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Tränen, Musik und Sigmar Gabriel

GZ Plus IconDas „Rigoletto“ verabschiedet sich von seinen Goslarer Gästen

Zwei Männer und eine Frau lehnen über einen Tresen.

Wer guckt den da durchs Küchenloch? Koch Mimmo Carrozzo steht an der Schnittstelle zum Service mit Susanna und Alessandro Carrozzo vorn im Lokal. Foto: Heine

Zum Abschied sorgt Ehrenbürger Sigmar Gabriel für die Musik und eine Wasserstandsmeldung für gute Laune. Das Goslarer „Rigoletto“ ist Geschichte. Aber wie geht es weiter?

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Von Frank Heine
Montag, 22.12.2025, 18:00 Uhr
„Addio, Rigoletto“: Am kürzesten Tag des Jahres endet der wohl längste Abschied der Goslarer Restaurant-Geschichte. Eigentlich schon seit August zieht es sich hin, dass die Familie Carrozzo ihren vielen Freunden und ungezählten Stammgästen das Aus und seine Gründe erläutern muss. Am 21. Dezember, einem Sonntag, dem vierten Advent, öffnet sich die Tür des Lieblingsitalieners an der Spitalstraße das unwiderruflich letzte Mal. Es wird ein Abend mit Professionalität. Mit Emotionen. Mit Stimmungswechseln. Mit herzlichen Umarmungen. Mit fröhlichem Lachen und ansteckenden Tränen. Und mit Italo-Live-Musik der Braunschweiger Liberty Band, deren Gage der ehemalige Vize-Kanzler und Ehrenbürger Sigmar Gabriel als Abschiedsgeschenk springen lässt.
Mehrere Personen sitzen an einem langen Tisch in einem Restaurant, auf dem Gläser, Flaschen und ein Smartphone liegen.

Alte Falken-Freunde: Alessandro Carrozzo (hinten) freut sich am Tisch mit GSC-Präsident Burkhard Siebert (l.) sowie Dr. Anke und Sigmar Gabriel (v.re.). Dritter von links ist Langelsheims Oberschulenrektor Klaus Scheller. Foto: Heine

Seit Monaten rappelvoll

Der Laden ist voll wie schon seit Monaten. Kein einziger Platz mehr zu bekommen. Eine große englischsprachige Gruppe fragt freundlich an und bekommt ein ebenso freundliches „Leider nein“ zur Antwort. Wie oft haben Alessandro und Susanne Carrozzo eine solche Situation in den vergangenen Wochen erlebt, während Mimmo in der Küche sein Reich für die Herausforderungen des Abends ordnet? An allen Wochentagen, nicht nur an den Wochenenden, wie sonst schon fast programmiert. Ja, das „Rigoletto“ hat eben seine Fans. Gastlichkeit und gute Küche sind allseits bekannt und geschätzt. Wenn Menschen in einer Kleinstadt weitererzählen, wo sie sich stets willkommen und pudelwohl fühlen, ist das die beste Werbung.
Roter Motorroller mit schwarzem Sitz steht in einem Raum mit Fliesenboden neben einem Holztresen und einem Tisch mit Stühlen.

Seitenparker: Am letzten Abend muss die rote Vespa ihren Stammplatz räumen und thekennah stehen. Foto: Heine

Die Vespa wird umgeparkt

Für die letzte Schicht schaffen die Carrozzos mehr Platz. Die heiß geliebte rote Vespa weicht aus der Mitte und muss rechts schräg vor dem Tresen parken. Die Tische von draußen stehen, mit weißen Tischdecken gedeckt, beim Reinkommen halblinks. Hungrige Falken von einst sitzen rundherum auf den Stühlen, die schon zu ihren jungsozialistischen Zeiten das „Rigoletto“ noch an der Marktstraße als Lokal-Basis auserkoren hatten. Klaus Scheller, heute Rektor an der Oberschule in Langelsheim, half dereinst gern im Service und machte den Kellner. „Wir kamen immer ziemlich spät und blieben noch viel länger“, gibt Gabriel schmunzelnd zum Besten. Zum Ende, Aus und Abschied kommt er zusammen mit Ehefrau Anke und seinem Spezi Burkhard Siebert, GSC-Präsident und früher Goslars Erster Stadtrat, etwas später, weil zunächst kein Parkplatz zu finden ist. Das Musiker-Trio aus der Löwenstadt sitzt schon bereit und stärkt sich. Die Musik spielt erst nach dem Essen. Und ein paar Kehlen sind schließlich auch noch zu ölen.
Fünf Männer in Kochkleidung, zwei mit roten Schürzen, einer spielt Mandoline, sie stehen in einem Raum mit Garderobe im Hintergrund.

Abschied mit italienischer Musik (v.r.): Sänger Peter Florian von der Liberty Band gibt den Takt für die Brüder Alessandro und Mimmo Carrozzo, der guten Küchenseele Sanvatore Prezzavento und Susanna Carrozzo vor. Foto: Heine

Schwierige Gefühlslage(n)

Im Gastraum haben sich Susanna und Alessandro Carrozzo für den Abend Verstärkung geholt. „Am Mittag war Katastrophe“, verrät Susanna an einem Tisch. Ist heute wirklich der ultimativ letzte Tag? Am besten nicht dran denken. Noch nicht, bevor die Arbeit getan ist. Aber alle Gäste wollen natürlich quatschen, wertschätzen, wissen, ob und wie es weitergeht. Eine schwierige Gefühlslage. Aber Alessandro lächelt immer und überall sein Lächeln. Kann der Mann eigentlich mal schlechte Laune haben? Vielleicht, wenn sein Lieblingsverein Juventus Turin nicht so liefert, wie es der leidenschaftliche Fußballer und Tennisspieler gern hätte. Was das Kicken angeht, ist an diesem Wochenende alles gut. Die Dortmunder Borussen haben am Freitag die Gladbacher Borussen bezwungen. Das ist für ihn deshalb gut, weil sein Herz im deutschen Fußball für die Schwarzgelben schlägt. Da gibt es bei Gästen durchaus qualifizierte andere Meinungen. Oder ist es doch nur ein einziger Gast? Was wird es auch der GZ fehlen, wenn bei Welt- oder Europameisterschaften das „Rigoletto“ ein Hotspot war: Manchmal hat Italien verloren. Die anderen Male hat Deutschland gewonnen – kleiner Spaß. Ganz Goslar hofft, dass sich die Azzurri noch für die WM 2026 qualifizieren.
Gruppe von sieben Personen steht in einem Raum mit Weinflaschen und Dekoration, zwei halten gerahmte Fotos.

Gäste, die Geschenke bringen: Andreas und Beate Rotermund, Anette und Jörg Engels, Antje Woods sowie Andrea Mangold und Kai Labinski haben „Rigoletto“-Bilder von früher gerahmt und beschrieben. Foto: Heine

Die Anfänge an der Marktstraße

Jedenfalls die Freunde von Mimmo, Alessandro und Susanna Carrozzo. Und wer ist das an diesem Abend nicht? Andreas Rotermund ist Familienunternehmer, Aufsichtsratsvorsitzende der Goslar-Marketing-Gesellschaft und bringt aus Jerstedt zwei Bilder mit. Sie zeigen frühe Aufnahmen der Familie Carrozzo, die ebenfalls noch aus der Marktstraßen-Ära stammen. Dort hatte Mimmo, der – nur fürs Protokoll – eigentlich Cosimo heißt und gelernter Maschinenbauer ist, am 15. November 1987 sein Lokal aufgemacht und Goslar für sich entdeckt. Vorher war er schon acht Jahre in Deutschland beruflich unterwegs gewesen. Die Carrozzos stammen aus dem sonnigen Erchie mitten im Stiefel-Absatz in der Region Brindisi in Apulien. Aber das war am ganz Anfang.
Gruppe von sieben Personen, zwei halten gerahmte Bilder mit mehreren Personen darauf, eine trägt Kochkleidung mit roter Schürze.

Bilder-Schenker: Die Stammgäste lassen Aufnahmen von früher da. Foto: Privat

Zum Ende, um den Kreis zu schließen, ist eben jener Andreas Rotermund zusammen mit Ehefrau Beate Rotermund, Anette und Jörg Engels, Antje Woods sowie Andrea Mangold und Kai Labinski ein Bilder-Schenker. „Für das beste Serviceteam und den besten Koch“ steht auf den Präsenten geschrieben. Am Nebentisch will niemand widersprechen, wo Bodo Bartels mit einem Frauen-Quartett sitzt – auch er ein Gast aus ersten Tagen und nach einer Zeit in Bayern längst wieder ein „Rigoletto“-Gänger.
Gruppe von Menschen sitzt und steht um einen langen Holztisch in einem Restaurant mit Steinwand und Fliesenboden.

Auto-Treff am Abend vorher: In der Mitte von links freuen sich Alessandro Carrozzo, Harz-Leine-Serviceleiter Oliver Schröder, Mimmo Carrozzo und Werkstattleiter Naci Yilmaz mit Familie und Susanna Carrozzo ganz rechts. Foto: Heine

Der Automobilisten-Treff

Am Vorabend sagen andere Schon-Ewig-Gäste tschüss, lebt wohl oder auf bald. Die Automobilgruppe Harz-Leine ist zufällig, aber schon wieder doppelt vor Ort: Werkstattleiter Naci Yilmaz ist mit Familien da, Serviceleiter Oliver Schröder mit Freunden. Das Hosen-und-Jeans-Haus feiert betrieblich Weihnachten. Klar, wo die erste Adresse ist.
Mann in weißem Hemd und schwarzer Weste schenkt an gedecktem Tisch mit Sektflasche und Gläsern ein.

Lange ist es her: Wer hätte Mimmo Carrozzo beim Einschenken wiedererkannt? Foto: Privat

Süße Geschenke und ewige Freunde

Und jetzt? „Ein Leben ohne Rigoletto darf nicht sein, euch wiederzusehen, das wäre fein“, hatten schon vor einem Monat Bäckermeister Jürgen Braun und Ehefrau Petra auf einen kunstvoll verzierten Kuchen geschrieben – ein buchstäblich süßes Geschenk. Und – geht es weiter? Es sieht wohl nicht so schlecht aus. Mimmo hat wie berichtet nach 46 Jahren Gastro ein Recht auf und Bedürfnis nach Ruhe. Mit 64 Jahren hat er zwar noch nicht das Udo-Jürgens-Liederalter erreicht, nach dem das Leben erst anfängt. Aber er hört auf und sagt zum Schluss: „Das Rigoletto ist wie eine Plaza. Man trifft immer Freunde.“

Addio, Rigoletto!

Abschied bei Goslars Lieblingsitaliener.

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Foto: Heine

Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener.
Ein letzter Abend bei Goslars Lieblingsitaliener. Foto: Heine

Hoffnung auf eine baldige Lösung

Alessandro (53) und Susanna (49) liebäugeln nach allem, was die Gäste hören, mit einem Bistro-Format in der Innenstadt. Tagsüber. Kleiner. Aber wer weiß? Verhandlungen laufen, aber Verträge sind noch nicht unterschrieben, verrät Alessandro zum Wasserstand. Goslar drückt die Daumen, denkt an Weihnachten auch ein bisschen ans „Rigoletto“ (zurück) und wünscht: Buona fortuna per il futuro!
Fünf Personen stehen und sitzen an einer Bar mit gestapelten Tellern und Flaschen im Hintergrund.

Schnappschuss aus dem alten Domizil an der Marktstraße: Schwester Daniela, Pasquale (v.li.) sowie Alessandro Carrozzo (2.v.re.) freuen sich mit früheren Mitstreitern am Tresen. Foto: Privat

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