40 Meter entscheiden: Heimeröder Grundschüler ohne Fahrkarte
Der Schulbus kommt. Aber nicht alle Kinder bekommen eine kostenlose Fahrkarte von Landkreis. Foto: Leifeld
Heimerode wird gespalten: Neun Grundschüler bekommen eine kostenlose Busfahrkarte vom Landkreis. Aber ein weiterer Junge soll zu Fuß gehen oder selber zahlen, weil sein Schulweg 40 Meter „zu kurz“ ist.
Heimerode. Unmut regt sich zum Schülertransport bei den Eltern der Grundschulkinder in Heimerode. Nicht nur verspätet abfahrende oder gar ausfallende Schulbusse erzürnen die Eltern, nicht erst mit Beginn des neuen Schuljahres ein Thema, sondern es geht um noch mehr.
Doch neuerdings zeigt sich der Ort gespalten – schuld daran ist das Vorgehen des Landkreises Goslar. Was ist passiert? Kurz vor dem Start in das neue Schuljahr flatterte Mareike Hensel im Juni ein Schreiben des Landkreises ins Haus, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass ihrem Sohn nach nunmehr drei Jahren ab dem neuen Schuljahr kein kostenloses Busticket mehr zur Verfügung gestellt wird. Die Begründung lautet, dass der Schulweg des Jungen keine 2000 Meter bis zur Othfresener Grundschule betragen würde. Das ist die Voraussetzung, um eine kostenlose Schülerfahrkarte vom Landkreis zu erhalten. Das bislang kostenlos erhaltene Busticket beruhe auf einem Irrtum, so der Landkreis.
Sind es 1960 oder 2040 Meter?
Über die Länge des Fußweges könnte hier durchaus gestritten werden: „Ich bin die Strecke selber abgelaufen“, so die Mutter. „Unter Berücksichtigung der ordnungsgemäßen Fahrbahnüberquerungen komme ich bis zur Schule auf eine Wegstrecke von 1960 Meter, wenn ich durch die Kattenkuhle gehe. Der Fußweg entlang der Othfresener Hauptstraße beträgt 2040 Meter.“ Idyllisch ist es aber nicht: Der Schulweg des Jungen würde über den Flötheberg führen, entlang der Landesstraße 500, die er zuvor an der Ampelanlage überqueren muss. Der Weg ist mit Büschen gesäumt und unübersichtlich, führt dann über ein freies Feld und schließlich noch ein weites Stück durch die Othfresener Ortschaft bis zur Schule.

Groß ist der Unmut bei den Eltern der Grundschulkindern in Heimerode. Foto: Leifeld
„Es ist korrekt, dass der Weg beleuchtet ist, jedoch nach Überwindung des Berges nur auf der gegenüberliegenden Straßenseite“, argumentiert Mareike Hensel und errang damit einer Teilerfolg beim Landkreis: Der Landkreis revidierte und stellt ihm zumindest in den Wintermonaten, vom 1. November bis 30. April, ein kostenloses Schülerticket (Winterreglung) zur Verfügung.
Seine Schulfreundin, die quasi 40 Meter entfernt auf der anderen Straßenseite wohnt, bekommt die kostenlose Schülerfahrkarte hingegen ganzjährig problemlos. Und nicht nur sie: Fakt ist, neun Grundschüler aus Heimerode bekommen eine Fahrkarte, weil sie entsprechend weit entfernt wohnen – und ein Junge muss zu Fuß gehen. Das spaltet das Dorf.
Regel spaltet den Ort, aber nicht die Einwohner
Kommende Grundschüler-Generationen, die im oberen Bereich der Glatzer oder Neuroder Straße wohnen, würden also ebenso keine Schülerfahrkarte in den Sommermonaten bekommen. Und vermutlich würde auch kein Grundschüler aus der Hausdorfer Straße eine kostenlose Fahrkarte erhalten, schlussfolgerte sie. Alle diese Grundstücke lägen ja noch „dichter“ am Othfresener Schulgebäude als das ihre.
„Bei der Entfernungsermittlung spielt die Luftlinie keine Rolle. Es wird der zwischen der Wohnung und der Schule kürzeste, sicherste und tatsächlich nutzbare Weg, der zu Fuß zurückgelegt werden kann, berücksichtigt. Um welchen Weg es sich hierbei handelt, legt ausschließlich der Träger der Schülerbeförderung fest“, begründet Landkreis-Pressesprecherin Marieke Düber auf Nachfrage der GZ. „Dabei kann es tatsächlich mitunter vorkommen, dass ein Kind einen Anspruch hat und ein Kind, das ein Haus weiter wohnt, nicht. Die zu erreichenden Mindestentfernungen sind festgelegt und können nicht aufgeweicht werden. Dieses Vorgehen erfolgt vor allem im Hinblick auf die Gleichberechtigung. Ein konkreter Antrag für etwaige Härtefälle existiert nicht.“ Der Schulweg des Jungen wurde als sicher und auch tatsächlich nutzbar bewertet.

Der Bus fährt vorbei, aber Grundschüler, die unter anderem in diesem Teil der Straße wohnen, bekommen in den Sommermonaten keine kostenlose Fahrkarte. Foto: Leifeld
Doch mit dem Einzelfall ist der Frust der Eltern noch nicht verflogen, denn die Grundschüler, die den Schulbus mit der entsprechenden Fahrkarte kostenlos nutzen können, stehen viel zu oft erfolglos an der Haltestelle. „Bereits mehrfach kam der Bus gar nicht und wenn, dann ist er immer sehr spät“, ergreift Sebastian Häder als betroffener Vater das Wort. Laut Fahrplan fährt der Schulbus um 7.37 Uhr an der Glatzer Straße ab. Aber bereits um 7.40 Uhr läutet zum ersten Mal die Schulglocke. „Der Bus muss im Berufsverkehr auf die L500 einbiegen und dann noch ja noch bis zur Schule fahren. In drei Minuten ist das nicht zu schaffen.“ Heißt: Die Heimeröde Kinder kommen zu spät – sofern sie denn überhaupt kommen und der Bus nicht komplett ausfällt. „Meist sind die Eltern schon auf dem Weg zur Arbeit, aber die Kinder stehen an der Haltestelle und der Bus kommt nicht“, so Häder. „Da wird immer und überall gegen das Eltern-Taxi gewettert, aber wie soll man es nun richtig machen?“

Überschaubarer Fahrplan: Nur ein Schulbus fährt ab der Glatzer Straße. Wenn er denn kommt... Foto: Leifeld
Linda Redlich, Leiterin der Grundschule Othfresen, bestätigt, dass die Kinder aus Heimerode „grundsätzlich“ zur ersten Unterrichtsstunde zu spät kommen. „Es sind vielleicht jeweils nur drei bis fünf Minuten, aber sie kommen zu spät“, erklärt Redlich auf GZ-Nachfrage. Nachteile hätten die Kinder dadurch nicht, „aber für die Zuspätkommer ist es unangenehm“, und es störe den Unterricht, der dann mit allen Kindern tatsächlich erst etwa zehn Minuten später wirklich beginnen könne, so die Schulleiterin weiter.
Häufig habe wegen dieser Situation die Schulleitung das Gespräch mit Harz-Bus gesucht, allerdings bislang ohne konkretes Ergebnis. „Die Kommunikation mit dem Unternehmen ist schwierig“, konstatiert Redlich. Und weiter: „Die Heimeröder Eltern sind natürlich sehr sauer über die Gesamtsituation“, weiß sie aus eigener Erfahrung.
Copyright © 2025 Goslarsche Zeitung | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.
