Goslarer Cannabis-Club wächst und sieht noch Potenzial
Henrik Rühe (l.) und Tiago Möcker in der Anbauhalle: Seit Ende März wird an Vereinsmitglieder Cannabis ausgegeben. Foto: Roß
Der Cannabis-Social-Club Goslar hat inzwischen 327 Mitglieder. Die Abgabe läuft seit sechs Monaten. Der Vorsitzende sieht im Modell der Anbauvereine eine Chance für kontrollierten Konsum und mehr Aufklärung.
Goslar. Am 27. März hatte der Cannabis-Social-Club (CSC) Goslar seinen großen Tag. In der Ausgabestelle am Kramerswinkler Marktplatz erhielten Vereinsmitglieder erstmals Cannabis aus eigenem Anbau. In den folgenden Monaten hat sich einiges getan: Mittlerweile hat der Club 327 Mitglieder, die Ausgabe ist an fünf Tagen in der Woche geöffnet.
Vor Ort ist die Atmosphäre entspannt, wobei man sich unter einem wohligen Social-Club eigentlich etwas anderes vorstellt. Die Schaufenster sind abgeklebt, der Ausgabebereich ist durch ein großes Gitter abgetrennt. „Gesetzliche Vorgaben“, sagt Rühe. Auch der Konsum von Cannabis ist dort untersagt. Auf einem Tisch liegen Faltbroschüren und andere Informationen zur Suchtprävention.
In 40 Zelten wachsen die Cannabis-Pflanzen. Foto: Roß
Gemeinsam mit seinem Vize Tiago Möcker sowie der Jugendschutz- und Suchtpräventionsbeauftragten Nina Gunkel – ein Pflichtposten in jedem Cannabis-Club – empfängt Rühe die Mitglieder in der Abgabestelle. Man hält einen kurzen Plausch: erst ein bisschen was Privates, dann ein Blick auf die Angebotstafel. Sieben Cannabis-Sorten hält der CSC für seine Mitglieder bereit, alles aus Eigenanbau und mit verschieden hohen THC-Werten.

Nina Gunkel und Tiago Möcker in der Ausgabestelle am Kramerswinkler Marktplatz, die fünfmal pro Woche öffnet. Foto: Roß
Auf einem Chip im Mitgliedsausweis werden die jeweiligen Abnahmemengen registriert. Gesetzlich erlaubt sind maximal 50 Gramm pro Mitglied und Monat.
Keine Klientel-Kiffer
Ihre Mitglieder würden sich aus sämtlichen sozialen Schichten zusammensetzen, sagt Rühe. „Es gibt nicht den typischen Klientel-Kiffer“, meint der Vorsitzende. Nach der Abgabe zeigen sich viele auch bereit für ein Gespräch, auch wenn sie lieber anonym bleiben möchten.
Denn obwohl Cannabis nicht mehr illegal ist, sind Vorbehalte geblieben. So berichtet ein 40-jähriges Vereinsmitglied aus Osterode, dass er den Weg zur Ausgabestelle nach Goslar alle zwei bis drei Wochen vor allem aus „beruflichen Gründen“ auf sich nehme. Er habe eine verantwortungsvolle Position und viele ältere Kollegen, die ein Problem mit dem Kiffen hätten, so seine Einschätzung.
Ein 51-jähriger Goslarer lobt, dass nach der Legalisierung „der ganze Verfolgungsdruck nun weg ist“. Außerdem wisse jeder, wo das Cannabis herkomme – anders als auf dem Schwarzmarkt. Dass die Clubs die Themen Aufklärung und Jugendschutz auf der Agenda haben müssten, findet er gut. Auch, dass die Mitglieder in Goslar mindestens 21 Jahre alt sind, befürwortet der Mann.
Mehr Eigenverantwortung?
Ein 37-Jähriger sieht die gesetzliche Mengenbeschränkung kritisch und plädiert für mehr Eigenverantwortung. „Ich kann mir den ganzen Kofferraum mit Wodka voll ballern, und niemanden interessiert es“, sagt er, um auf die Ungleichbehandlung hinzuweisen. Die Ausgabestelle laufe reibungslos, erläutert Rühe. Einmal habe man eine alkoholisierte Person überzeugen müssen, dass sie kein Cannabis bekomme, berichtet der Club-Vorsitzende. Ansonsten habe es in den ersten sechs Monaten so gut wie keine Reibungspunkte gegeben.
In Goslar befindet sich bisher der einzige Club im gesamten Landkreis, der Cannabis an seine Mitglieder ausgibt. Auch wenn Anbau und Ausgabe mit strengen behördlichen Vorgaben verbunden sind, ist Rühe von dem Prinzip der Anbauvereine überzeugt. Die Qualität der Cannabis-Produkte wird von der Landwirtschaftskammer überprüft, beim Goslarer CSC zuletzt im August. Auf seiner Internetseite wirbt der Club mit Schulungen und Beratungen. Die Präventionsbeauftragte biete Einzelgespräche an, vor allem wenn Hinweise auf problematischen Konsum zu sehen seien.
Zwei Jahre Vorarbeit
Ein vor Kurzem veröffentlichter Zwischenbericht zur Cannabis-Teillegalisierung vor rund anderthalb Jahren zieht eine ernüchternde Bilanz: So sei der Schwarzmarkt durch die bisher 300 genehmigten Cannabis-Clubs kaum zurückgedrängt worden, vermeldet etwa der „Deutschlandfunk“. Um den Bedarf zu decken, wären demnach mehrere Tausend Clubs erforderlich.
Die Verantwortlichen des Goslarer CSC mussten zwei Jahre Vorarbeit leisten, bis die Cannabis-Ausgabe starten konnte. Gegründet wurde er bereits im April 2023. Rühe beschäftigt sich bereits seit 2019 mit dem Anbau, hat sich viel Expertise angeeignet und bringt auch technisches Equipment mit ein. Wenn ein Verein bei null anfängt, müsse er allein dafür sicher 250.000 Euro in die Hand nehmen, schätzt Rühe.
Der Anbau des Goslarer Clubs in einer Halle im Nordharz läuft in 40 getrennten Zelten auf einer Fläche von 184 Quadratmetern. Etwa 300 Kilo soll die Ernte im ersten Jahr betragen. „Wir wachsen kontinuierlich mit“, sagt Rühe. Bis zu 500 Mitglieder sind pro Cannabis-Club erlaubt. Vielleicht müssen die Goslarer bald einen zweiten gründen.

Nina Gunkel, Henrik Rühe und Tiago Möcker (v. l.) haben mit ihrem Cannabis-Social-Club einen Standort auf dem Kramerswinkler Marktplatz bezogen. Seit März läuft dort die Ausgabe. Foto: Roß (Archiv)
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