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In schwindelerregender Höhe

GZ Plus IconDeutscher Rekord: Fünf Slackliner balancieren über das Okertal

Nicht alle schafften es, die Strecke am Stück ohne Hinfallen oder Hinsetzen zurückzulegen.

Nicht alle schafften es, die Strecke am Stück ohne Hinfallen oder Hinsetzen zurückzulegen. Foto: Hans-Peter Ilge

Hochseilakt über dem Okertal: Zwischen der Halleschen Hütte und der Feigenbaumklippe liefen neun Sportler auf einem Seil. So weit oben über dem Abgrund balancierten sie.

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Von Petra Hartmann
Dienstag, 16.09.2025, 12:00 Uhr

Harz. In schwindelnder Höhe über das Okertal: Drei Vereine haben am Wochenende zusammen einen deutschen Rekord im Slacklining aufgestellt. Es geht um das Überqueren einer 1400 Meter langen Leine in 100 Metern Höhe. Der bisherige Rekord lag bei 656 Metern.

Das Laufen auf einer Slackline – also auf einer „schlaffen“ Leine aus Gurtband – ist eine Sportart ähnlich dem Seiltanzen. Ist diese schlaffe Leine in größerer Höhe angebracht, sprechen die Sportler von einer Highline, was auch bei dem jetzigen Seil der Fall war. Die Laufstrecke war zwischen der Halleschen Hütte und der Feigenbaumklippe gespannt. Ein Seil aus Dyneema, einer Kunstfaser, zweieinhalb Zentimeter breit und zwei Millimeter dick, ausgelegt auf Athleten von bis zu 90 Kilogramm Gewicht. Die drei veranstaltenden Vereine – die Konnektonauten, Slacklining Bremen und Slackline Mittelhessen – knüpften dazu ihre vereinseigenen Leinen zusammen, sodass jeder ein paar Hundert Meter zur Verfügung stellte.

Seiltransport mit Drohnen

Kein kleiner Aufwand für das ganz große Saugen in der Magengegend, das absolute Hochgefühl und die Adrenalinexplosion im Blut. Vier Tage Aufbau, einen Tag Laufen, vier Tage Abbau, rechnet Manik Esche von den Konnektonauten vor. Und das Hochziehen des Seils war selbst ein ausgesprochenes Geschicklichkeitsspiel. Das Aufbauteam flog zunächst mit einer Drohne eine sehr dünne Leine den Berg hinauf, an der Leine war eine dickere Leine befestigt und daran eine ausreichend starke, um an ihr die schwere Highline hochzuziehen. Mitgeholfen haben 17 bis 18 Leute beim Aufbau, beim Abbau waren zuletzt nur noch acht vor Ort.

Esche ist selbst über das Seil gelaufen, musste sich aber zwischendurch mehrfach hinsetzen, weshalb der Versuch auch nicht gewertet wurde. Für die Slackliner zählen nur vollständige Überquerungen ohne Sturz oder Hinsetzen unterwegs. „Die außergewöhnliche Länge stellte Athletinnen und Athleten sowie das Orga-Team vor besondere Herausforderungen“, sagt Esche. Immerhin war die Strecke mehr als doppelt so lang wie der bisherige Rekord.

Scheitern auf den letzten Metern

Esche nimmt es leicht, dass er die Strecke nicht „am Stück“ geschafft hat: Das habe er aber auch bei der Länge nicht erwartet. Ihm sei es mehr um die Verbesserung seines Tempos gegangen und generell um das Erlebnis. Nach 300 Metern sei er das erste Mal gefallen. Vor allem sei es eine mentale Frage, ob und wie man die Strecke durchhält. Der kritische Punkt? „Die meisten fallen auf den letzten zehn Prozent der Strecke“, weiß der Slackliner. Wenn das Ziel zum Greifen nahe ist, das andere Ende der Leine schon fast erreicht ... Dann tatsächlich aufrecht bis zum Ende weiterzumarschieren, das sei eine Frage der Konzentration, der mentalen Stärke. Die letzten 300 Meter seien für ihn die schwersten gewesen. „Wenn du nach einer Dreiviertelstunde die Hälfte erreicht hast und weißt, wenn du jetzt hinfällst und alle sehen es, da willst du dir auch nicht die Blöße geben, dass sie dich dann holen müssen“, sagt er. Danach, das Ankommen? Auf jeden Fall ein Hochgefühl. Und gleichzeitig völlig ausgelaugt und kaputt, fix und fertig. Irgendwie beides. Aber das Hochgefühl bleibt.

Fünf kommen durch

Die Seilläufer starteten abwechselnd, von beiden Seiten aus: Wer an der Halleschen Hütte losgelaufen war, klatschte nach einer bis anderthalb Stunden auf der anderen Seite an der Feigenbaumklippe ab und gab das Seil für den nächsten Athleten frei. Insgesamt stellten sich neun Teilnehmer dem Abenteuer. Vollständig geschafft ohne Stürze und In-die-Knie-Gehen haben es am Ende fünf Athleten, und nur deren Leistung wird auch gewertet: Akim Kushnerovich (Bremen), Gregor Lawrenz (Dresden), Moritz Hollich (Gießen), Luise Kühne (Rosenheim) und Jens Decke (Kassel).

Passieren konnte aber nichts, betont Esche. Slackliner sind in dieser Höhe prinzipiell immer gesichert. Sie sind durch ein Halteseil mit der Highline verbunden, außerdem gibt eine weitere Leine, die parallel zur Hauptleine verläuft, ferner mehrere Ankerpunkte. Ein Absturz sei also so gut wie unmöglich. Und während der gesamten Woche habe es nur einen Verletzten gegeben. Dem war beim Aufbau ein umstürzender Holzbalken gegen den Kopf gestoßen. Es habe eine kleine Beule gegeben, aber sonst sei alles in Ordnung gewesen. Aus Gründen der Sicherheit mussten die Veranstalter denn auch die Aktion früher als geplant abbrechen. Starker Wind mit Böen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometern pro Stunde kündigte sich an. Also besser runter vom Seil.

Freude über neuen Rekord

Was bleibt, ist das Bewusstsein, einen neuen deutschen Rekord geschaffen zu haben, der wohl auch so schnell nicht wieder eingestellt werden wird. „Mit dieser Highline wollen wir zeigen, dass auch in Deutschland spektakuläre Projekte möglich sind – nicht nur in den Alpen. Der Harz bietet eine einzigartige Landschaft und ideale Bedingungen für diesen Rekordversuch. Dass wir mehr als das Doppelte des bisherigen deutschen Rekords wagen konnten, ist ein starkes Signal für den Slacklinesport in Deutschland“, sagte Ruben Langer von den Konnektonauten.

Schließlich zogen die drei Vereine ihre 1400-Meter-Leine wieder ein, und jeder nahm seine Seile wieder mit nach Hause. Ein dicker Dank ging an die Landesforsten, die die Aktion auf ihrem Gelände erlaubten. Die Slackliner hätten auch keine Zerstörungen angerichtet und die Regeln des Umweltschutzes beachtet. Beschränkungen gab es lediglich bei der Zufahrt, hier durfte nur eine begrenzte Zahl an Wagen passieren. Wie es weitergeht? Als Nächstes ist ein Projekt in Rumänien geplant, das über eine zwei Kilometer lange Strecke führt. Und im Harz werden die Slackliner sicher auch noch das eine oder andere Seil spannen.

Nicht alle schafften es, die Strecke am Stück ohne Hinfallen oder Hinsetzen zurückzulegen.

Nicht alle schafften es, die Strecke am Stück ohne Hinfallen oder Hinsetzen zurückzulegen. Foto: Hans-Peter Ilge

Beim Aufbau der Highline.

Beim Aufbau der Highline. Foto: Hans-Peter Ilge

Blick in die Tiefe: Dieser Versuch wurde nicht gewertet.

Blick in die Tiefe: Dieser Versuch wurde nicht gewertet. Foto: Hans-Peter Ilge

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