Oberharzer Historiker über Vampire: Müssen sie Steuern zahlen?
Während wir die Existenz von Vampiren für Aberglauben halten, ist sie für einfache Menschen in abgelegenen Dörfern im Balkan offenbar bis heute noch real. Foto: Driessen/dpa (Symbolfoto)
Im zweiten Teil der GZ-Halloween-Serie erklärt der Oberharzer Historiker Dr. Frank Schuster, warum Vampire im Balkan Angst verbreiteten und welche Beerdigungsriten die Bauern erfanden. Er geht auch der Frage nach, ob Untote Steuern zahlen müssten.
Clausthal-Zellerfeld. Dr. Frank Schuster lebt in Clausthal-Zellerfeld, stammt aber ursprünglich aus Transsylvanien. Kein Wunder also, dass sich der Osteuropahistoriker, Literatur- und Kulturwissenschaftler mit Vampiren beschäftigt. Im ersten Teil der GZ-Serie widmete er sich Graf Zahl, einer Art Supervampir. Jetzt geht es um historische Hintergründe und die Ursprünge des Vampirglaubens.
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Aufgrund seiner Herkunft wurde Schuster, besonders in den USA, oft gefragt, ob es Vampire wirklich gebe. „Als Osteuropahistoriker und Literaturwissenschaftler wollte ich eine vernünftige Antwort geben“, erklärt er. Tatsächlich wusste außerhalb Südosteuropas bis ins 18. Jahrhundert kaum jemand von diesen Wesen. Unter der christlich-orthodoxen Bevölkerung war der Glaube weit verbreitet, dass Leichen nach dem Tod Menschen oder Vieh das Blut aussaugen könnten, wenn sie nicht in den Himmel gelangen. Solche Vorstellungen halfen, plötzliche Todesfälle zu erklären – lange bevor Robert Koch Bakterien und Viren entdeckte.
Erklärung für erotische Träume
Vampire erschienen laut Schuster meist den Sterbenden im Schlaf. Sie setzten sich wie Alpträume auf sie und würgten sie, bis sie „den Geist aufgeben mussten“. So stand es in einem Brief von 1725, in dem das Wort „Vampyr“ erstmals schriftlich erwähnt wurde. Manchmal erklärten Historiker auch erotische Träume oder ungewollte Schwangerschaften durch Vampire. In manchen Berichten hatten Vampire sogar Sex mit Hinterbliebenen, da sie noch über ihren Körper verfügten und nicht nur Geister waren.

Die Zeichnung von Johann Wilhelm Meil aus dem Jahr 1790 ist laut Frank Schuster die erste Illustration einer Exhumierung eines vermeintlichen Vampirs durch Militärärzte. Foto: J.W.M. "Die Vampyren"
Der Historiker recherchierte, dass schon kleine Fehler fatale Folgen haben konnten. Wurden die Rituale nicht korrekt ausgeführt und etwa Schuhe vergessen, konnten die Toten angeblich als Vampire zurückkehren. Die Hinterbliebenen litten unter Alpträumen und schlechtem Gewissen, manchmal entstand sogar eine Dorfhysterie. Leichen wurden exhumiert, gepfählt und verbrannt, um die mysteriösen Todesfälle zu stoppen. Dabei wussten die Menschen damals nur sehr wenig über Verwesung. Sie beobachteten zwar die Geschwindigkeit an der Luft, unterschätzten aber, wie langsam sie unter der Erde ablief. Ein Vampir, ein kaum verwester Leichnam, fand sich dann fast immer. Falls die unerklärlichen Todesfälle dennoch kein Ende fanden, suchte man auf dem Friedhof weiter nach Vampiren.
Hitzige Debatten in Wien
Mitte des 18. Jahrhunderts erreichten Berichte über Vampire, verfasst von Verwaltungsbeamten, Adligen und Militärärzten, den kaiserlichen Hof in Wien. Auf Flugblättern – Schuster nennt sie die sozialen Medien der damaligen Zeit – verbreiteten sie sich in ganz Europa. Das führte zu hitzigen Debatten unter Universitätsgelehrten, Theologen, Politikern und Militärstrategen. Diskutiert wurde nicht nur, ob Vampire real seien, sondern auch, ob sie über den Tod hinaus Steuern zahlen oder Militärdienst leisten müssten. 1755 verbot die österreichische Kaiserin Maria Theresia, die auch nicht an Hexen und Zauberer glaubte, nach eingehender Prüfung diese „abscheulichen Abergläubigkeiten und unverantwortlichen Illegalitäten“. Doch der Glaube der Bevölkerung änderte sich kaum. Künftig wurden die Behörden nun einfach nicht mehr informiert, wenn ein Vampir umging.
Selbst heute tauchen in abgelegenen Dörfern des Balkans noch Berichte in der Presse über angebliche Vampire auf, deren Leichen exhumiert und gepfählt werden. „Was wir immer noch für Aberglauben halten, ist für einfache Menschen in abgelegenen Dörfern Serbiens oder Rumäniens offenbar bis heute noch real“, sagt Frank Schuster. „Das alles hat aber wenig mit den aristokratischen Vampiren zu tun, die wir aus Filmen kennen. Deren Geschichte ist eine ganz andere.“
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