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Die GZ schaut hinter die Kulissen

GZ Plus IconSehusafest in Seesen: Einblicke in das größte Historienfest

Die Burg wird auch mit Wasser verteidigt.

Die Burg wird auch mit Wasser verteidigt. Foto: Biener

In Seesen tobt an diesem Wochenende das 49. Sehusafest. Die GZ schaut bei den Landsknechten hinter die Kulissen.

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Von Andrea Leifeld
Sonntag, 07.09.2025, 16:00 Uhr

Seesen. Es ist das größte Historienfest in Norddeutschland und erfasst alljährlich am ersten Wochenende im September die Nordharzregion, getragen von historischem Wissen, Reenactment-Darbietungen (Anm. d. Reaktion: so werden Nachstellungen und Inszenierungen konkreter geschichtlicher Ereignisse genannt) und Tausenden Besuchern. Am Wochenende tobte die 49. Auflage des Sehusafestes und erfasste das Seesener Stadtgebiet.

Eingebunden sind alljährlich viele Hundert ehrenamtlichen Helfer, die mit ungebrochenem Eifer, großer Leidenschaft und viel Erfahrung den Gästen die Geschichte ihrer Stadt zeigen. Ohne sie ginge es nicht. Aber wer sind diese Leute? Die GZ schaute im Lager der Landsknechte vorbei.

Hoch zu Ross erfolgt die Eroberung der Burg.

Hoch zu Ross erfolgt die Eroberung der Burg. Foto: Biener

Und da ist wie bei vielen anderen Veranstaltungen auch: Am Anfang steht die Feuerwehr. Retten-löschen-bergen-schützen, musizieren … und im Seesener Sehusa-Getümmel können sie sogar Landsknechte sein. Wer hätte das gedacht? So waren die streitbaren Mannen und Mägde auch am Wochenende im Einsatz, um leckeres Biergesöff, frisches Brot, deftig gebratenes Fleisch und Harzer Käse ans gierig herbei strömende Gesinde gegen harte Silbertaler zu verteilen.

Die Mittelalterband Bene Vobis erfreut das Volk am Samstag mit lieblichem Spiel.

Die Mittelalterband Bene Vobis erfreut das Volk am Samstag mit lieblichem Spiel. Foto: Leifeld

Doch Hand aufs Herz: Was wäre das Sehusafest ohne jene ehrbaren Recken, die diese Veranstaltung mit ehrenamtlicher Tat und eingebrachter Muskelkraft ermöglichen? Ein altgedienter Landsknecht – und bereits von Anfang an dabei – ist Axel Groth. Schon beim ersten Sehusafest 1975 kämpfte er als junger Bursche an der Seite seines Vaters und konnte dem Leben als munterer Landsknecht seither nicht mehr entsagen. Auch nicht, als der Ehrbare die hübsche Marketenderin Birgit ehelichte und fernab in der Gemeinde Liebenburg sesshaft wurde. Die Teilnahme am Sehusafest lässt ihn das aber nicht nehmen. Marketenderinnen sind Frauen, die damals militärische Truppen begleiteten und diese mit Waren des täglichen Bedarfs versorgten. Sie waren auch für die Verpflegung und medizinische Versorgung der Soldaten zuständig.

Im Lager der Landsknechte bieten Mara Bettner (2.v. r.) Gesöff und Deftiges für das zahlungskräftige Volk.

Im Lager der Landsknechte bieten Mara Bettner (2.v. r.) Gesöff und Deftiges für das zahlungskräftige Volk. Foto: Leifeld

„Es lässt sich für einen Außenstehenden kaum erahnen, wie viel Vorbereitung in dem Festwochenende steckt“, erklärt Groth. Bereits am Dienstag vor dem Fest beginnen die Landsknechte ihren Verkaufsstand zwischen der Burg Sehusa und dem Rathaus zu errichten.

Spagat zwischen alt und neu

„Alles soll mittelalterlich ‚alt‘ aussehen, aber alle erdenklichen neuen Auflagen müssen wir einhalten“, seufzt Gerd „Landsknecht“ Dörnert darüber. Sogar elektrisches Licht ist am Stand verboten. Auch er ist von Anfang an dabei. Die Liebe zum Sehusafest hält eben ewig. „Nur einmal war das Fest ohne mich. In dem Jahr, wo ich einen Herzinfarkt hatte“, erzählt der 73-Jährige und lacht. Da fehlte er dann tatsächlich entschuldigt. Über viele Jahre war er auch der Hauptmann der Landsknechte, reichte den Staffelstab aber längst weiter und trat in die zweite Reihe zurück.

„Mein Opa war auch Gründungsmitglied“, sagt die 29-jährige Marketenderin Mara Bettner und tritt aus der Dunkelheit in den Feuerschein der Petroleumlampe. Inzwischen ist ihr Papa der Hauptmann. Irgendwann wurde sie gefragt, ob sie mitmachen wolle. „Was soll ich an so einem Wochenende zu Hause? Meine ganzen Freunde sind doch hier?“ Ja, das Sehusa-Fieber grassiert seit Jahrzehnten in Seesen und befällt ganze Familien. Inzwischen ist auch ihre Schwester Lea dabei.

In Klang der Trommeln geht es auf das Schlachtfeld.

In Klang der Trommeln geht es auf das Schlachtfeld. Foto: Biener

„Es gibt den Historienverein zu Seesen e.V. als Hauptverein, von dem wir, der `Verein der Landsknechte und Marketenderinnen des Sehusafestes zu Seesen´ eine Untergruppe sind“, erklärt Bettner weiter. Allein diese Gruppe zählt 80 Mannen und Mägde als Mitwirkende. „Auch unsere Kostüme nähen wir selber.“

Fahrendes Volk und Wotans Wölfe

Und so wie diese gibt es viele weiter Gruppen: Die Laienspielgruppe „Die Sage von Silberhohl“, „Die Schildautaler“, die „Sehusa Musketiere“, das „Fahrende Volk“, die „Sehusa Reiter“ und die Söldnertruppe „Wotans Wölfe“ – nur um einige zu nennen

Auch der historische Hintergrund passt: Das Söldnerheer der Landsknechte zog im Dreißigjährigen Krieg(1618 – 1648) mit seinen Pieken und Hellebarden (Hiebwaffe) gemeinsam mit den Musketieren und Kanonieren an der Seite des Feldherren Tilly durchs Land. Im August 1626 rasteten sie in Seesen, bevor sie im Lutterbecken bei Nauen auf das Heer des Dänenkönigs Christian VI. trafen und es dort am 27. August 1626 zur berühmten „Schlacht bei Lutter am Barenberge“ kam. Nebenbei: Mit rund 40.000 Soldaten und zwischen 4000 bis 8000 Toten war die Schlacht bei Lutter in jenem Krieg eine der blutigsten Auseinandersetzungen.

Da wird es auch mal laut, im Kampf mit Kanonendonner und Vorderladern.

Da wird es auch mal laut, im Kampf mit Kanonendonner und Vorderladern. Foto: Biener

Soweit lassen es die Bier verkaufenden Landsknechte aber nicht kommen: „Zu 80 Prozent besteht unsere Gruppe aus Feuerwehrmitgliedern. Aber das ist nicht verpflichtend“, verweist Gerd Dörnert auf das harmonische Fest und den aufrechten Recken neben ihm, Frank Hesse. Er sei beispielsweise kein Mitglied der Feuerwehr.

„Wir sind ein Team. Jeder hat seine Aufgaben. Die Alten nehmen die Jungen mit. Das ist total genial und kreativ. Die Tage um das Sehusafest machen Spaß und von uns möchte sie niemand missen“ ist auch Hesse vollen Lobes.

Im Lager der Landsknechte bieten Mara Bettner (2.v. r.) Gesöff und Deftiges für das zahlungskräftige Volk.

Im Lager der Landsknechte bieten Mara Bettner (2.v. r.) Gesöff und Deftiges für das zahlungskräftige Volk. Foto: Leifeld

Mit den Einnahmen aus dem Verkauf werden die Ausgaben für das nächste Fest bestritten, heißt: Die Kostüme werden hergestellt und der Verkaufsstand instandgehalten. „Im vergangenen Jahr hatten wir einen größeren Schaden am Gebälk und an der Plane. Da musste viel neu gemacht werden“, erinnert Axel Groth.

Aber auch die Werbung soll nicht zu kurz kommen: Bei den Landsknechten (und natürlich auch bei der Feuerwehr) mitmachen kann jeder, der Interesse an der Darstellung jener historischen Zeit im Dreißigjährigen Krieg hat. Kommende Knechte können sich mit Hauptmann Thomas Bettner (Ortsbrandmeister Seesen) in Verbindung setzen.

Historische Kampfszene auf dem Schlachtfeld.

Historische Kampfszene auf dem Schlachtfeld. Foto: Biener

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