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Beschluss aus dem Kreistag Peine

GZ Plus IconArbeitspflicht für Asylbewerber kommt – auch in Goslar?

Eine Familie auf dem Weg zu einer Messehalle, die zur Asylunterkunft umfunktioniert wurde.

Eine Familie auf dem Weg zu einer Messehalle, die zur Asylunterkunft umfunktioniert wurde. Foto: picture alliance/dpa

Die Arbeitspflicht für Asylbewerber wurde am 8. Oktober in Peine beschlossen. Geflüchtete sollen verpflichtend gemeinnützige Arbeit verrichten, für 80 Cent pro Stunde. Der Beschluss geht auf einen Antrag von CDU und FDP zurück.

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Von Friederike Julia Müller
Freitag, 10.10.2025, 18:00 Uhr

Region. Die Arbeitspflicht für Asylbewerber ist in Deutschland tatsächlich seit über 30 Jahren gesetzlich geregelt und wurde am 8. Oktober in Peine aktiv beschlossen. In Peine sollen Geflüchtete in Zukunft verpflichtend gemeinnützige Arbeit verrichten, beispielsweise etwa im Tierheim oder bei den Tafeln. Die Entschädigung: 80 Cent pro Stunde. Der Beschluss des Kreistags geht auf einen Antrag von CDU und FDP zurück. Die Christdemokraten argumentieren mit besserer Integration durch Arbeit.

Aus dem Kreishaus hieß es, der Verwaltungsaufwand für die Umsetzung wäre zu groß. Denn laut Landkreis können von den aktuell 850 Asylbewerbern in Peine Hunderte gar nicht verpflichtet werden. Sie sind beispielsweise minderjährig, alleinerziehend, oder schwanger. Oder sie haben bereits eine Arbeitsstelle, beziehungsweise sind in Integrationskursen. Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hat außerdem gezeigt: Die meisten Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, haben inzwischen einen Job.

Was ist mit vorherigen Ausbildungen?

Die Arbeitspflicht für die 80-Cent-Jobs gilt unabhängig von der vorherigen Ausbildung der Asylbewerber. Viele der Geflüchteten haben unterbrochene Schul- und Ausbildungen. Warum nicht dort anknüpfen? In Deutschland gibt es erhebliche Schwierigkeiten bei der Anerkennung. Oft fehlen formale Zeugnisse aufgrund von Krieg oder Flucht. Die Anerkennungsverfahren sind langwierig, kostenintensiv (zwischen 100 und 600 Euro) und verlangen oftmals auch Deutschkenntnisse als Voraussetzung. Viele ausländische Abschlüsse werden nicht als vollwertig anerkannt. Das betrifft sowohl berufliche Ausbildungen als auch Studienabschlüsse.

Das bestätigen der Mediendienst Integration, der deutsche Städte- und Gemeindebund, und ein Informationsportal der Bundesregierung namens „Anerkennung in Deutschland“. Der Mediendienst Integration hat sich mit den verschiedenen Ländern auseinandergesetzt, aus denen Geflüchtete kommen.

80-Cent-Jobs trotz Fachkräftemangel

Ein Beispiel ist Syrien: Häufig bringen Geflüchtete Abschlüsse als Lehrer, Ingenieure oder Krankenpfleger mit. Genau dort fehlen uns in Deutschland die Fachkräfte, wie auch eine Bilanz der Bundesagentur für Arbeit zeigt. Ein Ähnliches Bild zeigt sich für Geflüchtete aus Afghanistan, dem Irak und Eritrea.

Akademiker wie Ingenieure, IT-Fachkräfte und Lehrkräfte aus der Ukraine finden in Deutschland häufiger Zuflucht. In technischen und pädagogischen Berufen ist die Anerkennung je nach Zeugnislage und Beruf vergleichsweise häufig möglich, Berufe wie Mediziner oder Juristen erfordern umfangreichere Prüfungen. Aber warum ist das legal?

Das Asylbewerberleistungsgesetz (§5 AsylbLG) erlaubt es Kommunen, Asylbewerber zur gemeinnützigen Arbeit zu verpflichten, auch für eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent je Stunde. Kritiker wie Geflüchtetenräte und Pro Asyl sehen das als rassistisch und menschenverachtend, denn die Zahl liegt deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn.

Außerdem gelte die Arbeitsverpflichtung zudem oft für Personen, die kaum Arbeitserlaubnis oder Zugang zum regulären Arbeitsmarkt haben. Die 80-Cent-Jobs abzulehnen, ist allerdings nicht einfach.

Konsequenzen bei Ablehnung

Wer die angebotene Arbeitspflicht ablehnt, riskiert den Verlust von Sozialleistungen, da die Arbeitspflicht als Leistungsverpflichtung für die Unterstützung gilt. Es können Sanktionen verhängt werden, die Verschärfungen im Bezug von Sozialleistungen nach sich ziehen. Das geht aus § 5 Abs. des 4. Asylbewerberleistungsgesetzes hervor. Konkret bedeutet das die Kürzung der ohnehin sehr geringen Leistungen, häufig auf das physische Existenzminimum wie Unterkunft, Nahrung, und Hygiene. Die Kürzung kann bis zu 6 Monate andauern und wiederholt verhängt werden. Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags bestätigen diese Regelungen und deren Anwendungspraxis.

Und in Goslar?

Der Kreistag des Landkreises Goslar setzt sich aus 50 Kreistagsabgeordneten verschiedener Parteien sowie dem Landrat Dr. Alexander Saipa (SPD) zusammen.

Ein ähnlicher Antrag, wie er in Peine beschlossen wurde, wurde vor einem Jahr auch in der Goslarer Kreispolitik diskutiert. Das teilte Marieke Düber, zuständig für die Kommunikation des Landkreises, auf Anfrage mit. Damals gab eine ausführliche Stellungnahme durch die Verwaltung, sodass die CDU-Faktion den Antrag am 24. Oktober zurückzog.

In der Stellungnahme des Kreistages Goslar stand dann „Die Idee des deutschen Sozialstaates besteht darin, in solidarischer Art und Weise seine Mitmenschen in Notlagen zu unterstützen“.

Auch in den ersten Wochen in der eigenen Wohnung würde eine solche Pflicht die Integration eher erschweren, da beispielsweise ein Sprachkursbesuch nicht mehr möglich wäre. „Die Familien sind in der ersten Phase der Ankunft vor allem mit der Wohnungssuche, Einrichtung und Anmeldung bei Schulen etc. eingebunden“, erklärt Düber. Landrat Dr. Alexander Saipa ordnet die Situation wie folgt ein: „Unsere Erfahrung zeigt, dass für eine erfolgreiche Integration die Kombination aus Sprache und Arbeitsgelegenheit am besten wirkt.“ Die Arbeitspflicht, wie sie durch den Kreistag Peine beschlossen wurde, sieht er kritisch. Sein Ziel ist es, „eine Integration auf den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen, um eine nachhaltigere Wirkung zu erzielen“.

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