Harzer Schmalspurbahn in der Krise: Brockenstammtisch berät sich

Die 15 Millionen Euro teure HSB-Werkstatt in Wernigerode wurde 2022 eröffnet, erfüllt aber kaum noch die Erfordernisse. Zu den vielen Investitionen, die erforderlich sind, wird auch ein Werkstatt-Anbau gerechnet. Foto: Bein
Landrat Thomas Balcerowski, der zugleich Aufsichtsratschef der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) ist, hat beim Brockenstammtisch bekräftigt, die kriselnde HSB mit allen Strecken erhalten zu wollen. Auch die Erweiterung nach Braunlage verfolgt er weiter.
Harz. Erstmals in ihrer jüngeren Geschichte haben die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) in Wernigerode in diesem Jahr zweimal die Ticketpreise angehoben. Es ist ein Zeichen für die tiefe Krise, in der sich das Unternehmen befindet, dessen Brockenbahn zu den größten touristischen Attraktionen der Region gehört. Beim Brockenstammtisch haben die Verantwortlichen verdeutlicht, dass sie die HSB trotz eines Investitionsbedarfs von rund 800 Millionen Euro bis 2024 in die Zukunft führen wollen.
Sanierungsbedarf ist hoch
Von einem „Kraftakt“ war wegen des umfassenden Sanierungsbedarfs beim Treffen am Freitag mit rund 80 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung mehrfach die Rede. Nicht nur Schienen müssen saniert werden. Die Loks brauchen einen neuen Antrieb, um von der Kohle wegzukommen, Leichtöl und Elektroantrieb werden diskutiert. Zu allem Überfluss genügt auch die 2022 in Wernigerode stolz eröffnete Werkstatt, ein 15-Millionen-Euro-Projekt, nicht mehr den Erfordernissen, laut Gutachten ist ein Anbau erforderlich.
Ist der als Vorzeige-Werkstatt gefeierte Bau also eine Fehlplanung? Der ansonsten selten defensive Landrat Balcerowski, Chef der Kreisverwaltung in Halberstadt und HSB-Aufsichtsratsvorsitzender, wollte sich dazu beim Brockenstammtisch nicht weiter äußern („Das ist ein Extra-Thema, was nützt der Blick zurück?“). Ein HSB-Sprecher erklärte hinterher, schon bei der Fertigstellung des Baus sei klar gewesen, dass ein oder zwei weitere Ausbaustufen erforderlich seien.
Balcerowski nahm zudem den früheren HSB-Geschäftsführer Matthias Wagener, den Vorgänger von Katrin Müller, die erst seit Mitte 2023 im Amt ist, gegen den Vorwurf der Misswirtschaft in Schutz. Die HSB habe eben nur das ausgeben können, was die Gesellschafter, zu denen Landkreise und Kommunen gehören, zur Verfügung gestellt hätten.
Balcerowski bekräftigte den Gesellschafterbeschluss, alle Strecken der Harzer Schmalspurbahn weiterbetreiben zu wollen.
Die HSB „auslaufen“ lassen?
Die Gutachter der Unternehmensberatung SIC Verkehr empfehlen indes, die Selketalbahn „auslaufen“ zu lassen. SIC-Prokurist Tobias Blätgen hatte das Anfang September vorgestellte „Entwicklungs- und Konsolidierungskonzept“ auf dem Brocken erläutert. Der Zustand sei „nicht der Vorteilhafteste“, sagte er in krasser Untertreibung.
Aber der Ernst der Situation ist ohnehin allen bewusst. Um die Investitionen zu stemmen, müssten die Landkreise und Kommunen Prioritäten setzen und künftig auf manches andere Vorhaben verzichten, sagte Thomas Balcerowski. Der Aufsichtsratschef und die HSB-Geschäftsführerin Müller erklärten, dass bei der Bewältigung der Aufgaben auch der Bund über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz helfen soll. Sie sprach von einem „massiven Paket“ an Aufgaben, das zu bewältigen sei.
Alles soll jetzt rasch gehen, auch weil es laut Müller fünf bis sieben Jahre dauere, bis zum Beispiel ein bestelltes Fahrzeug ausgeliefert werde.
Zu den Fürsprechern der HSB gehörte neben Uwe Albrecht, Stadtratspräsident in Wernigerode, und Kerstin Nagy vom Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) Sachsen-Anhalt, die die Bahn als „touristisches Schwergewicht“ würdigte, auch Braunlages Bürgermeister Wolfgang Langer. Über die Tourismusgesellschaft ist die Stadt mit einem kleinen Anteil an der HSB beteiligt. Langer hofft trotz der Krise weiter, dass die geplante Anbindung Braunlages über Elend weiterverfolgt wird und die Pläne nicht in einer Behördenschublade verschwinden. Bereits in Kürze soll es weitere Gespräche geben. Wernigerode und Braunlage seien die Städte mit den meisten Übernachtungen im Harz, deshalb ergebe es Sinn, sie „physisch zu verbinden“, sagte Langer.
Hausaufgaben machen, Baurecht schaffen
Ein großer Fürsprecher des Projekts ist HSB-Aufsichtsratschef Balcerowski. „Es wäre klug, Braunlage anzukoppeln“, sagte er. Mit einer Westanbindung könnten neue Quellen erschlossen werden. Das Gutachten sehe ein Potenzial von bis zu 230.000 Fahrgästen pro Jahr. Wenn die Bagger erst in Elend stünden, um Schienen zu erneuern, könnten sie auch gleich eine neue Verbindung herstellen. So weit sind die Planungen aber noch nicht. „Die Niedersachsen müssen erst die Hausaufgaben machen und Baurecht schaffen“, sagte Balcerowski. Ein Appell, der sich offensichtlich an die Kreisverwaltung in Goslar richtet.
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