Lautenthalerin soll fast 100.000 Euro für neue Fenster bezahlen
Rund um den Marktplatz stehen einige denkmalgeschützte Gebäude. Doch eine Sanierung ist teilweise sehr teuer. Was bedeutet das für Eigentümer? Foto: Heinemann
Ein denkmalgeschütztes Haus, 47 Fenster und eine Kostenexplosion: In Lautenthal steht eine Eigentümerin vor der Entscheidung, fast 100.000 Euro für neue Sprossenfenster zu zahlen. Dabei waren diese seit Jahrzehnten gar nicht verbaut.
Lautenthal. Wenn Nicole Bark an den Zustand ihres denkmalgeschützten Hauses denkt, überwiegt der Frust. „Ich will doch einfach nur neue Fenster“, sagt sie. Doch die Sanierung ihres historischen Wohnhauses in Lautenthal wird zur Kostenfalle. Statt der veranschlagten 45.000 Euro soll sie fast 100.000 Euro zahlen, weil das Denkmalschutzamt Sprossenfenster vorschreibt. Eine Förderung? Fehlanzeige.
Das Gebäude „Zum Glockenturm 2“ ist seit 1863 im Familienbesitz – bekannt als das „Vilter-Haus“, benannt nach dem einstigen Schulleiter des Ortes. Als es 1989 unter Denkmalschutz gestellt wurde, waren die heutigen Fenster – einfache Modelle aus den 1970er-Jahren – bereits eingebaut. Dennoch muss Bark bei einer Sanierung auf eine historisch korrekte Variante zurückgreifen: Sprossenfenster. Die sind deutlich teurer – fast doppelt so teuer, wie das ursprünglich geplante Angebot.
Die Eigentümerin versteht das nicht. „Ich will das Haus ja nicht verschandeln, sondern dass es vernünftig aussieht“, sagt sie. Inzwischen zieht es durch die alten Fenster, das Haus wird im Winter unangenehm kalt. Doch mit dem Amt sei bisher keine Einigung zu finden gewesen. Bark fühlt sich alleingelassen: „Dass das alles so aufwendig ist, kann doch niemand wollen.“
Kein Bestandsschutz
Die Denkmalschutzbehörde des Landkreises Goslar verweist auf klare gesetzliche Vorgaben. „Einen gesetzlichen Anspruch auf Bestandsschutz gibt es nicht – auch nicht für den Zustand zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung“, so Landkreissprecherin Marieke Düber. Maßgeblich sei der historisch denkmalgerechte Zustand. Fehlen dafür Originalunterlagen, würden vergleichbare Objekte herangezogen.

Das Haus Zum Glockenturm 2 hat seit 50 Jahren dieselben Fenster eingebaut. Nun sollen die Eigentümer Sprossenfenster einbauen lassen, was sie 100.000 Euro kostet. Foto: Heinemann
Sofern die 1970er-Fenster nicht dem denkmalgerechten Anspruch entsprechen, müssen diese bei baulichen Veränderungen wieder in einen historischen Zustand versetzt werden, erklärt Düber. Dass in der Nachbarschaft Kunststofffenster ohne Sprossen verbaut sind, sei dabei irrelevant.
Auf die GZ-Anfrage schickt Düber auch ein Referenzfoto mit, welches für den historischen Kontext für Gebäude aus der Zeit, aus der auch das Haus Zum Glockenturm 2 stammt, gesehen werden könne. Dies zeigt ein Foto eines Goslarer Hauses mit der Unterschrift „Bergstraße 55 (um 1700)“. In diesem sind Sprossenfenster eingebaut gewesen.
Förderung nicht in Sicht
Für Bark kommt erschwerend hinzu, dass sie die Mehrkosten aktuell alleine tragen müsste. Zwar habe man sie über Fördermöglichkeiten informiert, eine direkte finanzielle Unterstützung durch die Denkmalschutzbehörde gebe es jedoch nicht, so der Landkreis. Zuständig für Fördermittel sei das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege, das aber nur beratend tätig sei. Auch steuerliche Abschreibungen seien möglich, diese wirken jedoch nur langfristig und entlasten nicht sofort bei hohen Investitionen. Dazu der Landkreis weiter: „Jede Eigentümerin und jeder Eigentümer eines Denkmals hat die gleichen Pflichten vor dem Gesetz. Eine Abwägung zwischen Denkmalschutz und Wirtschaftlichkeit findet behördlicherseits nicht statt.“
Kritik an der Praxis
In Lautenthal sei das kein Einzelfall. Bark berichtet von ähnlichen Erfahrungen anderer Eigentümer, besonders im Bereich des Marktplatzes. „Ich verstehe, dass Denkmalschutz wichtig ist. Aber man muss auch die Realität der Menschen sehen. Wenn niemand mehr saniert, weil es zu teuer und aufwendig wird, hilft das niemandem.“ Aus ihrer Sicht wirkt die Haltung der Behörde eher wie eine Blockade als eine Unterstützung.
Das Denkmalschutzamt betont hingegen, dass Zwangsmaßnahmen die Ausnahme seien. Man versuche, in Gesprächen mit Eigentümern Lösungen zu finden. Eine Bewertung des allgemeinen baulichen Zustands der Ortsmitte nehme man allerdings nicht vor – zuständig für städtebauliche Entwicklungen sei die Stadt Langelsheim.
Der Fall „Zum Glockenturm 2“ zeigt ein grundsätzliches Dilemma: Wie viel Denkmalschutz ist für Privatpersonen zumutbar? Und welche Spielräume gibt es bei der Auslegung historischer Authentizität? Solange es keine verbindlicheren Förderstrukturen und keine differenziertere Bewertung von Einzelfällen gibt, dürften Fälle wie dieser keine Seltenheit bleiben.
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