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Aus Goslar nach Salzgitter-Bad

GZ Plus IconVom Schüler zum Direktor: Ehrenberg leitet nun sein Abi-Gymnasium

Über den Dächern von Goslar mit Salzgitter am Horizont: Martin Ehrenberg verlässt nach fünf Direktoren-Jahren das CvD-Gymnasium in Richtung Heimat.

Über den Dächern von Goslar mit Salzgitter am Horizont: Martin Ehrenberg verlässt nach fünf Direktoren-Jahren das CvD-Gymnasium in Richtung Heimat. Foto: Heine

Fünf Jahre war er Direktor des CvD-Gymnasiums. Ab Montag übernimmt Martin Ehrenberg in Salzgitter-Bad dort, wo er einst selbst Abitur gemacht hat. Corona, Abi-Klau, Landkreis-Stress und Umzug in die neue Goldene Aue – der Mann hat etwas zu erzählen.

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Von Frank Heine
Donnerstag, 28.08.2025, 19:45 Uhr

Goslar. Genau fünf Jahre lang war Martin Ehrenberg Chef am CvD-Gymnasium. Der 55-jährige Oberstudiendirektor startete im September 2020 mitten in Corona-Zeiten, legte im April 2024 nach einem Einbruch in die Schule und dem Klau der Politik-Klausuren kurzzeitig das Abitur in Niedersachsen lahm, zog im August 2024 in die 70 Millionen Euro teure Goldene Aue um, erlebte den Abriss des alten Baus nebenan und hatte gerade im vergangenen Jahr eine Menge Stress mit seinem Schulträger, als er mit dem Landkreis Goslar öffentlichkeitswirksam um die Fetenerlaubnis für Abiturienten auch im neuen Schulzentrum und korrekte Obergrenzen für die fünften Klassen stritt – beides im Übrigen mit Erfolg.

Stolz auf die Entwicklung der Schülerzahlen: Unter der Ägide von Martin Ehrenberg steigen sie von gut 500 auf rund 830.

Stolz auf die Entwicklung der Schülerzahlen: Unter der Ägide von Martin Ehrenberg steigen sie von gut 500 auf rund 830. Foto: Heine

Merke: In fünf Jahren kann eine Menge passieren. Und noch ist Ehrenberg ja bis Sonntag offiziell der erste Mann am CvD. Aber seinen Wechsel an die Spitze des Gymnasiums in Salzgitter-Bad zum 1. September hat inzwischen auch das Kultusministerium bestätigt. Am Freitag sagt Ehrenberg nach der sechsten Stunde bei einer Harzer Bratwurst seinem „einzigartigen Team“ leise Tschüss – ganz zwanglos, kündigt er an: „Ich mag keine großen Abschiede.“ Klingt unsentimental. Er habe aber schon von seinem allerersten Chef zwei Sätze gelernt und verinnerlicht. Erstens: „Schule hat ein kurzes Gedächtnis.“ Und: „In Schule ist jeder ersetzbar.“ Wolfgang Froben muss es wissen. Er hat bis Januar 2014 mehr als zwei Jahrzehnte das Lessinggymnasium Wenden im Norden Braunschweigs geleitet. Wie Ehrenberg in CvD-Erinnerung behalten werden will? Weil seine Familie einen freundlichen Bearded Collie – einen schottischen Hütehund – besitzt und der Deutschlehrer durchschimmert, fällt ihm spontan das Kinderbuch „Er war da und saß im Garten“ ein. Es handelt von einem riesengroßen Hund, der bewegungslos und ungerührt bei Wind und Wetter auf seinem Platz verharrt, – und von der Erkenntnis, dass man manchmal nichts anderes tun kann, als einfach nur sein Bestes versuchen.

Erlebt ein Schulleiter selten bis nie: Martin Ehrenberg fürs CvD-Gymnasium und Ulrike Eilers für die Realschule Goldene Aue nehmen im vorigen Sommer aus der Hand von Landrat Dr. Alexander Saipa (SPD) den symbolischen Schlüssel für neue Schulzentrum entgegen.

Erlebt ein Schulleiter selten bis nie: Martin Ehrenberg fürs CvD-Gymnasium und Ulrike Eilers für die Realschule Goldene Aue nehmen im vorigen Sommer aus der Hand von Landrat Dr. Alexander Saipa (SPD) den symbolischen Schlüssel für neue Schulzentrum entgegen. Foto: Kaspert (Archiv)

Schüler und Schülerinnen first

Aber was ist dieses Beste? Für Ehrenberg steht fest: „Immer das, was im Sinne der Schüler ist.“ So beim Streiten für die Feten-Rechte in der Goldenen Aue, als er sich sogar mit Landrat Dr. Alexander Saipa anlegte und Rückendeckung vom Ex-Falken, Ehrenbürger und gelernten Lehrer Sigmar Gabriel bekam. Oder als er sich unter Corona-Auflagen dafür entschied, die Zeugnisse nicht als Kopie per Post zu verschicken, sondern mit einem aufwändigen Schichtsystem immer halbe Klassen ins Haus zu holen und den Schülern das echte Dokument in die Hand geben zu lassen. „Das Zeugnis dokumentiert Leistungen und Anstrengungen – diesen wichtigen Tag wollte ich den Schülern nicht nehmen lassen.“ Sein Lohn: „Unbeschreiblich – die Kinder sind sich in die Arme gefallen, das war echtes Kinderglück.“

Zeit, wieder Kartons zu packen: Im September 2020 zieht Martin Ehrenberg noch ins CvD-Direktorenzimmer der alten Goldenen Aue.

Zeit, wieder Kartons zu packen: Im September 2020 zieht Martin Ehrenberg noch ins CvD-Direktorenzimmer der alten Goldenen Aue. Foto: Heine (Archiv)

Nicht alle freilich sehen Ehrenbergs Recken-Rolle nur positiv. Lassen sich nicht auch leise Lösungen finden? Im Netzwerk? Vor Ort? Ehrenberg folgt einem anderen Ansatz. „Stress ist für mich immer positiv besetzt“, sagt er. Wenn unterschiedliche Ansichten auszudiskutieren und Lösungen zu finden sind, gehen Menschen in einer Demokratie in eine Auseinandersetzung und kämpfen mit der Kraft der Argumente. Im besten Falle sind am Ende alle zufrieden und lernen aus der Sache. „Ich streite aber natürlich auch dann, wenn ich von Dingen überzeugt bin und sie durchsetzen möchte“, räumt er ein – woran nichts auszusetzen ist.

In Konsequenz verabschiedet sich der CvD-Chef aber auch mit viel Lob für die Goslarer Schulverwalter und Kreispolitiker. Er stellt ihnen sogar ein durchaus besseres Zeugnis als anderen Schulträgern aus, die er schon erlebt hat. Die neue Goldene Aue etwa mit all ihren Millionen Euro sei „ein tolles Zeichen an die Jugend“, sagt er. Und wie die beiden Schulen in deren Konzeption hätten Einfluss nehmen können, nennt er vorbildhaft – „von Kachelfarben bis hin zum Raum der Stille, den sich die CvD-Fachgruppe Religion gewünscht hat“.

Handlung mit Symbolwert: Als das CvD-Gymnasium am 14. August seine 120 neuen Fünftklässler einschult, hält Martin Ehrenberg schon Abstand zum Rest der erweiterten Schulleitung.

Handlung mit Symbolwert: Als das CvD-Gymnasium am 14. August seine 120 neuen Fünftklässler einschult, hält Martin Ehrenberg schon Abstand zum Rest der erweiterten Schulleitung. Foto: Heine

„Am CvD ticken viele richtig gut“

Und wo er gerade bei den Streicheleinheiten ist: Nicht nur die erweiterte Schulleitung und das Kollegium, sondern alle Mitstreiter an der Schule hätten in den zuletzt bewegten Zeiten große Lasten übernommen und überaus engagierte Arbeit geleistet: „Sie alle sind der Grund dafür, dass das CvD da steht, wo es steht.“ Mit rund 830 Schülerinnen und Schülern die größte allgemeinbildende Schule im Landkreis und mit Rekordwerten bei den Fünftklässler-Anmeldungen. Ohne falsche Bescheidenheit: Bei seinem Start habe es noch anders ausgesehen. Lehrkräfte etwa müsse das Gymnasium aktuell nicht abordnen – ganz im Gegenteil. Sein Urteil: „Am CvD ticken viele Menschen richtig gut.“

Was letztlich auch der Grund gewesen sei, warum er seine Bewerbung für die Nachfolge von Hans-Günter „Hagü“ Gerhold in Salzgitter-Bad erst am allerletzten Tag der Bewerbungsfrist abgegeben habe. Es ist die Schule, an der er Abitur gemacht hat. Die Schule, die seine Kinder besuchen. Die Schule, von der er in Gitter nur drei bis vier Kilometer entfernt wohnt. Eine Streckenlänge zum Radfahren – „das ist ein Gewinn an Lebensqualität“. Aber nicht ausschlaggebend für die Entscheidung. „Es mag ein frommer Wunsch sein, aber ich will der Schule etwas zurückgeben.“ Einer Schule, die ihn geprägt hat. Einer Schule aber auch, die er ebenfalls schon als Schüler (mit-)geprägt hat, als er noch nicht am richtigen Ende des Rotstifts saß. Indem er nachmittags AGs angeboten hat. Indem er – klar – Schulpartys organisiert hat. Und indem er an einer in Lehrerkreisen nicht unumstrittenen Schülerzeitung mitgewirkt hat. „Eigentlich bin ich es meiner Mutter schuldig“, sagt Ehrenberg. Sie habe oft genug am Tisch gesessen und sich Klagen über den Schüler Ehrenberg anhören müssen. Jetzt sitze er quasi auf der anderen Seite.
Im September 2020 kommt Martin Ehrenberg vom Kranich-Gymnasium in Salzgitter-Lebenstedt nach Goslar, um die CvD-Nachfolge von Barbara Reichert anzutreten.

Im September 2020 kommt Martin Ehrenberg vom Kranich-Gymnasium in Salzgitter-Lebenstedt nach Goslar, um die CvD-Nachfolge von Barbara Reichert anzutreten. Foto: Heine (Archiv)

Frohe Kunde von „Kaki“

Und das tut er ab Montag. Nach einem spannenden Bewerbungsverfahren gegen eine Kandidatin aus Mailand, die am Ende zurückzog, weil sie anderswo eine Stelle gefunden hat. Und einem kuriosen Nachrichtenfluss. Er habe letztlich von „Kaki“, dem Wirt seiner Stammkneipe und Waldgaststätte „Hasenspring“ („mit der besten Currywurst der Welt“), erfahren, dass er die Stelle in Salzgitter bekommt. „Er hat es dort abends einem Kumpel erzählt, der mir sofort eine Nachricht geschrieben hat“, schmunzelt Ehrenberg. Was erwartet ihn in Salzgitter? Zum Start eine Schule ohne Leitung, weil sich diese zwei Tage lang fortbildet. Und was erwartet Salzgitter? Ein Direktor, der seine Schüler ermuntern will, Schule nach und mit eigenen Kräften zu gestalten – und wieder mehr Feiern zu organisieren. Logisch...

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