Ratsmehrheit segnet die Reform der Goslarer Stadtverwaltung ab

Ein Reform-Knackpunkt: 2027 soll das Gebäudemanagement als Eigenbetrieb aufgelöst werden und als eigener Geschäftsbereich in die Kernverwaltung zurückkehren. Foto: Heine (Archiv)
Lange gestritten, am Ende wird es knapp: Zwiegespaltene Christdemokraten geben am Ende den Ausschlag, dass der Rat eine neue Struktur für Goslars Verwaltung auf den Weg bringt.
Goslar. Die Stadtverwaltung bekommt eine neue Struktur. In drei Phasen gibt sie sich ab Anfang 2026 bis Anfang 2028 ein neues Gesicht. Für den über den Sommer nachgebesserten Vorschlag der Verwaltungsspitze gingen am Montag 22 Finger von SPD, FDP und fünf Christdemokraten hoch. Der Rest des Rates votierte dagegen und kam auf 14 Stimmen.
Zu den 14 Gegnern der Verwaltungsreform zählte auch das CDU-Trio Ralph Bogisch, Maik Jankowsky und Bengt Kreibohm. Zu den Nein-Sagern gesellte sich zudem der frisch aus der Fraktion ausgetretene Christdemokrat Axel Bender. Der Finanzausschussvorsitzende Dr. Pascal Bothe fehlte am Montag. Das Stimmverhalten belegt, wie schwer sich gerade die CDU mit ihrer Entscheidungsfindung tat. Aber hatten nicht ausgerechnet die Christdemokraten die Organisationsuntersuchung der Verwaltung mit ihrem Antrag angeschoben? Das Ergebnis überzeugte offenkundig nur die Hälfte von ihnen, obwohl mit den Wirtschaftsprüfern von „PricewaterhouseCoopers“ (PwC) weiß Gott keine No-Names für 235.620 Euro in Goslar am Start waren.
Start im August 2024
„Ein Gutachten mit Zündstoff“ titelte die GZ schon, als die Verwaltungsspitze die PwC-Kernempfehlungen im August 2024 öffentlich machte. Die Reibungspunkte waren schnell ausgemacht: Die Kultur sollte ausgerechnet in der Weltkulturerbestadt Goslar (wieder) in einem Geschäftsbereich mit dem Bürgerservice aufgehen. Das Goslarer Gebäudemanagement (GGM), zwei Jahrzehnte lang als Eigenbetrieb unterwegs, sollte zurück in die Kernverwaltung geholt und in einem riesigen Baubereich landen. Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner (SPD) und Erster Stadtrat Dirk Becker legten nach Ostern ihren ersten Vorschlag vor. Nach intensiven Beratungen in den Fachgremien fand sich keine Mehrheit, zumal auch das Rechnungsprüfungsamt urplötzlich mit massiven Bedenken dazwischengrätschte. Im Juni stoppte Schwerdtner den ersten Anlauf. Jetzt ging der zweite Versuch durch.
Alles gut? Mitnichten. Schwerdtner hätte sich zweifelsohne eine breitere Mehrheit gewünscht. Für diese wichtige Entscheidung habe man sich extra viel Zeit genommen, um tragfähige Lösungen mit klaren Strukturen und besseren Verzahnungen zu finden. „Die Verwaltung muss so aufgestellt sein, dass sie die Aufgaben der Zukunft bewältigen kann“, sagte die Chefin. Sie erinnerte daran, dass sich bis 2035 sage und schreibe 38 Prozent aller Mitarbeiter in den Ruhestand verabschieden – den Fachkräftemangel nicht zu vergessen.
„Wir verlieren weitere Jahre“
Ihr Parteifreund Martin Mahnkopf riet dazu, Luft aus der Debatte herauszunehmen. Neben Strukturen gehe es im Prozess „vor allem um Unternehmenskultur und Menschen“. Als Vorsitzender des Kulturausschusses wisse er um die Sorgen der Kulturschaffenden und nehme sie ernst. Wenn aber Kultur und Pädagogik näher zusammenrückten, müsse dies kein Nachteil sein. Im Gegenteil: „Kulturvermittlung ist auch Bildungsaufgabe“. Er warnte vor weiteren Umwegen bei der Reform: „Wir verlieren weitere Jahre.“ Dabei brauche Goslar „schnellere Entscheidungen bei mehr Transparenz“. Es gehe darum, Kompetenzen statt Hierarchien herauszubilden, Talente zu fördern und am Ende die Bürger stolz zu machen.
Schwierigster Erklär-Part
Den schwierigsten Erklär-Part hatte Norbert Schecke für eine zwiegespaltene CDU-Fraktion. Eine Organisationsuntersuchung sei eben „kein Gewinnerthema“. Der Prozess habe lange gedauert, sei in der Wirtschaft aber „völlig normal“. Effizienter, flexibler, bürgernäher und zukunftsfähig – das soll die Verwaltung werden. Er sehe Oberbürgermeisterin und Ersten Stadtrat jetzt in der Verantwortung, dass dies gelinge. Was das Duo ausgebrütet hatte, habe einige Mitglieder seiner Fraktion jedoch nicht überzeugt. Ein begleitendes Controlling müsse nun die beabsichtigten Prozesse sicherstellen.
Grüner Gegenwind
Die Grüne Partei 42 habe nur mit Bauchschmerzen für eine Organisationsuntersuchung gestimmt. „Heute halte ich das für einen Fehler“, erklärte die Grüne Anke Berkes. Detaillierte Prozessanalysen gebe es nicht, Folgekosten seien nicht ermittelt. Den Fachbereich Kultur in eine „viel zu große“ Einheit einzugliedern, sei ein „fatales Signal an Kulturschaffende und die Unesco“. Ergo: „Was als Tiger gestartet ist, ist als Bettvorleger gelandet.“ Ihre Kritik fand FDP-Mann Stephan Kahl, der kurzfristig für Fraktionschef Christian Rehse eingesprungen war, „nachvollziehbar“, die Ergebnisse seien „überschaubar“. Aber Goslar müsse sich für demografische Herausforderungen „fit machen“ und den Verteilungsschlüssel von Verwaltungspersonal und Bürgern mit Augenmaß gestalten.
Die Kritik der Rechnungsprüfer
Dirk Straten (AfD) vermisste ebenfalls Zahlen, wo und wie Goslars Bürger profitierten. „Das liest sich alles gut, überzeugt uns aber nicht“, sagte er und hatte eine Demotivation aller Mitarbeiter in Eigenbetrieben ausgemacht. Eine 20-jährige Erfolgsgeschichte werde ebenso ignoriert wie die Bedenken des Rechnungsprüfungsamtes. Im zweiten Punkt wusste er sich einig mit der Grünen Berkes vorher und Michael Ohse nach ihm. Der Linke wiederholte frühere Grundsatzkritik, dass Wirtschaftsprüfer bei einem eher dezentralen Gebilde stets das Zentralisieren forderten. Und umgekehrt. „Das hätten wir auch selbst aus eigener Kraft schaffen können“, war er überzeugt. Eigeninitiative und eigenverantwortliche Arbeit werde nicht gefördert. Und wie soll überhaupt ein solch riesiger neuer Stadtbetrieb gesteuert werden?
Wie Ohse, der das „Gutachter-Unwesen“ treffend auf den Punkt gebracht habe, erkannte auch Ratsroutinier Henning Wehrmann (Bürgerliste) ein bestimmtes Muster. Er habe schon etliche Verwaltungsreformen mitgemacht. „Es werden sündhaft teure Gutachten in Auftrag gegeben“, holte Wehrmann aus. Später würden die Empfehlungen nur teilweise umgesetzt, der Rat stimme mit obligatorisch zu Protokoll gegebenen Bauchschmerzen zu – „und die vom Gutachter prognostizierten Verbesserungen stellen sich regelmäßig nicht ein, und alles geht seinen gewohnten, bürokratischen Gang“. Bis zur nächsten Reform.
Das Nein der Fraktionslosen
Zuletzt hatten die beiden Fraktionslosen das Wort. Niklas Prause gab sich als Individuum ähnlich zwiegespalten wie die CDU-Fraktion. Nicht alles sei grundsätzlich schlecht – etwa der Akzent auf Digitalisierung. Aber bei der Kultur, wo vielleicht nicht alles Gold, aber doch Messing sei, was glänze, seien die Argumente zu dünn und zu viele Konjunktive im Spiel. Und mit Blick auf das Sammeln der übrigen Eigenbetriebe unter künftig einem Dach fragte er: „Warum dort Arbeit machen, wo es eigentlich gut läuft?“. Axel Bender dankte für das Ansetzen einer Sondersitzung angesichts einer einstündigen Debatte. Es fehle der Reform eine Kostenstruktur. Das Personal sei ein nicht quantifizierbarer Faktor.
Ende der Debatte – Ratsvorsitzender Manfred Dieber (SPD) ließ abstimmen und hatte prompt mit dem Quantifizieren der Meldungen Mühe. Der Linken-Zahlenfuchs Michael Ohse brachte zumindest diesen Prozess zu einem sicheren Ende. Über einen Änderungsantrag der Grünen Partei 42 wurde nach kurzen Irritationen letztlich doch nicht mehr abgestimmt.
Jetzt darf geliefert werden
Nach dem Stillstand im Juni ist der Rat nach langem Anlauf jetzt doch gesprungen und hat eine neue Verwaltungsstruktur beschlossen. Mit der Kommunalwahl 2026 voraus und dem Beratungshickhack aus fachlichen und menschelnden Gründen als Ballast hatte ich der Politik diesen Hopser in der Tat nicht (mehr) zugetraut. Am Ende steht jetzt ein PwC-Modell light, das Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner und Erster Stadtrat Dirk Becker auf Erfolgskurs bringen sollen. Besser müssen. Sie stehen in Verantwortung.
Sorge um Wandel im Job
Nur am Rande und vielleicht auch deshalb, weil der sonst stets mahnende und privatwirtschaftliche Aspekte ins Feld führende Vorzeige-Liberale Christian Rehse am Montag coronaerkrankt fehlte: Bei aller Diskussion um den Stellenwert von Kultur und das Zurückholen des Gebäudemanagements in die Kernverwaltung darf festgehalten werden, dass durch die Verwaltungsreform niemandem der Verlust seines Arbeitsplatzes droht. Auch und gerade in der Einwohnerfragestunde klangen immer wieder Befürchtungen und Belastungen durch, die durch Wandel im Job entstehen könnten. Ja, deswegen soll laut Personalchef Oliver Kasties später jemand in einem sogenannten Changemanagement offenkundig auch Seelen streicheln.
Seelenstreicheln für die Stadt
Mit Verlaub – lassen wir die Kirche im Dorf: Ein krisensicherer Job mit zuletzt vergleichsweise üppigen Tarifabschlüssen sollte in Zeiten wie diesen zumindest Grundmotivation sein, sich ins Zeug zu legen und nach Kräften abzuliefern. Die große Mehrheit der Goslarer Beamten und Angestellten in der Verwaltung tut dies zweifellos auch. Es geht aber am Ende um der Stadt Bestes und nicht um des Stadtamtmanns Bestes. Und da darf gern jeder, auch die Politik, zwischendurch besagte Seelen streicheln und loben, wo Leistung gezeigt und Arbeit gemacht wird. Vielleicht fallen solchen weichen Faktoren wie Wertschätzung (zu) oft hinten runter…
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