Die Goslarer AfD zerlegt sich selbst beim eigenen Bürgerdialog

Eine Partei, zwei Lager: Die Goslarer AfD zeigt sich beim eigenen „Bürgerdialog“ in Seesen in zwei unversöhnliche Lager gespalten. Foto: Leifeld
Die AfD-Veranstaltung am Freitagabend soll ein Bürgerdialog mit offener Fragerunde werden. Sie endet in einem offenen Streit mit Drohungen und Beschuldigungen. Draußen wird friedlich gegen die Veranstaltung demonstriert. Was ist in Seesen los?
Seesen. Der AfD-Kreisverband Goslar steht vor einem Scherbenhaufen. Nicht Randale oder Gegenprotest auf der Straße, sondern innerparteilicher Zwist erschüttert die AfD. Kreisvorsitzender Main Müller sah sich am Freitag massiven Beschuldigungen und Drohungen von Mitgliedern ausgesetzt. So endete der für den späten Nachmittag angekündigte „Bürgerdialog“ im Bürgersaal des Jacobsonhauses in einem ebenso unerwarteten wie bemerkenswerten Streit, noch bevor er richtig begonnen hatte.

Protest über Parteigrenzen hinweg: Gut 450 Teilnehmer kommen zur Gegendemo auf dem Jacobsonplatz zusammen. Foto: Leifeld
Die Partei wollte ihre politischen Konzepte vorstellen, das Gespräch mit Gästen suchen und bei einer offenen Fragerunde Rede und Antwort zu stehen – so die Planung. Doch es kam anders. Die als Redner angekündigten Abgeordneten Maximilian Krah (Bundestag) und Mike Moncsek (Landtag in Sachsen) erschienen erst gar nicht. Offizielle Begründung: Sie hätten kurzfristig abgesagt.
„Tipp“ oder „Anordnung“?
Ob sie einen „Tipp“ oder gar eine „Anordnung“ bekommen hatten, der Veranstaltung im Jacobsonhaus fernzubleiben? So lautete die Version, die Main Müller von der Bühne herab platzierte. Andere Vorstandsmitglieder befanden sich noch im Stau oder auf Parkplatzsuche, was den Start der Veranstaltung zusätzlich noch um gut 20 Minuten verzögerte, bis die Bundestagsabgeordneten Dirk Brandes und Micha Fehre sowie der niedersächsische Landtagsabgeordnete Omid Najafi gemeinsam mit Gastgeber Müller und Florian Barwenczki (Kreisverband Goslar) die Bühne betraten. Rund 80 Zuhörer hatten sich bis dahin nach strengen Sicherheitskontrollen am Eingang im Bürgersaal eingefunden.
Unmut ließ nicht lange auf sich warten und stellte sich schon kurz nach der Begrüßungsrede und Müllers umfangreichen Grußworten ein: Einige Vorstandsmitglieder seien an der Tür abgewiesen, andere Anwesende von ihm nicht namentlich begrüßt worden, monierte der Hannoveraner Fehre. Ein Zwischenrufer prangerte an, dass bereits weit im Vorfeld bekannt gewesen sei, dass Krah und Moncsek in Seesen gar nicht erscheinen wollten. Was in der Tat sogar den Teilnehmern der Gegendemo auf dem Jacobsonplatz bekannt gewesen sei. Müller dementierte. Er versicherte, erst wenige Stunden vor der Veranstaltung davon erfahren zu haben.

Geballtes Auftreten, offener Streit: Der AfD-Bürgerdialog nimmt einen nicht unbedingt erwarteten Verlauf. Foto: Leifeld
Fehre wiederum hielt dagegen, Krah und Moncsek hätten abgesagt, um nicht ins Kreuzfeuer des im Goslarer Kreisverband herrschenden Konfliktes zu geraten. Er halte es jedoch für wichtig, den Konflikt in den Goslarer Reihen öffentlich zu benennen, und sprach vom sinnbildlichen „Elefanten im Raum“ als großes Problem. Gerne stelle sich Main Müller als „Chef Goslar“ der AfD dar. Aber einen „Chef“ gebe es in der AfD in keinem Bereich. Demokratische Mehrheitsbeschlüsse würden von Müller nicht akzeptiert, er setze sich sogar über sie hinweg. „Hier wird nach falschen Prinzipien geschaltet und gewaltet“, prangerte Fehre das aus seiner Sicht parteischädigende Verhalten des Vorsitzenden an.
Zusammengeschnittene Sprachnachrichten
„Ich werde auf öffentlicher Bühne angegriffen und muss mich nun verteidigen“, erklärte Müller wiederum am Mikrofon. Vieles stimme nicht und sei „frei erfunden“ Er verwies auf gefälschte E-Mails und zusammengeschnittene Sprachnachrichten, die ihn mehrfach erreicht hätten. Auch habe er bei einem Stammtisch in Oker vor der Presse denunziert werden sollen – eine Begegnung, die aber nicht zustande gekommen sei.

Seesens Bürgermeister Erik Homann erläutert, warum die Politik die Veranstaltung im Jacobsonhaus im Vorfeld nicht verhindern hat. Foto: Leifeld
Konflikte müssten intern besprochen und nicht nach außen getragen werden. „Dagegen muss ich mich wehren“, machte Müller klar. Beschimpfungen in alle Richtungen, Drohungen und ein Tumult erfüllten den Bürgersaal. Sachliche Diskussion? Bürgerfragen? Keine Spur. Die Lager der AfD-Kontrahenten zeigten sich gespalten und unversöhnlich. Vorsitzender Müller kündigte jedoch an, auch nach diesem Auftritt die Partei nicht verlassen zu wollen. Er halte weiterhin an einer Kandidatur bei der Kommunalwahl im September 2026 fest, betonte er ausdrücklich.

Eine Straßenmusikerin spielt Gitarre. Foto: Leifeld
Auch bei der Gegendemo vor den Türen gab es kritische Worte. Wenig(er) erstaunlich, sondern sogar erwartet waren jene, die in Richtung AfD gingen. Seesens Bürgermeister Erik Homann (CDU) und jene Mitglieder des Stadtrates, die die AfD-Veranstaltung im Jacobsonhaus vorher nicht hatten verhindern wollen, mussten sich ebenfalls erklären. Das Jacobsonhaus müsse ein offener Ort des Streites und der Versöhnung sein und bleiben, ganz im Sinne der Demokratie, hielt Homann in einer kurzen Ansprache fest.
Jacobsonhaus offen für alle
Das sehen aber längst nicht alle Ratsfraktionen so: Die SPD und die Grünen hatten im Seesener Rat wenige Tage vorher einen Antrag auf den Weg gebracht, dass der Bürgersaal künftig nicht mehr für Parteiveranstaltungen genutzt werden dürfe. Er fand keine Mehrheit. Die 450 Teilnehmer an der Gegendemo ließen aber auch keinen Zweifel, was sie von der AfD und ihrer Aktion hielten – gelinde gesagt nichts Gutes. 16 Rede- und Musikbeiträge vom Schülerrat des Jacobson-Gymnasiums, von der Jacobsonstiftung, aus den Gewerkschaften und der Politik, von Künstlern und Kirche brachten den Missmut der Menge zum Ausdruck.
Durchaus bunt ist das Contra, das auf der Gegendemo gezeigt wird. Foto: Leifeld
Was sagt die Polizei? Sie sprach von einem weitestgehend störungsfreien Verlauf sowohl bei der Veranstaltung im Jacobsonhaus als auch bei der Versammlung auf dem Jacobsonplatz. Bei ihrem Einsatz hatte die Polizei Seesen Unterstützung von der Zentralen Polizeidirektion (Bereitschaftspolizei Hannover) sowie der Polizeiinspektion Goslar.
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