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Mediziner gesucht

GZ Plus IconSorgen um die hausärztliche Versorgung in Schladen-Werla

Das Medizinische Versorgungszentrum Wolfenbüttel wird mit einer Hausarztpraxis in das Schladener Ärztehaus ziehen.

Das Medizinische Versorgungszentrum Wolfenbüttel wird mit einer Hausarztpraxis in das Schladener Ärztehaus ziehen. Foto: Gereke

Die hausärztliche Versorgung bereitet in der Gemeinde Schladen-Werla Sorgen. Daran ändert kurzfristig auch nicht der Einzug des Medizinischen Versorgungszentrums Wolfenbüttel mit einer Praxis in Schladens Ärztehaus. Die Hintergründe.

Von Andreas Gereke Montag, 17.03.2025, 10:00 Uhr

Schladen-Werla. Ins Schladener Ärztehaus in der Bahnhofstraße wird das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) unter der Trägerschaft des Klinikums Wolfenbüttel einziehen. Was bedeutet das für die medizinische Versorgung in der Gemeinde Schladen-Werla?

Ein MVZ ist eine Einrichtung zur ambulanten medizinischen Versorgung. Anstatt selbstständig tätig zu sein, sind die Mediziner beim MVZ angestellt. So wird es auch mit Egbert-Rüdiger Fiolka sein. Das MVZ übernimmt die Praxen des niedergelassenen Arztes in Salzgitter-Bad und Schladen bis zu seinem Ruhestand. Die bisherigen und zukünftigen Mitarbeiter sollen ebenfalls im MVZ angestellt werden. In Schladen wird die alte Praxis in der Hermann-Löns-Straße geschlossen – und das Team Fiolka zieht in das Ärztehaus, wo es auch schon einmal beheimatet war.

Start wird am 1. Juli sein

„Unser MVZ ist eine 100-prozentige Tochter des Klinikums, das wiederum eine 100-prozentige Tochter der Stadt Wolfenbüttel ist“, informierte der MVZ-Geschäftsführer Christian Keunecke auf der Sitzung des Rates der Gemeinde Schladen-Werla, wo es um das Thema ging. „Wir sind eine gemeinnützige GmbH, die es seit 2021 gibt.“ Mittlerweile gehörten 20 Mediziner zum MVZ. Ursprünglich war geplant, bereits zum 1. April die Räume in der Bahnhofstraße zu beziehen. Doch von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen gab es erst am 18. Februar grünes Licht für die Praxisübernahme, sodass es im Ärztehaus fürs MVZ erst zum 1. Juli losgehen wird. Keunecke kündigte an, dass Fiolka dort täglich von Montag bis Freitag erreichbar sein werde.

Aktuell finden sich nur noch zwei Ärzte mit Zweigniederlassungen im Haus der Schladener Ärztegemeinschaft.

Aktuell finden sich nur noch zwei Ärzte mit Zweigniederlassungen im Haus der Schladener Ärztegemeinschaft. Foto: Gereke

Mit dem Wechsel in die Bahnhofstraße wird auch das Ärztehaus wieder etwas belebt. Denn in jüngerer Vergangenheit war die meiste Zeit das Licht aus. Aktuell bieten dort nur noch zwei Mediziner Sprechstunden an: ein HNO- und ein Augenarzt. Das zeigte sich mal anders – ehedem waren es bis zu neun. Das Konzept sah vor, dass Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen (Gynäkologie, Augenheilkunde, HNO) und Allgemeinmediziner mit eigenen Praxen in anderen Städten im Gesundheitszentrum Bahnhofstraße nach einem festen Stundenplan Zweigsprechstunden abhalten. Zu Grunde lag dem eine als GbR gegründeten Ärztegemeinschaft, heißt es dazu in einer Information der Frankfurter Goethe-Universität über innovative Gesundheitsmodell.

Die Ursprünge des Ärztehauses gehen auf das Jahr 2007 zurück, auch damals war die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Schladen akut bedroht, Schladens damaliger Samtgemeindebürgermeister Andreas Memmert sprach in einem Vortrag von einem drohenden „ärztlichen Versorgungskollaps“. Von früher vier vorhandenen Hausarztpraxen war eine nicht mehr nachbesetzt worden, zwei weitere Ärzte suchten vergeblich Nachfolger, und ein jüngerer Kollege musste damals aufgrund einer schweren Erkrankung seine Praxis aufgeben. Ärzte verschiedener Fachrichtungen mit Hauptpraxen in anderen Orten erklärten sich bereit, die Versorgung im Rahmen regelmäßiger Zweigsprechstunden zu übernehmen. Mit Unterstützung von Memmert wurde ein ehemaliger Supermarkt im Ortszentrum zu einem Gesundheitszentrum für Haus- und Fachärzte mit Apotheke sowie Physiotherapie- und Logopädiepraxis umgebaut. Zur Finanzierung floss unter anderem eine EU-Investitionsförderung, zudem gab es Mietzuschüsse durch die Gemeinde.

„Wo sollen die Patienten hin?“

Die Ausführungen von Keunecke hatten viele Interessierte in der Sitzung des Rates angelockt – aber ihre Erwartungen wurden enttäuscht. Denn Hoffnungen, dass sich die ärztliche Versorgung in Schladen-Werla kurzfristig verbessert, musste der MVZ-Geschäftsführer dämpfen. Zunächst einmal gehe es um die Sicherung des Standards, so Keunecke. Und kurzfristig wird sie sich in Sachen Hausärzte sogar noch verschlechtern. Denn, so hieß es an diesem Abend, der Hornburger Mediziner Jürgen Morich habe angekündigt, zum Jahresende in den Ruhestand zu gehen, und die Schladener Allgemeinmedizinerin Stefanie Leßmann habe sich nach Bad Harzburg verändert, wo sie nun Sprechstunden anbiete. Ein Aushang informiert darüber, dass Leßmanns Praxis aufgrund einer akuten Erkrankung der Arzthelferin geschlossen bleibe. „Wo sollen die Patienten hin?“, fragte eine Zuhörerin aus dem Publikum.

Zahlreich sind die Zuhörer zur Sitzung des Rates der Gemeinde Schladen-Werla erschienen – auch, weil es um die ärztliche Versorgung in der Kommune geht.

Zahlreich sind die Zuhörer zur Sitzung des Rates der Gemeinde Schladen-Werla erschienen – auch, weil es um die ärztliche Versorgung in der Kommune geht. Foto: Gereke

Keunecke konstatierte, dass die Entwicklung wohl zu einer Unterversorgung führen werde. „Wir versuchen, dass MVZ in Schladen auszubauen und auch andere ärztliche Versorgungen zu etablieren“, sagte Keunecke. „Die Situation verschärft sich im Bereich Allgemeinmedizin, weil auch andere derzeit tätige Hausärzte vor dem Ruhestand stehen – und der freie Markt wird es nicht richten“, ist er sich sicher. Aufgrund einer drohenden medizinischen Unterversorgung in der Gemeinde Schladen-Werla hatte der Rat der Gemeinde bereits beschlossen, Geld im Haushalt bereitzustellen, um die Ansiedlung von Ärzten zu fördern. Davon profitiert das MVZ: 25.000 Euro fließen, um den Umzug in das Ärztehaus zu finanzieren, weitere 25.000 Euro sollen in Tranchen folgen, wenn durch das MVZ eine weitere Hausarztstelle nach Schladen kommt, informierte Keunecke. Aber wie merkte ein Zuhörer nach der Sitzung enttäuscht an: Eigentlich sollte doch das Geld der Ansiedlung neuer Ärzte dienen – Fiolka habe aber bereits eine Zweigpraxis in Schladen.

Der MVZ-Geschäftsführer betonte, dass es das Landarzt-Bild von früher – mit einem niedergelassenen Arzt, der von 8 bis 20 Uhr ansprechbar sei und auch danach noch Hausbesuche mache – heute nicht mehr gebe. Viele Ärzte scheuten die Verantwortung der Selbstständigkeit, zudem sei die Work-Life-Balance ein immer größeres Thema. „Viele, die jetzt nachkommen, wollen Teilzeit arbeiten und keine wirtschaftliche Verantwortung tragen.“ Hinzu komme, dass die Attraktivität des ländlichen Bereichs für Ärzte offenbar immer mehr abnehme. „Aus diesem Grund bildete das Krankenhaus jetzt auch selbst Allgemeinmediziner aus. Wir wollen unseren Nachwuchs selbst ,nachziehen‘“, sagte er. So solle per MVZ die medizinische Versorgung der Bevölkerung wahrgenommen werden. Und es diene der Patientensteuerung. „Denn wenn es Defizite bei der hausärztlichen Versorgung gibt, dann kommen die Patienten zu uns in die Notaufnahme des Krankenhauses und tragen dort zur Überlastung bei.“

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