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GZ Plus IconLetzte Hinrichtung im Oberharz: Wenn Grenzsteine Geschichten erzählen

Ein Kreuzstein nahe der Schulenberger Landstraße markiert den Ort der letzten öffentlichen Hinrichtung im Oberharz.

Dieser Kreuzstein nahe der Schulenberger Landstraße markiert den Ort der letzten öffentlichen Hinrichtung im Oberharz. Foto: Privat

Der Schulenberger Karl-Heinz Buchmeier hat sich mit Grenzsteinen befasst. Dabei stieß er auf spannende Spuren der Geschichte – auch zur letzten Hinrichtung im Oberharz.

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Von Robin Raksch
Sonntag, 09.11.2025, 04:00 Uhr

Oberharz. Für viele sind es nur alte Bäume, unscheinbare und moosbehangene Steine: Der Schulenberger Chronist Karl-Heinz Buchmeier hingegen sieht in Malbäumen und Grenzsteinen Zeitzeugen der Oberharzer Geschichte. Mit seiner Recherche ist er auf zahlreiche historische Spuren gestoßen.

Wo verliefen Grenzen im Mittelalter? Und wie hat man sich die gemerkt? So ganz genau war das vielen wahrscheinlich selbst damals nicht klar. Karten waren oft ungenau, wenn überhaupt vorhanden. Wenn man sich mit seinen Nachbarn nicht auf natürliche Grenzen wie Flüsse oder den Kamm eines Höhenzugs einigen konnte, wurden daher an der Grenze oft mit Markierungen versehene Bäume oder Grenzwege angelegt – oder man bekriegte, stritt und hinterging sich einfach weiter.

Diese Pflanzungen wurden als „Malbaum“ bezeichnet, in einem Harzer Schriftstück von 1320 auch „Maelbome“. Im 14. und 15. Jahrhundert kam man dann laut Buchmeier auf die Idee, Steine auf Grenzen zu setzen. Heute geben solche noch immer erhaltenen Markierungen Aufschluss über die Vergangenheit.

Nun, wie berichtet, fiel unter anderem erst jüngst bei der Begehung des früheren Rainbow-Gathering-Camps auf, dass dort Grenzsteine versetzt wurden, deren Geschichte und Herkunft jetzt nicht mehr nachvollziehbar sind. Aber das ist eine andere Geschichte. Dennoch gibt es noch heute jede Menge historischer Grenzmarkierungen, die Aufschluss über die Historie des Oberharzes geben. Einige hat Buchmeier der GZ vorgestellt.

Grenzbaum im Düsteren Tal

Karl-Heinz Buchmeier steht in Lederjacke und lilanem Pullover an der Wand.

Karl-Heinz Buchmeier ist Autor der Schulenberger Chronik. Foto: Archiv/Kaspert

Im Okertal, flussabwärts kurz vor der Gaststätte Waldhaus, geht es nach links ins sogenannte Düstere Tal, und nach einem Weg von etwa anderthalb Kilometern steht dort ein knorriger Bergahorn, dicht mit Moos bewachsen und zum Teil hohl. Dieser etwa 450 Jahre alte Riese könnte laut Buchmeier 1552 als Grenzmarkierung zwischen dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel und der freien Reichsstadt Goslar gepflanzt worden sein. „Das Markieren von Forstgrenzen geschah in jener Zeit zumeist durch das Anpflanzen langlebiger Bäume, vor allem von Eichen, aber auch von Ulmen und Ahornen.“ 1989 wurde jener Baum im Düsteren Tal als Naturdenkmal ausgewiesen. Er gilt als ältester Bergahorn Niedersachsens.

Landesgrenze mitten in Clausthal-Zellerfeld

Den wenigsten sei wahrscheinlich bewusst, dass zwischen Clausthal und Zellerfeld einmal eine Landesgrenze verlief, sagt Buchmeier. Und wie kam das? Herzog Heinrich der Jüngere begann im frühen 16. Jahrhundert den Silberbergbau in seinem braunschweigischen Oberharz, und die Bergstadt Zellerfeld entstand. 1531 einigte er sich mit seinem Cousin, Herzog Philipp I. von Grubenhagen, über eine Grenze zwischen ihren Gebieten.

Dabei legten sie laut Buchmeier mitunter die nach Goslar führende alte Harzstraße, die hinter dem heutigen Zellerfelder Friedhof, über die Wiesen der Abtshöfe und dann hinunter zu dem Gelände verlief, wo sich heute der Stadtweger Teich befindet, als Grenze fest. Und dort, direkt an der Straße neben dem Ablass des Teichdamms, wurde 1565 ein Grenzstein gesetzt, der noch heute auf die damaligen Gebiete der beiden Welfen hinweist. Mittlerweile ist der Stein stark verwittert und die Landeswappen der Herzöge von Grubenhagen und Wolfenbüttel-Braunschweig sind nicht mehr zu erkennen. Buchmeier setzt sich derzeit dafür ein, dass dieser Grenzstein in Zukunft besser gekennzeichnet wird.

Bei seiner Recherche sei er unter anderem auf einen Ausschnitt der sogenannten „Streitkarte von 1581“ gestoßen – die älteste Zeichnung über die beiden Bergstädte aus der Vogelperspektive. Besonders interessant sei, dass dort im Verlauf der damaligen Grenze nicht einer, sondern drei Grenzsteine – oder auch „Malsteine“ – eingezeichnet wurden. Die Grenze setzte sich von der Brücke über den Zellbach nach Westen fort und führte mitten durch den Eulenspiegeler Teich weiter ins Zellbach-Tal. Die Originalzeichnung der Streitkarte liegt im Staatsarchiv Dresden. Unter anderem ist besagter Ausschnitt aber auch im Buch „Das Oberharzer Bergwerksmuseum“ von Helmut Radday zu finden.

Letzte Hinrichtung im Oberharz

Nicht weit entfernt, auf der Schulenberger Höhe, gegenüber der Gasübernahmestation der Harz-Energie an der Landstraße, ist heute noch ein weiterer historisch bedeutender Stein zu finden. Die eingearbeitete Nummer 59 und eine Wolfsangel auf der einen Seite weisen ebenfalls auf einen Grenzstein hin. Die Wolfsangel diente auf dem Gebiet als braunschweigisches Forsthoheitszeichen und wurde als Grenzmarkierung auf Bäumen und Steinen genutzt.

Auf der anderen Seite ist ein Kreuz zu sehen. Damit weist der Stein, so Buchmeier, gleichzeitig auf die letzte öffentliche Hinrichtung im Oberharz hin, die am 9. August 1850 vor dem Schulenberger Holz auf der Weide etwa 15.000 bis 20.000 Menschen beobachteten. Dabei habe es sich um den Bergmann und berüchtigten Wilderer Georg Karl Wagener gehandelt – auch als „der gelbe Wagener“ bekannt. Er soll am 2. Juni 1849 den königlichen hannoverschen Feldjäger August Schmidt hinterrücks mit einer Stockaxt erschlagen haben, während der sich auf einem Baumstamm ausruhte.

Der Dreieckige Pfahl

Am bekanntesten sei wohl der Dreieckige Pfahl beim Ehrenfriedhof Oderbrück nahe der B 4 auf dem Weg in Richtung Brocken – für alle Stempelsammler der Harzer Wandernadel gibt es dort übrigens den Stempel Nummer 168. Der 1,35 Meter hohe Granitpfahl markierte die Grenze des Königreichs Hannover und des Herzogtums Braunschweig vor 1866. Der ursprüngliche Pfahl bestand aus Eichenholz. Und seine älteste Darstellung befindet sich auf einer Harzkarte aus 1682. Zu Beginn befand sich an der Stelle ein Dreiländereck, an dem die Gebiete Blankenburg, Schwarzburg und Harzburg zusammenstießen. Daher auch der Name „Dreieckiger Pfahl“.

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