Zähl Pixel
Neuer Roman erscheint im Frühjahr

GZ Plus IconGoslarer Wortwerker unterzeichnet Vertrag beim Steidl-Verlag

Stadtschreiber Hank Zerbolesch stellt seinen neuen Roman vor. Das größtenteils in Goslar entstandene Werk soll im Frühjahr im Steidl-Verlag erscheinen.

Stadtschreiber Hank Zerbolesch stellt seinen neuen Roman vor. Das größtenteils in Goslar entstandene Werk soll im Frühjahr im Steidl-Verlag erscheinen. Foto: Hartmann

Stadtschreiber Hank Zerbolesch hat den Vertrag für sein zum Großteil in Goslar entstandenes Buch in der Tasche: Der Roman „Der dritte Raum“ soll im Frühjahr im Steidl-Verlag erscheinen. Bei einer Lesung in den Goslarer Höfen gab es einige Kostproben.

author
Von Petra Hartmann
Mittwoch, 08.10.2025, 16:00 Uhr

Goslar. Der neue Stadtschreiber Hank Zerbolesch ist fleißig: Für seinen neuen Roman, den er zu einem Großteil in Goslar verfasst hat, bekam er vor wenigen Tagen schon den Verlagsvertrag. „Der dritte Raum“ soll im Frühjahr im Steidl-Verlag erscheinen. Eine ausführliche Kostprobe konnten die Zuhörer bei Zerboleschs Lesung in den Goslarer Höfen erhalten.

„Der dritte Raum“ ist ein klassischer belletristischer Roman, allerdings mit einer kleinen Besonderheit: Der Autor verwendet den „Du-Erzähler“, spricht also seinen Helden immer wieder direkt an. „Wenn ich aus der ersten Person Singular heraus erzähle, bin ich zwar näher dran, aber als Schriftsteller laufe ich immer Gefahr, dass die Leute mich mit der Figur verknüpfen. Das ist mir schon mal böse auf die Füße gefallen“, erzählt Zerbolesch.

Nasenbeinbruch vor Annas Bude

Benno, die Hauptperson des Buchs, ist ein Underdog, ein junger Mann aus ärmlichen Verhältnissen, für den Gewalt, Schlägereien und das Abhängen an Annas Bude zur Tagesordnung gehören. Gleich zum Einstieg erleben die Leser durch Bennos Augen mit, wie die Jungs aus der „14“, einem heruntergekommenen Häuserblock, den „dicken Pit“ so lange provozieren, bis er eine Bierflasche nach ihnen wirft und im darauffolgenden Handgemenge, wie üblich, Pits Nasenbein bricht und er, ebenfalls wie gewohnt, bei Budenbesitzerin Anna nach einem Zewa schreit und einen ganzen Stapel Bildzeitungen vollblutet. Alltag in Bennos Welt. Pits Nase sei schon so oft gebrochen, dass er spricht wie Donald Duck und aussieht wie Elton John, wenn er „Tiny Dancer“ singt.

„Benno ist so‘n kleiner Asi“, stellt Zerbolesch seinen Helden vor. „Er trinkt Bier mit Leuten, die nicht seine Freunde sind.“ Trotzdem: „Eigentlich ist die Grundstimmung im Buch eine andere, sehr optimistisch, sehr nach vorne gerichtet, progressiv“, betont der Autor. Er lässt in seinem Buch zwei Welten aufeinanderprallen, als Benno in ein sozio-ökologisches Weltverbesserungs-Projekt der Mittelschicht hineingerät. Es sei ein Ort, „so ähnlich wie die Goslarschen Höfe“, verrät er.

Ein Blick auf die Bauchnabelfusseln

Hier trifft Benno auf die toughe Tony, die in einem fort redet und während des Redens bereits nebenbei alle Probleme löst, die sie ihrem Gegenüber erklärt. Da ist Rudi, der einfach nur anpackt und bei Bennos Eintreffen gerade schraubend unter der Spüle liegt, sodass der Neuankömmling von ihm als Erstes nur die Bauchnabelfusseln sieht. Ein Verein entsteht, in dem mehr unterschiedliche Ansichten als Mitglieder aufeinandertreffen. „Die Leute sind bunt wie die Village-People“, schreibt er. Und trotzdem fliegen nicht die Fäuste, sondern die Argumente durch den Raum. Für Benno eine völlig unerwartete Erfahrung.

Die Zuhörer genossen den ersten Eindruck von Hank Zerboleschs neuem Roman „Der dritte Raum“.

Die Zuhörer genossen den ersten Eindruck von Hank Zerboleschs neuem Roman „Der dritte Raum“. Foto: Hartmann

Zerbolesch liest flüssig und mit der Routine des geübten Poetry-Slammers. Detailliert, gleichermaßen mit Präzision und Freude am Sprachwitz schildert er seine Szenen, hat einen scharfen Blick für Alltagssituationen, körperliche Auseinandersetzungen und das Innenleben eines Weltverbesserer-Vereins. Ob Kraftausdrücke oder tiefsinnige psychologische Analysen, dieser Autor kennt seinen Stoff und seine Figuren und ist um treffende Worte nie verlegen.

Wie entwickelt sich der Roman eines Wuppertalers in einer Harzer Kleinstadt? Passt das überhaupt zusammen? Zerbolesch findet durchaus Gemeinsamkeiten. „Wuppertal ist eine arme Stadt, keiner hat Geld. Und das führt dazu, dass es sehr viel bürgerschaftliches Engagement gibt“, erzählt der Wortwerker. Beim ersten Blick auf Goslar habe er gedacht: „Oh, die haben Geld hier, das sieht aus wie eine CDU-Stadt.“ Dass es eine „SPD-Stadt“ sei, und obendrein noch mit weiblichem Stadtoberhaupt, habe ihn dann sehr gefreut. „Reich ist Goslar auch nicht – und es gibt ganz viel bürgerschaftliches Engagement, das unterstützt meine Theorie.“

Erneut fliegen die Fäuste

Doch Benno bleibt nicht in seiner glücklichen Regenbogenblase des sozioökologischen Mittelschichtsprojekts bei seinen neuen Freunden. Die Gruppe will Werbung für ihren Hof machen und zieht mit Infoständen durch die Stadtviertel – auch vor Annas Kiosk. Welten krachen gegeneinander. Eine Schlägerei mit den Jungs aus der „14“ ist da beinahe vorprogrammiert. Und Benno trifft auf seinen Erzfeind Iklas, den übelsten der „14er“. Dies ist kein Ort für gepflegten Meinungsaustausch und Diskussionen, und das einzige Argument, das hier zählt, ist das der Fäuste. Benno hat außerordentlich starke Argumente ...

Das Ende? Zerbolesch will schon die Grenzen ausloten und seine Personen durch die Dunkelheit gehen lassen. Aber: „Ich bin Optimist“, bekennt er. „Es gibt zwei Enden für diesen Roman. Ich habe die Entscheidung noch nicht final getroffen, aber ich glaube, ich habe eine Tendenz.“ Für die Hörer in den Goslarschen Höfen deutet sich jedenfalls eine Art Versöhnung zwischen Benno und Iklas an, als ersterer ein Festival auf dem Hof organisiert und Iklas sich als großartiges Rap-Talent entpuppt. Möglich, dass es auch für den gewalttätigen Ober-14er einen Weg heraus aus dem Sumpf gibt.

Wer den aktuellen Goslarer Wortwerker lesen und erzählen hören möchte, kann sich schon einmal den 24. Oktober im Kalender rot anstreichen. Dann will er zusammen mit seinem Kollegen Tobi Katze in den Höfen auftreten. Das Programm trägt den Titel: „Morgen ist leider auch noch ein Tag“. Beginn ist um 19.30 Uhr. Außerdem ist für den 22. November eine Lesung im Wintersaal der Kaiserpfalz geplant. Die Uhrzeit steht noch nicht fest.

Weitere Themen aus der Region