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Dr. Silke Köstler-Holste legt los

GZ Plus IconDie erste Frau an der Spitze des Goslarer Ratsgymnasiums

Angekommen: Dr. Silke Köstler-Holste bezieht ihr Büro, sieht hier aber nicht die erste Priorität ihrer neuen Aufgaben.

Angekommen: Dr. Silke Köstler-Holste bezieht ihr Büro, sieht hier aber nicht die erste Priorität ihrer neuen Aufgaben. Foto: Heine

Dr. Silke Köstler-Holste ist in Liebenburg aufgewachsen, hat in ihrer Schullaufbahn nie Angst vor der Arbeit gehabt und steht ab sofort als erste Frau an der Spitze des Ratsgymnasiums – und das mit einer langen beruflichen CvD-Vorgeschichte.

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Von Frank Heine
Donnerstag, 14.08.2025, 04:00 Uhr

Goslar. Wenn Dr. Silke Köstler-Holste am Donnerstag um 10 Uhr die 79 neuen Fünftklässler in der Aula des Ratsgymnasiums (RG) begrüßt, handelt es sich zweifellos um einen historischen Moment. Erstmals in der fast 500-jährigen Geschichte der Schule hat es eine Frau bis ganz an die Spitze geschafft – und darf sich gedanklich auch schon bald mit dem gewiss nicht alltäglichen Jubiläum beschäftigen, wenn 2028 die Vollendung des fünften Schuljahrhunderts gefeiert wird.

Aber das ist (noch) Zukunftsmusik. Und als gelernte Historikerin weiß sie die Leistung oder besser den Umstand sachlich-nüchtern einzuordnen. „Eine Direktorin mag vielleicht für die Schulgeschichte ein Meilenstein sein, ist im Jahr 2025 aber auch alles andere als ungewöhnlich“, schmunzelt Köstler-Holste. In der Tat: Ulrike Voss an der Okeraner Adolf-Grimme-Gesamtschule, Ulrike Eilers an der Realschule Goldene Aue, Sandra Lowis an der Vicco-von-Bülow-Oberschule in Vienenburg – nur noch das CvD-Gymnasium ist als weiterführende allgemeinbildende Schule auf Goslarer Stadtgebiet in männlicher Hand. Und Direktor Martin Ehrenberg steht schon in den Startlöchern, um im September nach Salzgitter-Bad zu wechseln. Und wer weiß, wer dann am CvD folgt.

Männer und Frauen am Ruder

Schon Köstler-Holstes Vorgänger Hans-Peter Dreß war eine Zeit lang quasi ein männlicher Exot, als er ebenfalls von einer reinen Direktorinnen-Riege von Jutta Schober, Barbara Reichert, Isabell Lenius und Ulrike Eilers damals noch in Vienenburg samt ihren Vorgängerinnen umgeben war. Aus Sicht Köstler-Holstes kommt hinzu, dass die frühere reine Jungenschule seit den 1970er Jahren drei Langzeit-Direktoren und deshalb nur wenig Wechsel erlebt hat.

In der Tat: Im Mai 1978 kam Hans Kopp ans Ruder und blieb bis Juli 1991 im Amt. Ernst Steinecke folgte und prägte das RG mehr als zwei Jahrzehnte von Januar 1992 bis Juni 2013. Hans-Peter Dreß, dessen Bild auch schon in der schwarz-weißen Ahnengalerie hängt, rückte im August 2013 nach. Zwischen Kopp und Steinecke lenkte Vize Dr. Horst Fahrenholz kommissarisch die Schule.

Ahnentafel am Ratsgymnasium mit beeindruckender Kontinuität: Seit Mai 1978 hat es nur drei Direktoren gegeben. Hans Kopp ist bis Juli 1991 im Amt, Ernst Steinecke folgt von Januar 1992 bis Juni 2013. Hans-Peter Dreß rückt im August 2013 nach. Zwischen Kopp und Steinecke lenkt Dr. Horst Fahrenholz kommissarisch die Schule.

Ahnentafel am Ratsgymnasium mit beeindruckender Kontinuität: Seit Mai 1978 hat es nur drei Direktoren gegeben. Hans Kopp ist bis Juli 1991 im Amt, Ernst Steinecke folgt von Januar 1992 bis Juni 2013. Hans-Peter Dreß rückt im August 2013 nach. Zwischen Kopp und Steinecke lenkt Dr. Horst Fahrenholz kommissarisch die Schule. Foto: Heine

Zurück in die Gegenwart: Auf wen darf sich das RG jetzt freuen? Eine Frau, die ohne einen unverrückbaren Masterplan, aber doch gewissen Vorstellungen ans Ratsgymnasium kommt. Die zunächst einmal alle Menschen an ihrer Schule und deren Gremien kennenlernen und mit ihnen ins Gespräch kommen will. Die nicht über die Köpfe von Menschen hinweg Entscheidungen treffen, sondern im Dialog und Austausch tragfähige Lösungen finden möchte. Die aufgeschlossen für neue Entwicklungen ist, aber auch der Überzeugung ist, dass Schule nicht jeden Trend mitnehmen muss. Sie kann sich vorstellen, auf Sicht ein freiwilliges Ganztagsangebot für Hausaufgabenbetreuung vielleicht an zwei Nachmittagen anzubieten, wenn räumliche Voraussetzungen gegeben sind und der Wunsch aus der Schulgemeinde heraus geäußert wird.

Als das Ratsgymnasium am 27. Juni seine Abiturienten entlässt, nimmt die Neue schon einmal Platz in der ersten Reihe. Von links: Oberstufenkoordinator Mario Stieglitz, Dr. Silke Köstler-Holste, ihr Vize Michael Kwasniok, Festredner, Wirtschaftsprofessor und RG-Abiturient von 1995 Jens Südekum, Landrat Dr. Alexander Saipa und Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner.

Als das Ratsgymnasium am 27. Juni seine Abiturienten entlässt, nimmt die Neue schon einmal Platz in der ersten Reihe. Von links: Oberstufenkoordinator Mario Stieglitz, Dr. Silke Köstler-Holste, ihr Vize Michael Kwasniok, Festredner, Wirtschaftsprofessor und RG-Abiturient von 1995 Jens Südekum, Landrat Dr. Alexander Saipa und Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner. Foto: Heine

An ihrer bisherigen Wirkungsstätte an der Robert-Koch-Schule in Clausthal-Zellerfeld habe sie etwa gute Erfahrungen damit gemacht, ältere Schüler für diese Aufgaben einzusetzen. Derzeit ist das Ratsgymnasium die einzige weiterführende Schule, die noch als reine Halbtagsschule läuft.

Lernen aus der Geschichte

Besonders am Herzen liegt der Geschichtslehrerin aber das Thema Demokratiebildung – in Zeiten, in denen undemokratische Trends und Kräfte weltweit immer mehr Zulauf gewinnen, müsse mit Überzeugung über Fächer hinweg als Querschnittsaufgabe gegen gearbeitet werden, damit Hass und Hetze in Diskussionen Einhalt geboten wird. „Bildung ist die beste Lösung und der beste Schutz für alle“, sagt sie.

Eng damit verbunden ist der Ansatz, die Kompetenzen im Umgang mit Medien zu schulen und zu festigen. „Das gilt nicht erst, seitdem Künstliche Intelligenz Einzug in den Alltag gehalten hat“, sagt Köstler-Holste. Die Deutschlehrerin packt aber auch noch einmal ein Zitat von Friedrich Dürrenmatt aus: „Je planvoller der Mensch vorgeht, desto wirkungsvoller trifft ihn der Zufall.“ Was wie umgesetzt wird, sei nicht Vorgabe, sondern das Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses.

Worauf freut sich Köstler-Holste am RG? Auf die Herausforderung, aus der zweiten Reihe zu treten, das Gesicht einer Schule mit all ihren Traditionen und Zukunftsaufgaben zu werden und Schule an verantwortlicher Stelle gestalten zu können. Auf viele neue Erfahrungen und das Wirken mitten im Zentrum der Goslarer Altstadt. Und wenn die Oberstufe zum zweiten Schulhalbjahr im Februar erst ihr neues Domizil an der Zehntstraße bezieht, hat das RG aus ihrer Sicht einen „echten Standortvorteil“. Ein eigenes Haus für die älteren Schüler – wo gibt es das schon? „Wenn alles fertig ist, wird das richtig schick“, sagt Köstler-Holste. Nicht zu vergessen: Zu den Herbstferien sollen auch die Leih-Container aus dem Schulgarten verschwinden.

Keine Angst vor Arbeit

Was kann sie Schülern, Eltern und Lehrkräften schon jetzt versprechen? Dass sie mit viel Idealismus an ihre Arbeit geht. Und dass sie keine Angst vor der Arbeit hat. Wer in ihre Vita schaut, erhält einen Eindruck von Fleiß und Fertigkeiten der 51-jährigen Neu-Direktorin. Nach dem Abitur in Salzgitter-Bad studierte die in Liebenburg aufgewachsene Powerfrau Deutsch und Geschichte in Braunschweig, sammelte mehrfach Auszeichnungen für Studienleistungen und schrieb ihre Doktor-Arbeit nebenher zu ihrem Referendariat mit dem Ergebnis „summa cum laude“. Spannend für alle eingeschworenen Ratsgymnasiasten: Köstler-Holste hat eine jahrzehntelange CvD-Vergangenheit (mit kurzer RG-Abordnung), bevor sie als Vize in den Oberharz wechselte.

Sie war im Personalrat, Mitglied der Fachkommission Deutsch für das Zentralabitur und Fachausbilderin für Nachwuchslehrkräfte in Geschichte. Sie wohnt in Hahndorf, ist in Goslar bestens vernetzt – und hat einen Mann, der am CvD Abitur gemacht hat und zwei Söhne an der Schule. Einer von beiden macht nächstes Jahr Abitur, der andere geht in die neunte Klasse. Was sagen die beiden zum „Seitenwechsel“? „Sie hätten es wahrscheinlich eher komisch gefunden, wenn ich wieder ans CvD gekommen wäre“, sagt Köstler-Holste. Aber ist das RG schon Endstation in der Schullaufbahn? „Geplant ist nichts anderes, ich freue mich auf meine Aufgabe“, erklärt Köstler-Holste. Aber man solle ja nie nie sagen. Und immer schön an Dürrenmatt denken ...

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