Erstes Goslarer Strick-Kino: Cineplex zeigt „Tatsächlich Liebe“
Einladung ins Strick-Kino: Stefani Schwerdtfeger (von links), Brigitte Hoppmann, Manuela Zoellner, Giulia Eikemeyer und Iris Kanter freuen sich auf den gemeinsamen Filmabend mit Wolle, Nadeln und "Tatsächlich Liebe". Foto: Hartmann
Stricken und zusammen einen Kinofilm anschauen: Auch in Goslar ist der Trend jetzt angekommen. Das Cineplex und die Wollstube laden gemeinsam zum ersten Goslarer Strick-Kino ein.
Goslar. Zwei rechts, zwei links, einmal in die Popcorn-Tüte greifen: Zum Kino-Abend mit Stricknadeln, Wolle und ganz viel Liebe lädt das Team der Goslarer Wollstube ins Cineplex ein.
Wer Lust hat, sich die Filmkomödie „Tatsächlich ... Liebe“ im Kreis von Handarbeitsfans anzuschauen und dabei Schals, Mützen, Handschuhe, Strümpfe oder einen Pullover zu produzieren, ist herzlich eingeladen zum textilen Gemeinschaftserlebnis am Sonntag, 21. September.
Strick-Kino – ein Trend in den großen Städten, für den Goslar ganz sicher nicht zu klein ist: „Bei Social Media wird das so richtig gehypt“, sagt Manuela Zoellner, die Inhaberin der Wollstube. „Da habe ich mir gedacht: Was die können, kann Goslar auch.“
135 Minuten Wolle und Liebe
Mit dem Cineplex war sich die Wollstuben-Crew schnell einig, und nun steht die Vorführung speziell für Strickerinnen. Wobei auch Besucher, die etwas häkeln wollen, willkommen sind. Los geht es um 17.30 Uhr. Die Zuschauer zahlen den normalen Eintrittspreis, bekommen 135 Minuten Liebe und eine kleine Tüte mit Geschenken rund ums Handarbeiten und haben jede Menge Spaß beim gemeinsamen Knütten. Wolle und Nadeln und gegebenenfalls angefangene Arbeiten bringen die Teilnehmer selbst mit. Eine Besonderheit gegenüber dem normalen Kino-Abend: Das Licht im Raum bleibt diesmal an, damit die Strickerinnen linke und rechte Maschen auch unterscheiden können. Die echten Profis haben allerdings sowieso ihre eigene Beleuchtung, verrät Zoellner und schaltet das Licht ihrer Nackenleuchte ein. Andere benutzen einen solchen Kragen für ein Nickerchen im Bus, für Strickerinnen gibt es sie mit integrierter Lampe. Im Prinzip wird ohnehin jeder Film zum Hörbuch, wenn man mit den Nadeln arbeitet, weiß die Fachfrau. Eine Erfahrung, die wohl alle Strickerinnen schon beim Fernsehen gemacht haben: Man schaut nicht auf die Mattscheibe, sondern auf die Maschen, arbeitet sich Reihe für Reihe vorwärts und genießt die sanfte Massage, die die Wolle den Fingern verabreicht. „Beide Hirnhälften werden angesprochen, und es fördert besonders die Motorik der Hände“, wirbt Zoellner. Das noch im Halbdunkel des Kinoraums verspricht die ganz große Wohlfühlatmosphäre. Und wie macht man das mit dem Popcorn-Essen während des Films, wenn man beide Hände an den Nadeln hat? Einfach bei den kurzen Strickpausen doppelt so oft in die Popcorn-Tüte greifen, raten die Profis.
Alle hängen an der Nadel
„Handarbeiten verbindet“, betont Zoellner. Ob Jung oder Alt und egal aus welchen Schichten oder Herkunftsorten: „Die Gemeinsamkeit ist, dass wir alle an der Nadel hängen.“ Stricken habe in jüngster Zeit einen gewaltigen Boom erlebt. Junge Frauen, aber auch viele junge Männer, entdeckten die Beschäftigung mit Wolle und Nadeln neu, und durch die sozialen Medien sei der Trend aus den nordischen Ländern inzwischen auch nach Deutschland übergeschwappt. „Es ist ein Hobby für jeden, es nimmt keinen Platz weg, und man kann sein Strickzeug überall mit hinnehmen.“ Im Zug oder auf dem Beifahrersitz sei es eine optimale Beschäftigung. Vielleicht wäre es auch ein Argument für autonomes Fahren, meint sie augenzwinkernd.
Begeistert ist sie von Podcasts wie dem „Garngemunkel“ des gebürtigen Clausthalers Thorsten Duit. Aber auch die Gemeinschaft ihrer Kunden und die gemeinsamen Strickrunden im Laden will sie nicht missen. Überhaupt: Kunden in Handarbeitsläden seien die friedfertigsten, freundlichsten und sozialsten der Welt. Böse Worte oder Streit, wie man oft im Einzelhandel erlebe, gebe es selten. „Die Kundschaft ist zu 97 Prozent sehr angenehm, geduldig und zufrieden“, sagt die Wollhändlerin. Und in ihrem Laden in der Hokenstraße gibt es sogar eine „Parkmöglichkeit für Männer“, die dann einen Kaffee trinken können, während die Gattin Maschenproben mit den unterschiedlichen Fadenstärken und Nadeldicken anstellt. „Happy wife, happy life“, wirbt sie um Verständnis bei den Ehemännern.
Spät erwachte Leidenschaft
Zoellner hat ursprünglich eine Lehre als Bankkauffrau gemacht und hat im Alter von 33 Jahren zur Pflegefachkraft umgeschult. Doch inzwischen, mit 55 Jahren, möchte sie nichts anderes mehr tun, als ihr Wollgeschäft zu betreiben. Dabei ist ihre Liebe zum Stricken erst relativ spät erwacht: „In der Schule ist meine Mutter an mir verzweifelt, weil ich es nicht konnte.“ Als 13-Jährige habe sie aber das Nähen entdeckt, das ihr sehr viel Spaß gemacht habe. Dafür ist nun die Leidenschaft umso heftiger erwacht.
Ob mit Metall-, Plastik- oder Holznadeln, ob rund gestrickt oder geradeaus, ob Patent oder Zopfmuster, Raglan von oben oder einfach nur rechte Maschen: Zum Strick-Kino ist jeder willkommen, darf sein Ding werkeln, und bei Bedarf gibt es Beratung von den Wollstuben-Mitarbeiterinnen dazu.
Dass es dazu die klassische Weihnachtskomödie „Tatsächlich ... Liebe“ gibt, passt am Ende auch recht gut in die dunkle Jahreszeit. Und vielleicht nutzen die Besucherinnen die Zeit in dem Streifen mit Colin Firth, Emma Thompson und Hugh Grant auch, um schon die ersten Weihnachtsgeschenke zu stricken. Über ein paar warme Wollsocken unter dem Weihnachtsbaum freut sich schließlich jeder.
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