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AfD: 553-Euro-Rechnung beim Italiener

GZ Plus IconHat der Ex-Kreischef aus Seesen bei einer Abrechnung geschummelt?

Der ehemalige AfD-Kreisvorsitzende Main Müller ist mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Micha Fehre zu sehen.

Main Müller (r.) in der mittlerweile bundesweit bekannt gewordenen hitzigen AfD-Bürgerversammlung Ende September im Clinch mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Micha Fehre. Foto: Neuendorf

Hat der Ex-AfD-Kreisvorsitzende Main Müller aus Seesen bei einer Abrechnung geschummelt? Es geht um ein 553 Euro teures Essen bei einem Italiener mit Maximilian Krah.

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Von Oliver Stade
Freitag, 14.11.2025, 14:00 Uhr

Goslar/Harz. Soll niemand sagen, in der AfD hätten sie nicht auch Sinn für Humor: „Pizza-Gate“, so nennen AfD-Mitglieder, die im Clinch mit Main Müller liegen, eine eigenwillige Abrechnung nach einer üppigen Bewirtung in einem italienischen Restaurant. Müller ist ehemaliger Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Goslar. Seine Kritiker spielen mit ihrem Vorwurf möglicherweise auf den Pizza-Gate-Fall im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 an, bei dem Verschwörungstheorien verbreitet worden waren.

Ob Müller über seinen Pizza-Vorfall stolpert, danach sieht es nicht aus. Beinahe ein Jahr ist es her, als am 30. November 2024 im „Ristorante Piccolo Mondo“ in Osterode eine kleine Tischgemeinschaft um Main Müller zusammenkam, prominenter Gast war der damalige AfD-Europa- und heutige Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah. Der großzügige Bewirtungsbeleg, der sich in der Beschwerdeakte befindet, die dem AfD-Landesvorstand von den Müller-Kritikern übermittelt wurde, könnte den Ruf Krahs festigen, der parteiintern Schampus-Max genannt wird.

Rechnung über 553 Euro

Dem Bewirtungsbeleg zufolge haben Müller und seine Partnerin Olga Grabo, die zu der Zeit seine Stellvertreterin an der Spitze des AfD-Kreisverbandes war, mit Krah einen netten Abend im „Piccolo Mondo“ verbracht. Mit dabei war laut Kopie des Belegs neben Krah außerdem ein Paar, das dem Namen zufolge mit Olga Grabo verwandt oder verschwägert ist, sowie außerdem das damalige AfD-Kreisvorstandsmitglied Oliver Weckauf.

Die Müller-Kritiker halten dem früheren Vorsitzenden vor, die Bewirtung zuvor nicht mit dem Kreisschatzmeister abgestimmt oder per Finanzbeschluss legitimiert zu haben. Sie sprechen von einer „unrechtmäßigen Ausgabe“. Bei Ausgaben über 500 Euro hätte dies zuvor erfolgen müssen. Auch Anzeigen in der GZ und im Seesener Beobachter, die diesen Wert übersteigen, soll Müller den Vorwürfen zufolge ohne vorherige Abstimmung in Auftrag gegeben haben.

Einer war nicht dabei

Die großzügige Bewirtung im „Piccolo Mondo“ soll ein Gremium nachträglich genehmigt haben. Problematischer erscheint ohnehin ein anderer Punkt: Oliver Weckauf soll gar nicht dabei gewesen sein, heißt es in den Unterlagen der Müller-Gegner. Weckauf bestätigt das auf Nachfrage der GZ und gibt zu Protokoll, dass er dies auch an Eides statt versichern würde.

Dann hätte Müller seinen Vorstand getäuscht. Vermutlich, um die Rechnung über fünf Personen nicht ganz so üppig aussehen zu lassen. Der Bewirtungsbeleg weist für die fünf Frauen und Männer unter anderem immerhin sechs Vorspeisen, eine Pizza, ein Lammkotelett, zweimal Fisch und ein Lachsfilet aus. „Drei Rotwein“ stehen außerdem auf der Rechnung, offenbar Flaschen, weil der Preis sich auf 144 Euro summiert.

Bewirtungsbeleg nach einem AfD-Treffen bei einem Italiener in Osterode: Eine Rechnung über 553 Euro.

Rechnung über 553 Euro: Bewirtungsbeleg nach einem AfD-Treffen bei einem Italiener in Osterode. Foto: Stade

Der Landesvorstand in Hannover wirkt derweil nicht so, als wolle er einschreiten. Grundsätzlich aber zeigt der AfD-Landesvorsitzende Ansgar Schledde keine Scheu, auch mal harsch durchzugreifen: Den früheren Kreisvorstand in Goslar um den Vorsitzenden Dirk Straten Zeit setzte er voriges Jahr ab, den Kreisvorstand in Salzgitter in diesem Juli. In beiden Fällen urteilten Parteigerichte, dass die Entschlüsse rechtswidrig sind.

In Goslar ging es nach Darstellung des Landesvorstandes um die Aufnahme von Mitgliedern; dem Vorstand in Salzgitter warf er vor, dieser sei nicht in der Lage, „im Sinne der Partei zu agieren“. Die „Pizza-Angelegenheit“ zeigt nicht nur, dass Müller es sich auf Parteikosten auch mal gutgehen lässt, sie wirft ein Licht auf die Zustände im Kreisverband Goslar. Dessen halber Vorstand liegt auch wegen der als rüde eigenwilligen Kommunikation des Dachdeckermeisters Müllers mit diesem seit längerer Zeit im Clinch und bat den Landesvorsitzenden im August, das Landesschiedsgericht einzuschalten. Der Dauerzwist führte schließlich dazu, dass der gesamte Kreisvorstand inklusive Müller Ende September zurücktrat, dem Vernehmen nach auf Anraten des Landesvorstands.

Streit wird im Netz zum Hit

Vor dem Rücktritt hatten die Müller-Kritiker dem Landesvorstand in Hannover eine etwa 40 Seiten umfassende Akte überstellt, es geht um haarklein dokumentierte Vorwürfe gegen Main Müller, die zu der denkwürdigen AfD-Bürgerversammlung Ende September in Seesen beitrugen.

Die bühnenreife Streit-Show mit gegenseitigen Beschimpfungen wurde Dank eines AfD-Videofilmers aufgezeichnet, ins Netz gestellt und bundesweit verbreitet. Allein auf Instagram kursieren mehrere Schnipsel, man muss nur die Stichworte AfD und Seesen in die Suchmaske eingeben. Eine der hemdsärmeligen Szenen bringt es auf zwei Millionen Aufrufe. Der Streit um Main Müller verhalf dem AfD-Kreisverband und den beteiligten AfD-Mandatsträgern Micha Fehre und Dirk Brandes aus dem Bundestag sowie Omid Najafi aus dem Landtag zu einem enormen Popularitätsschub im Netz.
Maximilian Krah im Januar 2025 bei einer Veranstaltung im Bündheimer Schloss.

Maximilian Krah im Januar 2025 bei einer Veranstaltung im Bündheimer Schloss. Foto: Neuendorf

Den Vorwürfen zufolge, die Müller in Seesen zurückwies und mit Gegenvorwürfen quittierte, soll er Vorstandsmitglieder aus einer Whatsapp-Gruppe des Kreisverbandes ausgeschlossen haben. Außerdem ging es darum, dass Müller Vorstandsmitglieder beschuldigt habe, die Fotos vom umstrittenen Besuch des rechtsextremen thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke bei ihm weiterverbreitet und an die GZ gegeben zu haben.

Müller, der sich als konservativ beschreibt und betont, er achte das Grundgesetz und sei kein Verfassungsfeind, tafelt offenbar gerne mit AfD-Prominenten, ungeachtet ihrer politischen Ausrichtung. Mehrere Äußerungen Krahs stuft der Verfassungsschutz als völkisch-nationalistisch ein. In diesem Juli hatte Müller dann bei sich zu Hause den als Rechtsextremisten geltenden Björn Höcke empfangen und bewirtet.

Über Vorwürfe zu der Abrechnung im „Piccolo Mondo“ äußert sich Main Müller auf Anfrage nicht. Auch der Landesverband gibt sich zugeknöpft. Es gehe um „parteiinterne Vorgänge“, und die würden, „soweit überhaupt erforderlich“, intern geklärt.

Wahl im „Maximum“

Könnte also sein, dass bei der erforderlichen Neuwahl eines Kreisvorstands, die für den 13. Dezember geplant ist, Main Müller nach den vielen Querelen abermals antritt und gewählt wird. Der Landesvorsitzende Schledde hat für das Treffen um 14 Uhr in den „Eventsaal Maximum“ nach Seesen eingeladen und Müller, der nach letzten Bekundungen wieder antreten will, damit ein Heimspiel verschafft.

Der sieht sich übrigens als „Ehrenmann“, so stand es in jeweils zwei Anzeigen in der GZ und im Seesener Beobachter einige Tage nach der tumultartigen Bürger-Versammlung in Seesen. Darin hatte sich die Partei an die „lieben Bürgerinnen und Bürger“ und „liebe Leserinnen und Leser“ gewandt und sich bei Müller entschuldigt, weil er „in seinem Ansehen als Ehrenmann“ beschädigt worden sei.

Vieles spricht dafür, dass Main Müller die Anzeigen selbst aufgegeben und bezahlt hat. Müller selbst hatte dazu seinerzeit keine Auskunft geben wollen.

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