Zehntausende Gebäude im Landkreis Goslar sanierungsreif

Hohe Energiepreise und Sanierungsstau: Das Baugewerbe fordert den politischen „Turbo“. Foto: picture alliance/dpa/Brandt Foto: picture alliance/dpa
Energiesparen in Altbauten: Rund 80 Prozent der Wohnungen im Landkreis Goslar sind laut Pestel-Institut älter als 45 Jahre. Das Baugewerbe fordert die Bundesregierung auf, den „Turbo“ für Investitionen zu zünden. Das sichere zugleich Jobs.
Goslar. „Viele Häuser im Landkreis Goslar brauchen bald viele Handwerker.“ Das ist die These des Pestel-Instituts. Von den insgesamt rund 78.300 Wohnungen im Landkreis seien sind 81 Prozent schon 45 Jahre oder älter. Rund 63.100 Wohnungen in Altbauten seien damit mehr oder weniger „reif für eine Sanierung“.
Die Wohngebäude im Landkreis seien enorm in die Jahre gekommen, resümiert das Pestel-Institut (Hannover) nach einer aktuellen Analyse zum regionalen Wohnungsbestand hervor. Die Studie des Forschungsinstituts und Dienstleisters für Kommunen, Unternehmen und Verbände ist nicht uneigennützig, denn sie wurde vom Bundesverband des Baustoffhandels beauftragt.
Hoher Energieverbrauch im Kreis
Die Zahlen aus der Analyse sprechen indes eine deutliche Sprache, schließlich geht es um viel Geld – für Sanierung und Energiesparen gleichermaßen. Denn das eine bedingt das andere. Ein wichtiger Punkt bei dem „Gebäude-Check“ ist denn auch der Energieverbrauch. „Je mehr Geld Bewohner fürs Heizen und für warmes Wasser ausgeben müssen, desto höher ist der Druck, das Haus energetisch zu sanieren“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Ein Kernpunkt der Untersuchung war deshalb auch die durchschnittlich verbrauchte Energie pro Quadratmeter Wohnfläche.
„Dabei herausgekommen ist, dass die Wohngebäude im Landkreis Goslar beim Energieverbrauch 9,4 Prozent pro Quadratmeter über dem bundesweiten Durchschnitt liegen“, sagt Günther. Wichtig sei dabei insbesondere die Altersstruktur der Wohngebäude. Ebenso der Gebäudetyp – also die Anzahl der Ein- und Zweifamilienhäuser sowie der Mehrfamilienhäuser.
Der Energieverbrauch fürs Wohnen ist nach Ansicht des Pestel-Instituts der entscheidende Richtwert für Energiespar-Sanierungen, die in den kommenden Jahren noch auf auf viele Hausbesitzer zukämen: Immerhin sei es das politische Ziel, „den gesamten Gebäudebestand in Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Wenn das auch für den gebäudebestand im Landkreis gelten soll, dann sei es nötig, „bei den Sanierungen in den ‚Turbo-Gang‘ zu schalten“, betont Günther.
320 Millionen Euro pro Jahr
Für die Hauseigentümer bedeute dies, in die Tasche greifen zu müssen: Pro Jahr wären das laut Pestel-Institut im Schnitt im Landkreis Goslar rund 320 Millionen Euro Sanierungskosten – allein fürs Energiesparen. „Und das zwanzig Jahre lang“, fügt Günther an. Basis dieser Berechnungen sei eine bundesweite Studie des Bauforschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“ in Schleswig-Holstein.
Ein „Turbo“ sind solche Investitionen natürlich auch für die Kassen im Baugewerbe. Der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel spricht laut Pestel-Institut von einem „Mammut-Projekt für den Landkreis Goslar“. Verbandspräsidentin Katharina Metzger fordert deshalb „finanziellen Rückenwind“ für die Eigentümer: „Entscheidend ist, dass mehr und mehr gerade private Hauseigentümer mitziehen. Vor allem, dass sie sich Sanierungen überhaupt erlauben können. Das klappt nur, wenn die Politik mehr Anreize schafft“, sagt Metzger. Es sei deshalb höchste Zeit, Sanierungen zum Energiesparen deutlich besser zu fördern als bislang. Zumal dies zugleich die Produktion für Strom und Heizenergie entlasten würde.
Appell an die Bundesregierung
Auf keinen Fall dürfe Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) daher mit ihren Plänen durchkommen, Förderprogramme für die Sanierung zusammenzustreichen. Laut Metzger geht es bundesweit um mehr als drei Milliarden Euro. An die Adresse der Bundestagsabgeordneten aus der Harz-Region appelliert Metzger, sich in Berlin für einen „Push bei der Gebäudesanierung“ starkzumachen. Zumal Altbausanierung zugleich Jobs im Baugewerbe sichere.
Hingegen sei der Wohnungsbau in Deutschland aber weiter wie gelähmt. Zwar habe Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) versprochen, dass „die Bagger auch wieder rollen“. Doch auf den versprochenen „Neubau-Turbo“ warteten Länder und Kommunen immer noch.
Wenn sich Eigentümer entschließen, Handwerker ins Haus zu holen, dann biete es sich an, möglichst umfassend zu sanieren: „Wenn Dach und Fassade gemacht werden müssen, dann ist es natürlich günstiger, das Gerüst nur einmal aufbauen zu müssen“, rät Metzger. „Also lieber im Rundumschlag sanieren als Stück für Stück über Jahre verteilt“, sagt Metzger. Das sei natürlich immer auch eine Frage des Portemonnaies, räumt sie ein – und der Verfügbarkeit von Handwerksbetrieben lässt sich hinzufügen.
Neben der energetischen Sanierung biete sich vor allem auch der altersgerechte Umbau an, um Seniorenwohnungen zu schaffen. „Wer ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung hat, sollte rechtzeitig dafür sorgen, dass er in den eigenen vier Wänden auch alt werden kann“, rät Metzger.
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