete auch in dieser Wohnung wohnten. Von dort aus führte mich Opa spazieren. Er ging mit dem linken Fuß auf dem Bürgersteig, mit dem rechten Fuß auf der Straße, um mich zu amüsieren; Ich fand das furchtbar lustig.“ Das und seine Glatze seien alles, woran er sich noch von seinem Großvater erinnere. Und da ist noch eine Erinnerung „an die wunderbaren Früchte und Blumen im Garten zwischen der Kornstraße und der Schulstraße.“ Der Onkel habe ihm die Synagoge von innen und außen gezeigt, außerhalb der Gebetsstunden. Er sei auch auf dem jüdischen Friedhof gewesen, das letzte Mal 1938.

Eine weitere Kindheitserinnerung: „Mein Vater und ich haben den Steinberg und den Rammelsberg bestiegen. Einmal, als wir kletterten, fing es an zu regnen, und wir kamen klatschnass nach Hause.“

Das Judenhaus sei in schlechtem Zustand gewesen. „Im Zimmer oben rechts lebte Grete, gelegentlich mit Dago. Von dort wurde Dago im Februar 1945 nach Theresienstadt geschickt und fünf Monate später als einer der wenigen Überlebenden der Region zurückgebracht.“

Ein Vanille-Eis für Walter Levy

Aber Walter Levy teilte auch noch eine sehr schöne Kindheitserinnerung mit den Cramers: „Da kommt mir noch etwas in den Sinn: Opa Julius oder mein Vater nahmen mich mit in einen Laden und kauften mir einen Becher Vanilleeis – damals etwas Neues für mich.“ Eine Erinnerung, die die Ehepaare Robinowitz und Kramer veranlasste, gemeinsam zum Schuhhof zu gehen und dort gemeinsam ein Eis zu Ehren Walter Levys zu essen.

Julie Levy-Robinowitz und Ken Robinowitz auf dem jüdischen Friedhof am Grab von Julius und Louise Levy.

Julie Levy-Robinowitz und Ken Robinowitz auf dem jüdischen Friedhof am Grab von Julius und Louise Levy. Foto: Hartmann

Julie und Ken Robinowitz polieren die Stolpersteine von Dagobert und Margarete Levy in der Kornstraße 7.

Julie und Ken Robinowitz polieren die Stolpersteine von Dagobert und Margarete Levy in der Kornstraße 7. Foto: Hartmann

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