Zähl Pixel
Eintrag im Schwarzbuch

GZ Plus IconSteuerzahlerbund: „Goslarer Geisterbus verbrennt 577.000 Euro“

Jungfernfahrt zum Rammelsberg noch im großen Gefährt: Der Welterbe-Shuttlebus pendelt ab September 2021 alle 30 Minuten zwischen Altstadt und Bergwerksmuseum.

Jungfernfahrt zum Rammelsberg noch im großen Gefährt: Der Welterbe-Shuttlebus pendelt ab September 2021 alle 30 Minuten zwischen Altstadt und Bergwerksmuseum. Foto: Roß (Archiv)

„Der Goslarer Geisterbus verbrennt 577.000“: Harsche Worte findet Niedersachsens Bund der Steuerzahler für das einstige Welterbeshuttle. Und notiert den Fall in seinem Schwarzbuch 2025.

author
Von Frank Heine
Mittwoch, 01.10.2025, 11:33 Uhr

Goslar. Das Welterbeshuttle als Steuergeld verschlingender „Geisterbus“: Erstmals seit 2020 hat es Goslar wieder ins Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes geschafft. Die zweifelhafte Ehre hatte der Stadt vor fünf Jahren der Kattenberg-Kauf eingehandelt. Jetzt kritisieren Niedersachsens Steuerwächter, dass der dreijährige Linienbetrieb zwischen September 2021 und 2024 einen Verlust von zirka 577.000 Euro eingefahren habe.

Was kritisiert der Bund der Steuerzahler? Ein zusätzliches Busangebot sollte die Altstadt – samt neuem Welterbezentrum im Rathauskeller und Kaiserpfalz – mit dem Rammelsberg verbinden. Auf der Ring-Buslinie 809 verkehrte deshalb seit September 2021 das Welterbeshuttle und zielte im 30-Minuten-Takt vor allem auf Übernachtungsgäste und Tagestouristen. Eine großzügige Förderung des Braunschweiger Regionalverbandes hatte die neue Linie möglich gemacht. Für einen dreijährigen Pilotzeitraum wurden bis zu 75 Prozent der Verluste übernommen – höchstens jedoch 100.000 Euro per anno.

Wunsch und Wirklichkeit

Den Rest sollte die städtische Busgesellschaft tragen. Die habe darauf gesetzt, die Eigenbeteiligung durch Fahrkartenverkäufe gering zu halten, und sei von 20.000 bis 40.000 Nutzern pro Jahr ausgegangen. „Tatsächlich hatte die Welterbe-Linie zirka 40.000 Fahrgäste – allerdings nicht pro Jahr, sondern während des gesamten Pilotzeitraums, der im August 2024 endete“, heißt es im Schwarzbuch. Das seien umgerechnet rund 36 Fahrgäste pro Tag bei – laut Fahrplan – bis zu 18 Fahrten täglich. Die meiste Zeit dürften die Busfahrer der Linie 809 ihre Runden allein durch Goslar gedreht haben.

Gerade einmal rund 9000 Euro an Einnahmen sollen laut Auskunft der Stadt im Dreijahreszeitraum zusammengekommen sein. Viel zu wenig, um die insgesamt 600.000 Euro Kosten, die im gleichen Zeitraum entstanden, auch nur ansatzweise aufzuwiegen. Abzüglich kleinerer Spenden, die Stiftungen zugunsten des Welterbeshuttles geleistet hätten, beläuft sich der von den Steuerzahlern auszugleichende Verlust auf rund 577.000 Euro. Wenig überraschend habe sich der Rat daher einstimmig gegen eine Verlängerung entschieden.

Benders mahnende Stimme

Stimmt: Denn schon viel früher war aufgefallen, wie wenig Menschen in den Bussen saßen: Bereits im April 2022 prangerte der damalige Goslarer CDU-Chef und Ratsherr Axel Bender an: „Es wird warme Luft mit teurem Diesel-Kraftstoff in großen Bussen durch die Stadt transportiert – das kann nicht im Sinne von Klimaschutz sein und kostet viel Geld.“
Später wird der Bus kleiner. Die Fahrgastzahlen steigen trotzdem nicht.

Später wird der Bus kleiner. Die Fahrgastzahlen steigen trotzdem nicht. Foto: Stadtbus (Archiv)

Corona-Auflagen, ein schon im Sommer 2020 bestellter, aber noch nicht gelieferter Kleinbus, die um mehrere Monate verzögerte Öffnung des Welterbezentrums: Für die Stadt listete die damalige Sprecherin Vanessa Nöhr einige Widrigkeiten gerade in der Anfangszeit auf. Sie schrieb aber auch: „Wir haben seit Einführung des Shuttles viele positive Rückmeldungen bekommen und sind sehr zuversichtlich, dass sich die Fahrgastzahlen mit der Eröffnung im Frühjahr über den weiteren Projektzeitraum sehr positiv entwickeln werden.“

Kostenfreies Parken am Rammelsberg

Taten sie aber nicht. Und dabei sei schon frühzeitig absehbar gewesen, meint der Steuerzahlerbund, dass das Shuttle zum Flop würde. Schließlich gebe es mit der Buslinie 803 bereits eine etablierte Direktverbindung im 30-Minuten-Takt zwischen Innenstadt und Rammelsberg. Und im Gegensatz zur Linie 809 halte diese sogar am Bahnhof – wohl der Ort, wo die meisten Tagestouristen ankommen, die die Welterbestätten per ÖPNV erkunden möchten. Die Touristen, die im Auto anreisten, nutzten „wenig überraschend“ weiterhin die zahlreichen, großenteils kostenfreien Parkmöglichkeiten direkt am Rammelsberg. Das sei auch naheliegender, als den Pkw kostenpflichtig in der Innenstadt zu parken, um anschließend einen Shuttle-Fahrschein zu lösen.

Der Bund der Steuerzahler kritisiert explizit: „Es ist legitim, sich Gedanken darüber zu machen, wie touristische Hotspots attraktiv an den ÖPNV angebunden werden können. Allerdings sollte sich ein neues Angebot auch an den Bedürfnissen und dem Verhalten potenzieller Nutzer orientieren. In Goslar hat man stattdessen einfach drauflos geshuttlet und aufs Beste gehofft.“

Aussagen damals und heute

In einer Manöverkritik nach der Einstellung des Shuttles hieß es von Stadtbus- und Rammelsberg-Seite unter anderem, dass zwei große Baustellen innerhalb des Projektzeitraums wenig förderlich gewesen seien: Zunächst war der Ring um Goslar betroffen, dann das Breite Tor. Jedes Mal musste die Wegeführung geändert werden, denn die eigentliche Innenstadtrunde vom Osterfeld aus durchs Breite Tor und durch die Altstadt zum Rammelsberg funktionierte in der Zeit nicht.

Bei der Projektierung sei man zudem noch davon ausgegangen, dass der Pfalzparkplatz wegfallen würde – durchaus ein Argument für ÖPNV. Doch es kam bekanntlich ganz anders: Der Ausbau des Pfalzquartiers verzögerte sich, die Parkplätze standen weiter zur Verfügung.

Was sagen die Akteure heute? „Es war ein Pilotprojekt, das das Welterbe fördern sollte, aber einfach nicht angenommen wurde“, sagt Stadtbus-Chefin Anne Sagner. Man habe reagiert und es eingestellt. Darin weiß sie sich einig mit dem Ersten Stadtrat und Kämmerer Dirk Becker, der Sagners Aussage nur unterstreichen kann.

Das Kattenberg-Desaster

Zuletzt hatte der Bund der Steuerzahler 2020 gegen Goslar ausgeteilt und beim umstrittenen Kattenberg-Deal unter Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk (CDU) „gravierende Versäumnisse bei der Gestaltung des Kaufvertrages mit der Klosterkammer Hannover“ ausgemacht. Am Ende habe der Steuerzahler ordentlich draufgezahlt: 2,8 Millionen Euro, die sich die Stadt Goslar sowie die N-Bank teilen müssen. In der Regel würden Städte mit dem Verkauf von Grundstücken „gutes Geld“ verdienen. Goslar habe die belastete Kattenberg-Fläche mit Landesmitteln selbst sanieren wollen, um einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Am Ende sei aus diesem „Schachzug“ jedoch ein finanzielles Debakel geworden, weil der Boden viel stärker belastet war, als zunächst vermutet.

Der teuer versorgte Schwerin

Seit diesem Fall hatte nur noch Sascha Schwerin mit Vergangenheit im Landkreis Goslar 2023 den Unwillen der Steuerwächter auf sich gezogen. Der ehemalige Kämmerer von Clausthal-Zellerfeld war im Januar 2022 im Flecken Bovenden Erster Gemeinderat geworden. Bereits nach anderthalb Jahren der eigentlich acht Jahre währenden Amtszeit wählte ihn der Gemeinderat aber wieder ab. Alle 28 anwesenden Ratsmitglieder votierten für seine Abwahl – mit sofortiger Wirkung, weil das Vertrauensverhältnis „nicht mehr gegeben“ sei. „Kurze Amtszeit, üppige Versorgung“, hatte der Steuerzahlerbund getitelt und moniert, dass die Ortschaft für den Versorgungsaufwand „im ungünstigsten Fall“ bis Ende 2029 etwa 470.000 Euro aufwenden müsse.

Förderwahnsinn

Klare Worte vom Steuerzahlerbund, die das bestätigen, was alle Goslarer drei Jahre lang gesehen haben, die Entscheider aber nicht richtig glauben oder zugeben wollten: Das Welterbeshuttle mag eine gute Idee gewesen sein, hat aber am Ende nur Geld verbrannt. Vielleicht ziehen Bund und Land die richtigen Lehren? Goslars Kämmer Dirk Becker, der als Libero der Stadtverwaltung nicht selten ebenfalls Dinge gesundbetet, die anderen eher als Groschengrab ins Auge fallen, hat ja am Ende Recht mit seinen zuletzt fast gebetsmühlenartigen Kommentaren zur Haushaltslage der Kommunen. Kappt die Förderprogramme mit teils unsinnigen Kriterien. Oder stutzt sie wenigstens! Und gebt das Geld den Städten und Gemeinden ohne Auflagen. Sie wissen schon, wo es am besten angelegt ist.

Förderwahnsinn
Die Redaktion empfiehlt
Weitere Themen aus der Region