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Goslarer Kreispolitik vertagt sich

GZ Plus IconBerufsschule Seesen: Die Standort-Karten werden neu gemischt

Die BBS-Standortfrage bleibt vorerst offen: Das Gebäude in Seesen muss für mehrere Millionen Euro saniert werden.

Die BBS-Standortfrage bleibt vorerst offen: Das Gebäude in Seesen muss für mehrere Millionen Euro saniert werden. Foto: Heinemann (Archiv)

Erst suchen die Verantwortlichen ein gutes Jahrzehnt nach Lösungen für die Seesener Außenstelle der Goslarer Berufsbildenden Schulen mit Zentrale in der Baßgeige. Und als eine Entscheidung ansteht, tauchen plötzlich ungeahnte neue Möglichkeiten auf.

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Von Frank Heine
Freitag, 14.03.2025, 04:00 Uhr

Seesen. Alles zurück auf Los bei einer Entscheidung zum Berufsschulstandort Seesen: Die Kreisverwaltung will noch einmal in sich gehen und für die nächste Sitzung des Schulausschusses am 21. Mai eine neue Empfehlung für die Politik auf den Tisch legen. Erster Kreisrat Frank Dreßler sah nach den jüngsten Entwicklungen mit guten Gesprächen mit der Kreishandwerkerschaft und einem konkreten Investoreninteresse neue Aspekte im Verfahren. „Wir brauchen noch den einen oder anderen Waschgang, um zu einer Lösung zu kommen“, erklärte Dreßler am Mittwoch beim jüngsten Treffen des Gremiums.

Im Kreishaus erhielten während der Debatte im Ausschuss auch Nichtmitglieder erschöpfend Gelegenheit, ihre verschiedenen Interessenlagen an der Außenstelle der Berufsbildenden Schulen (BBS) Goslar-Baßgeige/Seesen darzustellen. Als neuer Spieler auf dem Feld warb Timo Schriegel aus Emmerthal als Obermeister der Zweiradmechaniker-Innung Süd-Niedersachsen mit einem emotionalen Plädoyer für einen Beibehalt der Ausbildung in Seesen, wo er schon 1998 als Sechzehnjähriger in die Lehre gegangen sei und jetzt im Alter von 42 Jahren weiterhin enorme Möglichkeiten sieht.Ganz frisch, nämlich erst zwei Wochen alt, war seine Nachricht, dass die Handwerkerschaft jetzt auch überbetriebliche Lehrgangsunterweisungen anbieten dürfe. In Zahlen ausgedrückt bedeute dies insgesamt rund 250 Teilnehmer an zwölf Lehrgängen, die sich jeweils eine Woche lang übers Jahr verteilten. Der Startschuss soll schon in diesem Sommer fallen.

Plädoyer für Seesen

Der temperamentvolle Fürsprecher für Seesen mit seinen Bahn- und Autobahnanbindungen sah die Standorte für seinen „schrägen Ausbildungsberuf“ in Deutschland rar gesät. Deshalb habe Seesen als Einzugsbereich auch das Gebiet in Niedersachsen zwischen Jadebusen und Nordhessen, das seine räumlich ungewöhnlich geschnittene Innung abbilde. Geschult werden wie berichtet Zweirad-Mechatroniker für Motorräder und Fahrräder sowie Fahrrad-Monteure, wobei gerade der Fahrrad-Bereich boome. Schriegel pries die „unglaublich gute Qualifikation der Lehrer“ und das passende Platzangebot samt Außengelände. Er zeigte sich optimistisch, das Gebäude in Seesen wieder voller zu bekommen und „eine geile, motivierende Ausbildung hinzukriegen“. Es sei auch noch „Luft nach oben“ in Richtung Oldenburg und Hamburg. Denn eines ist aus seiner Sicht klar: „Wir brauchen die Mobilitätswende.“

Zurückhaltender äußerte sich BBS-Direktor Otto Markus Brinkmann. Er bedankte sich zunächst brav für Schriegels umfassendes Lob: „Das geht runter wie Öl.“ Gerade beim Personaleinsatz sei Seesen aber immer „ein Satellit, den man mitdenken muss“. Mit dem neuen Lehrangebot gebe es sicherlich „gemeinsame Schnittmengen“. Aber wer in Seesen eingesetzt werde, falle an diesem Tag etwa fürs Berufsgymnasium aus. Und: „Das gute Personal bleibt – egal, wo die Beschulung stattfindet.“ Das Einsammeln weiterer Schüler im Land habe die BBS auch schon versucht, aber dort müssten letztlich alle Schulträger zustimmen. Und wer schickt seine Leute schon gern weg? Was Schriegel nicht als Hindernis sah: „Ich schicke meine Leute auch nicht nach Burgdorf, sondern nach Seesen – da gibt es Mittel und Wege“.

Zwei Bauunternehmer

Wie berichtet steht inzwischen mit dem Seesener Bauunternehmer Oliver Göcke auch ein potenzieller Investor Gewehr bei Fuß, der die Seesener Immobilie kaufen und renovieren will. Und das nicht allein: Mit Dirk Barte aus Königsdahlum stellte er einen zweiten Mann vom Fach vor, der beim Vorhaben mitmischen wolle. Er habe auch erst Mitte Januar vom Vorhaben des Landkreises erfahren und Unterlagen angefordert. „Die Kalkulation ist so, dass man es kaufen kann und auch noch eine Rendite herausspringt“, war Göcke am Mittwoch überzeugt.
Seesens Bürgermeister Erik Homann (CDU) hat zuletzt wie berichtet mit dem potenziellen Investor Oliver Göcke für den BBS-Standort in der Sehusa-Stadt geworben.

Seesens Bürgermeister Erik Homann (CDU) hat zuletzt wie berichtet mit dem potenziellen Investor Oliver Göcke für den BBS-Standort in der Sehusa-Stadt geworben. Foto: Heinemann (Archiv)

Die Grundsubstanz sei nicht so schlecht wie dargestellt. Fahrstühle, Heizung, Fenster, Fassade – klar spreche man über mehrere Millionen Euro. Aber das Angebot steht bei Erhalt des Schulbetriebes und wird auch von einem CDU-Antrag unterstützt.

Für das bisher von der Kreisverwaltung favorisierte Modell – einen Umzug nach Goslars ins Berufsförderungswerk Goslar der „INN-tegrativ GmbH“ – schilderte Geschäftsführer Pierre Noster noch einmal die Voraussetzungen. Dort gehe bereits die Umschulung zum Zweirad-Mechatroniker erfolgreich über die Bühne. Er könne die „hohe Emotionalität“ beim Standort Seesen nachvollziehen, sagte Noster, aber er sehe durchaus Synergien und scheue auch nicht den Vergleich in Qualität und Ergebnis der Ausbildung.

Vielleicht ein Plus, dass im Berufsförderungswerk Unterkünfte gestellt werden könnten? Am Rande der Diskussion spielte auch die für Seesen bislang weit gefasste Auslegung des Schulgesetzes eine Rolle, dass eine Unterbringung vom Schulträger zu organisieren sei. „Wir sind da nicht die einzigen Rechtskundigen im Land“, warnte Dreßler vor weitergehenden Wünschen der freien Auslegung, „da reizen wir immer ein bisschen auf den Skat.“

Wie reizend fand die Politik den Vorschlag der Verwaltung auf Vertagung? Christiane Raczek (CDU) dankte ausdrücklich für die Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen. Andrea Melone (SPD) äußerte sich ähnlich, mahnte aber: „Im Sommer müssen wir wissen, wohin es geht.“

Die Waschmaschinen

Gern wurde auch Dreßlers Waschgang-Metapher aufgenommen. Ausschussvorsitzende Renate Lucksch (SPD) erinnerte daran, dass es schon eine lange „Einweichphase“ gegeben habe, sah durch den Fortgang der Debatte aber auch die Demokratie auf einem guten Weg. Norbert Schecke (CDU) wiederum wähnte sich noch nicht einmal im Vorwaschgang, sonden beim Füllen des Wäschekorbs. Peggy Plettner-Voigt hoffte, dass am Ende „kein schlimmer Schleudergang“ wartet. Oliver Hachmeister (AfD) wollte die Wäsche von der Verwaltung noch einmal gut sortiert haben. Und Martin Ksink (FDP) dachte schon an den Trockner, wenn Verbundenheit mit Seesen und die Finanzen des Schulträgers in Verbindung zu bringen seien.

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