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Skandal um drei Sorten Wurst

GZ Plus IconKita-Frühstück: Wie steht Harzburgs Politik zu der Halal-Debatte?

In der Kita Hasenwinkel gibt es zum Frühstück auch drei Sorten Halal-Wurst. Für einige Zeitgenossen ist das ein Skandal.

In der Kita Hasenwinkel gibt es zum Frühstück auch drei Sorten Halal-Wurst. Für einige Zeitgenossen ist das ein Skandal. Foto: Exner

Ist es ein Skandal, dass Halal-Wurst auf dem Frühstücksbuffet der Kita Hasenwinkel liegt? Die Einrichtung ist in städtischer Trägerschaft, was sagen die Ratspolitiker dazu? Vor allen Dingen. Wie ist die Meinung der AfD im Stadtrat?

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Von Holger Schlegel
Mittwoch, 16.07.2025, 08:00 Uhr

Bad Harzburg. Aus drei Sorten Wurst, die in der Kita Hasenwinkel unter dem „Halal-Siegel“ aufgetischt wird, ist ein Politikum geworden. Seitdem der Umstand, dass dort zum Frühstück Aufschnitt angeboten wird, der (auch) für muslimische Kinder vorgesehen ist, dies zunächst auf rechten Plattformen im Internet und dann auch durch einen GZ-Artikel bekannt wurde, drehen einschlägige Kreise durch. Sie wähnen einmal wieder den Untergang des Abendlandes.

Tenor: Deutsche Kinder dürfen zugunsten muslimischer Altersgenossen kein „normales“ Frühstück mehr essen. Dabei geht es wirklich nur um drei Sorten Wurst, die im Rahmen eines großen Frühstücksbuffets in der städtischen Kita angeboten werden. Wie steht die Politik zu dem vermeintlichen Skandal? Denn immerhin ist die Kita in der Trägerschaft der Stadt. Tenor einer Umfrage unter Bad Harzburger Ratsmitgliedern: Einen Skandal sieht in der Politik eigentlich niemand. Im Gegenteil: Als Skandal wird eher eingestuft, was aus der Sache gemacht wird.

Hans-Peter Dreß

Hans-Peter Dreß Foto: Marie Ellinghaus

„Der Rat kann keinen Einfluss darauf nehmen, was in den städtischen Kindergärten für Essen angeboten wird“, sagt zum Beispiel Hans-Peter Dreß, Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat. Allerdings sieht er dafür auch gar keinen Grund. „Das hat die Stadt schon unter Kontrolle.“ Das Halal-Angebot sei für ihn schlichtweg eine Frage von Rücksichtnahme auf Kinder, die nur solche Wurst essen – dürfen oder möchten.
Michael Riesen

Michael Riesen Foto: Privat

Und trotzdem sei doch für alle anderen die Vielfalt gegeben. „Das ist in keiner Weise eine Ausgrenzung von Kindern“, so Dreß. „Da wäre ich nie drauf gekommen.“

So ähnlich sieht das auch SPD/FDP-Fraktionschef Michael Riesen: „Haben wir keine anderen Probleme?“ Wobei er präzisiert: „Offenkundig haben die Rechten keine anderen Probleme.“ Er sieht in der Angelegenheit absolut keinen Skandal, die Kita biete ein Super-Frühstück an. Und „ich glaube nicht, dass die Stadt da etwas falsch gemacht hat“.

Dennis Kronjäger

Dennis Kronjäger Foto: Privat

Dennis Kronjäger (Grüne) hat sich aufgrund der GZ-Berichterstattung im Rathaus das Verpflegungskonzept der Kita Hasenwinkel angeschaut und kommt zu dem Schluss: „Die bieten eine 3-Sterne-Küche an.“ Es werde doch zum Frühstück beides angeboten, halal und nicht-halal, eine Benachteiligung sei in keiner Weise gegeben. Einen Skandal sieht Kronjäger in der Angelegenheit nicht, ein Skandal sei eher das, was darauf gemacht worden sei.
Stefan Schlue

Stefan Schlue Foto: Privat

Auch Stefan Schlue (Freie Wähler) sieht in dem Halal-Thema kein Problem. „Da werden keine Kinder ausgegrenzt.“ Es werde vielmehr auf Andersgläubige Rücksicht genommen und es sei doch gut, wenn eine Kita auf diese Kinder achte. Eins dürfe man nicht vergessen: „Geflügel-Mortadella ist doch fast schon automatisch halal.“
Andreas Baake

Andreas Baake Foto: Privat

Andreas Baake (Wählergemeinschaft) sieht die Sache etwas differenzierter: „Die Stadt sollte die Sorgen der Eltern ernst nehmen“, letzten Endes habe nämlich auch ein Kommunikationsproblem zur Eskalation geführt. Die betroffene Mutter, mit der er gesprochen habe, wolle nicht in die rechte Ecke gedrängt werden. Baake plädiert dafür, ein Verpflegungskonzept für alle Kitas der Stadt zu erarbeiten, dann hätte sich solch ein Theater erledigt.
Stephan Kowallis

Stephan Kowallis Foto: Privat

Und da sei dann wirklich der Rat im Spiel, der ein solches Konzept aufstellen könne. Dennoch: Einen Skandal sehe er in der Angelegenheit nicht. Ein Skandal sei vielmehr, wie die AfD das Thema ausschlachte. Und was sagt die AfD-Fraktion im Stadtrat? Überraschendes: Ratsherr Stephan Kowallis (AfD) plädiert dafür, „die Kirche im Dorf zu lassen“. Es sei doch nicht weiter schlimm, wenn die Kinder aus einer Vielzahl von Frühstücksangeboten auswählen können – und darunter auch Halal-Wurst sei. Das müsse ja keiner essen, der es nicht möchte. Es sei „völlig albern“, daraus einen öffentlichen Skandal zu machen. Die Position des AfD-Ratsherren ist damit zwar konträr zu dem, was am Samstag auf einer Veranstaltung seiner Partei im Bündheimer Schloss zu dem Thema gesagt wurde. Aber seine persönliche Meinung sei: „Ich halte das für völlig überzogen.“ Es wäre ratsam, würden die betroffene Mutter oder auch andere Eltern die Sache im direkten Gespräch mit der Stadt klären.

Meine Meinung

Finde den Fehler – oder den Skandal

War das jetzt ungeschickt von der Stadt, das Halal-Frühstück a) überhaupt einzuführen und es b) auch noch als Alleinstellungsmerkmal anzupreisen? War es überzogen von der Mutter, die Sache empört an die Öffentlichkeit zu bringen? Oder ist alles nur ein Kommunikationsproblem, was dazu führte, dass die falschen Kreise alles in den falschen Hals bekommen haben und nun der Geschichte einen völlig unverdienten Zungenschlag geben? Letzteres auf alle Fälle.

Holger Schlegel

Holger Schlegel Foto: GZ

Allen Seiten hätte klar sein müssen, dass sich rechte Kreise geifernd auf den vermeintlichen Skandal stürzen, dass arme deutsche Kinder in einer staatlichen deutschen Kita ihren muslimischen Altersgenossen zuliebe „nur noch“ ganz bestimmtes Essen vorgesetzt bekommen. Dass sie quasi gezwungen werden, sich halal zu ernähren. Skandal im Hasenwinkel, danke Merkel! Und das auch noch in einer Stadt, in der ein grüner Bürgermeister am Ruder ist. So maximal verzerrt und in die eigene krude Weltanschauung hineingeschwurbelt stellen einschlägige Kreise das vermeintliche Drama jetzt dar.

Man muss die Mutter fast schon in Schutz nehmen. Irgendwann wäre die Angelegenheit sicherlich von irgendwem anders breitgetreten worden. Mit dem gleichen Effekt. Wobei der Frau mindestens eine gewisse Blauäugigkeit anzukreiden ist. Wenn sie ihre Empörung mit der Influencerin Anabel Schunke teilt, die für ihre AfD-Nähe bekannt ist, kann sie sich hinterher nicht hinstellen und angesichts des Shitstorms, der auf die Stadt einprasselt, sagen „das habe ich nicht gewollt“. Vielleicht nicht gewollt. Aber in Kauf genommen.

Doch zurück zur Stadtverwaltung: Sie bietet Kindergartenkindern ein Frühstücksbuffet an, das manche Hotels nicht kredenzen. Ein (kleiner) Teil davon sind die drei Sorten „Wurst des Anstoßes“. Handelsübliche Produkte aus einem Bad Harzburger Supermarkt. Geflügelmortadella beispielsweise, wie sie wahrscheinlich jeder zweite Harzburger im Kühlschrank hat. Wenn die wirklich schon immer dazugehörte, nun aber ein Halal-Siegel hat, ist nachvollziehbar, warum die Verantwortlichen auf die plötzliche Aufregung mit ein wenig Unverständnis reagieren. Aber war es nur ein wenig Unverständnis? Oder nicht doch auch ein wenig Ruppigkeit? Wäre gerade angesichts des heiklen Themas und der zu befürchtenden Dimension (siehe oben) nicht ein wenig mehr Fingerspitzengefühl ratsam gewesen? Ein, zwei zusätzliche Sorten Wurst, die erkennbar nicht halal sind, würden vermutlich schon reichen, um den Wind aus den Segeln zu nehmen. Vielleicht wäre dann alles gut gewesen. Vielleicht ist es das bald – wenn alle Seiten wieder miteinander reden, statt übereinander zu schreiben.

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