Werlaburgdorf: Millionenprojekt für maroden Kirchturm gestartet
Schon von Weitem zu erkennen: Im Werlaburgdorfs Ortsmitte stehen Bauarbeiten an. Foto: Gereke
Dieses Projekt sticht förmlich aus der Landschaft hervor: Schon von Weitem können Betrachter erkennen: In Werlaburgdorf müssen Handwerker dort einiges vorhaben. Was passiert da im alten Ortskern des Dorfes am Fuße des Oderwalds?
Werlaburgdorf. Werlaburgdorfs Silhouette hat sich verändert. Hervor sticht jetzt ein großes Spezialgerüst. Es umhüllt den Turm der evangelischen Johanneskirche, um aufwendige Sanierungsarbeiten ausführen zu können. Es ist ein Millionenprojekt.
Neben den Zimmerleuten sind derzeit auch die Maurer an der Turmspitze am Werk. Foto: Gereke
„Der Turm der Johanneskirche muss mit viel Aufwand saniert werden, da vieles, innen wie außen, baufällig ist“, berichtet Werlaburgdorfs Pfarrer Frank Ahlgrim. Seit fast einem Vierteljahrhundert wirkt er am Fuße des Oderwalds – es ist in dieser Zeit das größte Kirchenbauprojekt in den Gotteshäusern des Kirchengemeindeverbands Werla.

Schädlinge arbeiten sich durch die Balken – auf den Teelichtern im Fuß des Turms landet das Holzmehl. Foto: Gereke
Das Betreten des Turms soll bis zum Ende der Sanierungsarbeiten möglichst unterbleiben. Unten im Fuß des rund 36 Meter hohen Bauwerks stehen Teelichter. Auf ihnen sammelt sich das Holzmehl. Es stammt von den Schädlingen, die die Balken des Turms befallen haben. Der kleine Raum ist auch der Platz, an dem die Kirchturmuhr vorübergehend eingelagert ist. Jahrelang trotzte sie Wind und Wetter – und hinterlässt aus der Nähe betrachtet einen erstaunlich guten Eindruck. „Sie wird nach der Sanierung natürlich wieder angebracht – diesmal aber mittig am Turm. Bislang saß sie leicht versetzt“, merkt Ahlgrim an. Über den Grund kann er nur spekulieren: „Vielleicht, damit ein Spender sie von seinem Grundstück aus besser sehen konnte?“, sagt er lachend. Neu vergoldet werden muss aber der derzeit abgenommene Turmknauf.

Blick durch die Balkenkonstruktion der Turmhaube: Je drei Kubikmeter Eichen- und Fichtenholz werden bei der Sanierung verbaut. Foto: Gereke
In luftiger Höhe sind die Handwerker damit beschäftigt, die Turmhaube zu sanieren. „Der gilt zunächst unser Hauptaugenmerk, damit es von oben trocken bleibt und um den Turm sturmsicher zu machen“, sagt Ahlgrim. Seit rund zehn Jahren ist bekannt, dass etwas am Turm geschehen muss. Schadhafte Holzbalken und „statisch Fragwürdiges“ kennzeichneten die Konstruktion. In der Zwischenzeit mussten sogar notdürftige Sicherungen erfolgen.
Je drei Kubikmeter Eichen- und Fichtenholz
Nun laufen die Arbeiten. „Etwa drei Kubikmeter Eichenholz und noch einmal so viel Fichtenholz müssen erneuert werden, um das Tragwerk zu sanieren“, erläutert Ahlgrim. Dann kommt eine neue Verschalung darauf. Im Moment sind Zimmerleute und Maurer über den Dächern von Werlaburgdorf tätig. Sie wollen bis Dezember fertig sein. „Dann sollen auch schon die Dachdecker anrücken, um dem Turmdach die neue Schiefereindeckung zu geben“, blickt der Pfarrer voraus. „Die Zimmerleute werden dann im Innern des Turms die Holzeinbauten erneuern, die vom Holzwurm zerstört sind.“

Auch für Laien zu erkennen: Das Holz im Turm ist geschädigt, auch dieser Balken muss ausgetauscht werden. Foto: Gereke
Und dabei wird es nicht bleiben, die Werlaburgdorfer werden sich an einen neuen Anblick gewöhnen müssen: Nach Ausbesserung von Mauerwerksschäden wird der Turm, dessen Steine derzeit sichtbar sind, noch neu verputzt. „Untersuchungen der Denkmalpflege haben ergeben, dass der Turm in seiner Geschichte bereits zweimal verputzt gewesen ist.“ Und denkmalpflegerisches Ziel sei es, einen ursprünglichen Zustand wieder herzustellen – „und der war verputzt“. „Es wird spannend zu sehen sein, wie der dann verputzte Turm im Zusammenspiel mit dem unverputzten Kirchenschiff wirkt“, sagt Ahlgrim. Er weist aber auch darauf hin, dass der Putz dem Erhalt des Bauwerks dient: „Dort ist Sandstein verbaut, der die Feuchtigkeit anzieht. Der braucht eine gute Versiegelung. Der Putz dient der Konservierung.“

Nach Abschluss der Arbeiten am Mauerwerk wird der Kirchturm verputzt und einen Kontrast zum steinsichtigen Kirchenschiff bilden. Foto: Gereke
Eine solche Generalüberholung dauert und kostet. Der Werlaburgdorfer Pfarrer geht davon aus, dass die Sanierung insgesamt mehr als ein Jahr andauern wird. „Die Arbeiten sollen im Spätsommer nächsten Jahres abgeschlossen werden.“ Das gesamte Projekt hat ein Finanzvolumen von rund 1,5 Millionen Euro. Das Geld stammt vor allem aus Mitteln der Landeskirche. Bislang positiv: „Wir haben noch keine bösen Überraschungen bei der Sanierung erlebt. Nichts, worauf wir nicht vorbereitet waren.“
Turm vermutlich im Jahr 1213 erbaut
Den Turm umgibt übrigens ein selbsttragendes Modulgerüst mit Arbeitsplattform, aufgestellt von einer Karlsruher Spezialfirma. Ahlgrim: „Es wirkt ausladend, aber auf dem Turm lastet keine Windlast. Es wird von einem Stahlträger stabilisiert, der durch den Glockenstuhl verläuft.“

Pfarrer Frank Ahlgrim betrachtet die alte Kirchturmuhr – sie wird wieder ihren Platz in luftiger Höhe einnehmen. Foto: Gereke
Der Werlaburgdorfer Pfarrer schätzt, dass der Turmaufbau um die 100 Jahre alt sein müsste. Genaue Aufzeichnungen: Mangelware. Das gilt auch für die Kirchengeschichte. Erstmals urkundlich wird von einer Kirche in Burgdorf im Jahr 1174 gesprochen, sie war wohl mit dem Kloster Heiningen verbunden. Der Turm wurde vermutlich erst 1213 erbaut – zunächst als Wehrturm. Der untere Teil stammt noch aus dieser Zeit. „Das Kirchenschiff entstand erst später – vermutlich im 14./15. Jahrhundert“, sagt Ahlgrim. Der Altar wurde von einem Braunschweiger Madonnenmeister in den Jahren 1480 bis 1485 erschaffen – ursprünglich ein Flügelaltar, aber bereits 1875 waren die Flügel nicht mehr erhalten. Die Orgel wiederum stammt aus dem Jahr 1742 – gebaut von einem Halberstädter Orgelmeister. 1989 erhielt das Gotteshaus übrigens den Namen Johanneskirche.

Die Lutherrose im Schaukasten des evangelischen Gotteshauses weist auf das Reformationsfest hin. Foto: Gereke
Es ist stiller als sonst in Werlaburgdorf: Draußen im Schaukasten der Kirchengemeinde hängt eine Lutherrose – sie weist auf das Reformationsfest hin. Die Glocken werden in Werlaburgdorf dazu nicht läuten. Nicht nur, weil der zentrale Gottesdienst an einem anderen Ort stattfindet, sondern weil auch die Motoren der Glocken im Turm ausgebaut sind, die sie sonst anzutreiben. Auch der Stundenschlag fehlt überm Dorf.
Drei Glocken gehören zum Geläut – aber am Oderwald könnte
Der alte Kasten für den Turmfalken – auch an diesem hölzernen Bau ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Nach der Sanierung wird der Turm wieder Nistmöglichkeiten für Turmfalke oder Schleiereule bieten. Foto: Gereke
Apropos: Ein Fest ist natürlich auch geplant, wenn der Turmknauf wieder auf den Kirchturm gesetzt wird. Der war heruntergeholt und geöffnet worden: „Das erste Dokument stammte aus dem Jahr 1924. Zuletzt war er in den 1970er Jahren befüllt worden. Neben den obligatorischen Münzen oder einer Tageszeitung fanden sich auch Lebensmittel- und Getreidepreislisten darin. Ein schöner Spiegel der Zeit – so wie auch Berichte meiner Amtsvorgänger“, erzählt Ahlgrim. Derzeit wird der Turmknauf restauriert und frisch vergoldet, ehe er im kommenden Jahr neu befüllt – auch Ahlgrim wird dafür zur Feder greifen – und in die Höhe gezogen wird, damit er wieder seinen Platz auf der Kirchenspitze findet. Wann das so weit ist, ist noch unklar. „Wir können leider noch keinen Termin nennen.“
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