Mahmut Kartal verkauft das „Aubergine“ in Goslars Altstadt
Mahmut Kartal und seine Frau Natalia haben in den vergangenen Jahren so manche Doppelschicht gefahren – mit der Abgabe des „Aubergine“ in Goslar soll wieder mehr Zeit für die Familie bleiben. Foto: Kempfer
Mahmut Kartal gibt nach 33 Jahren sein Goslarer Restaurant „Aubergine“ ab. Für Gesundheit und familiäres Glück konzentriert er sich auf das „Aubergine“ am Golf-Club Harz.
Goslar. Nichts ist so beständig wie der Wandel – und doch fühlt es sich anders an. Immerhin 33 Jahre lang führte Mahmut Kartal das „Aubergine“ in Goslars Altstadt – und wurde in der Kaiserstadt zu einer gastronomischen Institution. Zum Jahresende gibt der 63-Jährige das Restaurant ab. Das „Aubergine“ existiert weiter – allerdings ohne das Gesicht, das damit fest verbunden zu sein schien.
„Irgendwer und irgendetwas lenkt uns zu den Entscheidungen, die wir treffen“, sagt Mahmut Kartal, der ein nachdenklicher Mensch ist. Am Ende eines solchen Gedankenprozesses steht eine Entscheidung, die ihn vielleicht selbst überrascht hat. „Zwei Betriebe schaffen wir nicht mehr“, sagt Kartal, und diese Einsicht gab den Anstoß zu seinen Überlegungen. „Man ist keine 20 mehr“, sagt er, nennt gesundheitliche Probleme.
Von seiner Corona-Infektion, die den sportlichen Mann vor fünf Jahren von den Beinen gehauen und für etliche Wochen in einem Hotel in der Türkei in Quarantäne festgehalten hatte (die GZ berichtete), ist er zwar genesen, aber doch nie wieder ganz der Alte geworden; die Zeit prägte. Seit der Pandemie kommt auch die Personalnot hinzu, die ihn und seine Frau an ihre Grenzen führte.
Ein riesiger Spagat
Seit 2012 gibt es „zwei Auberginen“: Neben dem Restaurant in der Goslarer Altstadt trägt auch das Restaurant am Golfclub Bad Harzburg diesen Namen. Kartals bewirtschaften beide Gaststätten, auch die Speisekarte ist dieselbe; was nicht zuletzt praktische Gründe hat.
„Ich mache einen Riesenspagat zwischen dem Golfclub und dem Aubergine“, erklärt Kartal, dem neben der Gesundheit die „Harmonie in der Familie“ über alles geht. Sei Sohn Timur (7) gehört dazu, wie sein Vater ist er ein guter Sportler, spielt Fußball, schwimmt, spielt Golf.
Mahmut Kartal mit seiner Frau Natalia und Sohn Timur: Der Siebenjährige ist ein begeisterter Sportler. Foto: Kempfer
Jahrelange Doppelschichten
Die Harmonie seiner eigenen kleinen Familie sah der Restaurantbesitzer jetzt gefährdet, seine Frau Natalia zeigte ihm die gelbe Karte. Ein Zeichen, das Mahmut Kartal verstand. Drei Jahre habe seine Frau das Goslarer Restaurant federführend betrieben, erzählt er; er löste sie ab, wenn er gegen 20, manchmal 21 Uhr aus dem Golfclub zurückkam. Der Sohn blieb oft allein, keine Dauer-Konstellation. „Ich bin ein gebranntes Kind“, erklärt Kartal; seine erste Beziehung sei unter dem Druck der Branche in die Brüche gegangen. Das will er nicht noch mal riskieren. Und Angestellte, die Druck aus dem Kessel nehmen könnten, fand er nicht: „Du kriegst kein gutes Personal“, ist der Gastronom überzeugt.Beliebtes Restaurant schließt
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Aufgeben will er noch nicht: „Ich liebe meine Arbeit, es macht mir Spaß. Wir haben tolle Gäste, sie sind Freunde geworden“, sagt er. Aber: Zwei Läden sind einer zu viel.
Koch und Kellner übernehmen
Welchen abgeben? Natürlich wäre es naheliegend, sein Traditions-Restaurant zu behalten. Er wohnt darüber, geht nur die Treppe runter, sein Sohn geht zu Fuß zur Goetheschule. Aber: Für das Goslarer „Aubergine“ hat er einen Käufer. Ein Argument, dem er sich nicht verschließen kann. Seine Mitarbeiter, Koch und Kellner, wollen das „Aubergine“ auf eigene Faust führen – eine Gelegenheit, die Kartal beim Schopf packen muss, ein sanfter Ausstieg.
Der Übergang für die Gäste ist nahtlos: Wenn Mahmut Kartal Anfang des Jahres eine kurze Auszeit nimmt, gehen im Aubergine in der Marktstraße unter neuer Leitung schon wieder die Türen auf.
„Wer uns sehen will, muss in den Golfclub Bad Harzburg kommen“, sagt er; dort geht es Mitte Januar weiter – Restaurant-Gutscheine können dann am Breitenberg eingelöst werden. Und, nein, man muss kein Mitglied im Golfclub Harz sein, um „Kalbsleber Veneziano“ oder „Schweinefiletspitzen mit Spaghettini“ zu essen.
Weihnachten bei Kartals
Wer Weihnachten einen Tisch reserviert hat, kann ein Festtagsmenü wählen, das bei Mahmut Kartal auch privat auf den Tisch kommt. „Ich bekoche die Familie“, sagt er, lässt sich das nicht nehmen. Ente oder Gans serviert er seiner Familie mit Kartoffelklößen, Rotkohl und Orangensoße.
Der „Goslarer durch und durch“ wird in der Wohnung über dem „Aubergine“ bis auf Weiteres wohnen bleiben. Im Alter von neun Jahren kam er mit seiner Familie aus der Türkei (Gaziantep nahe der Grenze zu Syrien) in die Kaiserstadt, wo sein Vater unter Tage im Rammelsberg gearbeitet hat. „Ich bin in der Rammelsberger Straße groß geworden“, erzählt er. Im „Herzer“ habe er schwimmen gelernt – wie jetzt Sohn Timur.
Wochenmarkt und Wienerwald
Seinen ersten Job hatte er bei Gemüsehändler Krause auf dem Wochenmarkt, der war damals noch auf dem Marktplatz. Im grünen Kittel gab er die Früchte heraus – leider existiert kein Foto mehr aus dieser Zeit. Die schweren Einkäufe trug er der Verlegersgattin Elke Krause schon mal nach Hause. „Eine Mark Trinkgeld“ habe sie ihm dafür gegeben, weiß er noch genau. Seine Gastro-Karriere startete er im „Wienerwald“ – auch ein Stück Goslarer Gastronomiegeschichte. Dort arbeitete er sich von der Küchenhilfe bis zum Geschäftsführer hoch. Das Kochen lernte er im italienischen Bergamo und bei Dörschels im „Kreuzeck“. Nach insgesamt 15 Jahren Wienerwald – erst in Goslar, dann in Bad Harzburg – erfüllt sich Mahmut Kartal mit der Eröffnung seines Restaurants „Aubergine“ mit mediterraner Küche seinen persönlichen Traum. Dass er fünf Sprachen spricht, war da kein Nachteil – und führte ihn 2004 an der Seite von Sigmar Gabriel als Übersetzer in die Türkei. So etwas kann einem schon passieren, wenn man in Goslar lebt – von hier aus scheint manches möglich.
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