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Nach 12 Jahren Restaurierung

GZ Plus IconWorüber die Besucher in der Harzburger Lutherkirche jetzt staunen

Der Bereich unter der Orgel wird in den kommenden Tagen fertig. Zu erkennen sind die aufgemalten Quader.

Der Bereich unter der Orgel wird in den kommenden Tagen fertig. Zu erkennen sind die aufgemalten Quader. Foto: Schlegel

Dieser Tage endet eine weitere Restaurierungsphase in der Lutherkirche: Im Eingangsbereich wurden weitere Quensen-Malereien freigelegt. Die GZ hat geschaut, ob es dabei Überraschungen gab und was jetzt noch zur Vollendung des Gesamtkunstwerks fehlt.

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Von Holger Schlegel
Freitag, 01.08.2025, 08:00 Uhr

Bad Harzburg. Zwölf Jahre haben Restaurator Holger Windmann und sein Team bisher schon an den Quensen-Malereien in der Lutherkirche gearbeitet – jetzt nähert sich das Mammutprojekt der Zielgeraden. In diesen Tagen wird der Eingangsbereich unter der Orgelempore fertiggestellt. Und schon jetzt ist klar: Die Kirche hat ihr Gesicht grundlegend verändert.

Der beeindruckende Wandteppich an der Südwand.

Der beeindruckende Wandteppich an der Südwand. Foto: Schlegel

Zwölf Jahre sind ein langer Zeitraum – vor allem, wenn man bedenkt, dass der gesamte Bau einst in nur zwei Jahren vollendet war. Inklusive der Ausmalungen aus der Werkstatt von Adolf Quensen. Es handelt sich um farbkräftige, ornamentale Wand- und Deckenmalereien im neugotischen Stil, die Quensen Anfang des 20. Jahrhunderts entwarf. Und das nicht nur für die Lutherkirche. Quensen malte unter anderem auch im Dom St. Blasii in Braunschweig. Ebenfalls führte er Malerarbeiten in Kirchen in Helmstedt, Riddagshausen, Mariental, Runstedt und Waggum aus.

Millimeterarbeit ist gefragt

Aber Holger Windmann relativiert: Es sei natürlich damals für Quensen und seine Leute viel einfacher gewesen, auf die nackten Wände die Ornamente, Strukturen und Quader aufzumalen. Zumal Adolf Quensen, bei aller Wertschätzung, auch viel mit Schablonen gearbeitet habe. Die Ornamente wurden definitiv nicht Millimeter für Millimeter frei per Hand gemalt.

Kirchenmalereimeisterin Stena Marie Schlicht zieht die Striche neu, aus denen das Quader-Muster entsteht.

Kirchenmalereimeisterin Stena Marie Schlicht zieht die Striche neu, aus denen das Quader-Muster entsteht. Foto: Schlegel

Genau das jedoch ist heute mitunter angesagt. Zwar bedienten sich in den vergangenen Monaten auch Windmanns Expertinnen und Experten hier und da selbstgemachter Schablonen. Aber viele der Ornamente, die Jahrzehntelang unter mehreren Farbschichten verborgen waren, mussten Stück für Stück nachgearbeitet und aufgefrischt werden.
Die Epitaphien sind ein wenig von der Wand abgerückt angebracht. Dadurch wirken sie plastischer.

Die Epitaphien sind ein wenig von der Wand abgerückt angebracht. Dadurch wirken sie plastischer. Foto: Schlegel

Da ist der momentane Arbeitsschritt, der aktuell Kirchenmalereimeisterin Stena Marie Schlicht ausführt, noch vergleichsweise einfach: Unter der Orgelempore sind keine üppigen Ornamente gefunden worden, sondern eine aufgemalte Mauerstein-Musterung. Also heißt es, präzise Linien zu ziehen. Aber auch das will gekonnt sein.

Parallel zu diesen Arbeiten wurde die Holdecke gereinigt, auf der sich über die Jahrzehnte der Kerzenruß festgesetzt hatte. Und auch die Epitaphien an den Wänden neben dem Eingang wurden abgenommen und aufgefrischt. Großartig restauriert werden mussten sie nicht, das hatte Holger Windmann vor 40 Jahren, zu Beginn seiner Karriere, schon erledigt. Allerdings müssten sie noch einmal überarbeitet werden, es hat sich ein wenig Schimmel angesammelt. Es wurde aber vorgesorgt, dass sich kein neuer bildet: Die Bilder rücken nun dank einer speziellen Aufhängung ein wenig von der Wand weg. Das sorgt für mehr Durchlüftung und als Nebeneffekt wirken die Bilder allein durch den Schattenwurf nun noch ein wenig plastischer. All das war dann doch aufwändiger als gedacht, 25.000 Euro kosteten allein die Arbeiten an den Epitaphien.

Die Epitaphien sind ebenfalls gereinigt worden.

Die Epitaphien sind ebenfalls gereinigt worden. Foto: Schlegel

Geld, das die Gemeinde auch erst einmal aufbringen musste. Aber bisher sei die Spendenbereitschaft der Menschen für „ihre“ Kirche groß gewesen, freuen sich die geschäftsführende Pfarrerin Petra Rau und Kirchenvorstand Dr. Peter Warnecke. Immerhin hat die Freilegung der Quensen-Malereien bis zum heutigen Tag rund eine Million Euro gekostet. Das Geld kam aus Spenden, Stiftungen und auch von der Landeskirche.

Nun ist die Orgel an der Reihe

Herausgekommen ist schon jetzt ein Kirchenschiff, das beim Betreten beeindruckt. Ganz so, wie es sich seinerzeit auch die Erbauer gewünscht haben dürften. Wobei der Eindruck nicht erschlägt, sondern fasziniert. Und doch ist noch nicht alles erledigt. Im Februar wird die Sauer-Orgel auseinandergenommen und gereinigt.
Links das noch nicht gereinigte Holz, rechts zu erkennen das überarbeitete.

Links das noch nicht gereinigte Holz, rechts zu erkennen das überarbeitete. Foto: Schlegel

Holger Windmann nutzt die Zeit, um die letzten Reste der Decke zu bearbeiten, die dann besser zugänglich sind.

Ein neuer Kronleuchter kommt

Der aktuelle Restaurierungsbereich am Eingang wird Mitte August fertig sein. Am Ende fehlt dann nur noch der untere Bereich des Seitenschiffes, darüber kann die Gemeinde aber noch keine zeitlichen Aussagen treffen. „Dafür ist aktuell kein Geld vorhanden“, so Petra Rau. Wohl aber für ein anderes Projekt: Die Kirche hatte früher, das ist auf alten Bildern zu sehen, einen mächtigen Kronleuchter. Einen solchen soll es wieder geben, er ist schon in Arbeit. Petra Rau bringt es auf den Punkt: „Wir sind eine Kirche, kein Museum.“ Deshalb soll der neue Kronleuchter moderner gestaltet sein – ein bewusster Bruch mit der Vergangenheit.

ZEITTAFEL

1. Advent 1901: Der Grundstein für die neue Lutherkirche wird gelegt – an der Stelle, wo zuvor über Jahrhunderte kleinere Kirchengebäude standen. Der Neubau wird nötig, weil Bad Harzburg sich zur Kurstadt entwickelt und stark wächst. Die Pläne stammen vom Architekten Gustav Heine.

30. August 1902: Richtfest für den neugotischen Sakralbau.

1. Advent 1903: Feierliche Einweihung der Kirche nach nur zwei Jahren Bauzeit. Die Holzskulpturen und Epitaphien stammen aus den Vorgängerkirchen.

1920er Jahre: Zwei Gedenktafeln für gefallene Soldaten werden angebracht. Die im Krieg eingezogenen Bronzeglocken werden durch Stahlguss-Glocken ersetzt.

10. April 1945: Durch die Explosion der Munitionsfabrik in Eckertal gehen die Chorraumfenster zu Bruch.

Ab 1958: Neue Fenster im Chorraum werden eingebaut. Bei einer umfassenden Innenrestaurierung werden große Teile der bauzeitlichen Quensen-Malereien mit weißer Farbe überstrichen – ebenso wird der originale Radleuchter entfernt. All das entspricht dem damaligen Geschmack: Schlicht statt verspielt. Dass der Anstrich die Wände versiegelt und langfristig schädigt, ahnt zu diesem Zeitpunkt niemand.

1960er Jahre: Zur Erinnerung an die Toten des Zweiten Weltkriegs wird das Halbrelief „Glaube, Liebe, Hoffnung“ an der Südwand angebracht.

1987: Rissschäden, die wohl durch die nahe „Schlucht“ der B4 entstanden sind, werden beseitigt, die Kirche erhält erneut einen weißen Anstrich.

2001: Die überholte und erweiterte Sauer-Orgel wird wieder eingeweiht.

2010/2011: Die mittlere und große Glocke werden neu gegossen. 2012 folgt der Einbau einer neuen Heizung.

2013: Beginn der Freilegung der Quensen-Malereien im Altarraum. Vier Jahre dauert allein dieser erste Abschnitt.

2017: Die Arbeiten setzen sich im ersten Gewölbe über der Empore fort. Die Gemeinde beschließt: Die Malereien sollen vollständig freigelegt werden.

2022: Die Fenster an Nord- und Südseite werden restauriert und mit intelligenten Lüftungsklappen ausgestattet.

2023: Die große Rosette über dem Eingangsportal wird instand gesetzt.

2024: Über mehrere Monate wird die Kirchendecke restauriert – einer der aufwändigsten Abschnitte des gesamten Projekts.

2025: Der (aufgemalte) Teppich an der Südwand wird restauriert, aktuell ist der Eingangsbereich unter der Orgelempore an der Reihe.

2026: Die Sauer-Orgel wird auseinandergebaut und gereinigt. Zeitgleich sollen auch die Malereien hinter dem Instrument freigelegt werden.

Zukünftig: Noch offen ist, wann das Erdgeschoss des Seitenschiffs restauriert wird.

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