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Musikpreis, Wildschweine und Kaskaden

GZ Plus IconWas ist eigentlich, wenn Hahnenklee keinen Ortsrat mehr hat?

Was wird aus dem Hahnenkleer Ortsrat? Wenn er abgeschafft wird, entscheidet nur noch der Rat im 16 Kilometer entfernten Goslar.

Was wird aus dem Hahnenkleer Ortsrat? Wenn er abgeschafft wird, entscheidet nur noch der Rat im 16 Kilometer entfernten Goslar. Foto: Heine

Nur Hahnenklee hat auf Goslarer Stadtgebiet einen eigenen Ortsrat. Soll oder darf das so bleiben? Die Goslarer FDP will ihn abschaffen. Jetzt hat das Gremium getagt und über seine Zukunft, den neuen Goslarer Musikpreis und Wildschweine diskutiert.

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Von Frank Heine
Samstag, 30.08.2025, 11:00 Uhr

Hahnenklee. Was ist denn nun mit dem Ortsrat? Soll er tatsächlich abgeschafft werden? Mit seiner Frage und einem ersten Votum pro Erhalt („gelebte Demokratie“) setzte der Hahnenkleer Klaus Pissin als einer von zehn Zuhörern in der Einwohnerfragestunde gleich zu Beginn der Sitzung am späten Mittwochnachmittag eine erste Debatte in Gang – und provozierte sofort ein Bekenntnis. „Ich sitze nächstes Jahr eh nicht mehr hier“, antwortete Ortsbürgermeister Heinrich Wilgenbus (CDU) – zum Ende seiner sechsten Amtszeit – prompt. Er könne aber nicht empfehlen, das Gremium abzuschaffen.

Was die nächsten zwei Stunden folgte, zeigte wie so oft in Goslars höchstgelegenem und einzigem Stadtteil mit einem Ortsrat die Vor- und Nachteile auf, die eine solche immerhin elf Personen starke Vertretung hat. Beste Ortskenntnis und klare Ansagen hier, aber auch viel überflüssiges Gefrage und politisches Schaulaufen dort – was alles wiederum nicht wenig Arbeitszeit der Verwaltung binde, wie FDP-Fraktionschef Christian Rehse in seinem Vorstoß für den Goslarer Rat kritisiert. Der Jerstedter plädiert wie berichtet für das „Vienenburger Modell“ mit Ortsvorstehern auch deshalb, um eine Gleichbehandlung zu erreichen. Oker und Jürgenohl etwa hätten nichts und niemanden. In ähnliche Richtung zielt die CDU, ohne aktuell den Hahnenkleer Ortsrat infrage zu stellen.

„Vielleicht überrepräsentiert?“

Dieser müsse unbedingt erhalten bleiben, machte sich Dr. Petra Haumann für die Bürgervertretung stark. Die CDU-Fraktionschefin wies umgekehrt auf Hahnenkleer Nachteile beim Stadtbusnetz und Radwege-Planungen hin und fand uneingeschränkte Unterstützung bei ihrem SPD-Pendant Jörg Klockgether. Rehses Parteifreund Heinrich Wiebe schlug Zwischentöne an. Sein Herz schlage pro domo, also für den Ortsrat, aber nach mehr als drei Jahrzehnten hier und zehn Jahren im Goslarer Rat und Vizeortsbürgermeister höre auch er 2026 auf. Und „Hand aufs Herz: Sind wir vielleicht überrepräsentiert?“ Er wollte es als Signal für die „nachfolgende Generation 40 plus x“ gewertet wissen, sich im Ehrenamt einzubringen. Letztlich werde aber wohl auf der Goslarer Rathausdiele „über unsere Köpfe hinweg“ entschieden.

Ganz so einfach ist es allerdings denn doch nicht – zumindest, was den Ortsrat angeht. Erster Stadtrat Dirk Becker führte zur Gesetzeslage aus, dass sich der Ortsrat laut Eingliederungsvertrag aus den 1970er Jahren mit einer Zweidrittel-Mehrheit selbst abschaffen könne. Oder der Goslarer Rat dies ebenfalls mit Zweidrittel-Mehrheit entscheiden könne, sich das Ergebnis zusätzlich aber von der Kommunalaufsicht im Innenministerium absegnen lassen müsste.

So weit dazu. Ein unbefristetes Weiter so beim Hatix, dem kostenlosen Busfahren für Touristen im Harz, segnete der Ortsrat im Anschluss einstimmig ab, freilich nicht ohne über Scharbeutz-Modelle mit einem Grundpreis von einem Euro zu fabulieren. „Und die Kurtaxe ist noch 50 Prozent mehr als bei uns“, versicherte Ostsee-Urlauber Wiebe. Geht in Schleswig-Holstein, aber nicht in Niedersachsen, erklärte Becker. Woraufhin Klockgether Charles Darwin und sein „Survival of the Fittest“ ausgrub: „Die Flexibilität findet keinen Platz mehr.“ Den Jahresabschluss der HTG für 2022 hielt selbst Geschäftsführerin Isabel Junior für einen „alten Schinken“. Richtig zur Sache ging es erst wieder bei den Grundsätzen zur Verleihung des – Achtung, aufgemerkt – Goslarer Musikpreises Der Goldene Ton. Max Kühl (SPD) witterte beim Paul-Lincke-Ring-Nachfolger Tendenzen, den Preis Richtung Kernstadt zu ziehen, Mitbestimmungsrechte zu verweigern und sogar Informationen zu unterdrücken. So viele Sachen seien im Internet nicht zu finden.

Das gute alte Telefon

Was folgt daraus? Für Stadtrat Becker, dass Kühl bei Fragen öfter einmal das gute alte Telefon nutzen und in der Verwaltung anrufen sollte. Ein ganzer Kühl-Fragenkatalog ging zu Protokoll, eine Sitzungsunterbrechung von fünf Minuten folgte. Ergebnis: Die Sache wird angehalten und in der nächsten Sitzung wieder auf die Tagesordnung gehievt – was am 29. Oktober wäre. In der Tat sollte Hahnenklee mehr auftauchen und sich „nicht künstlich verzwergen lassen“, wie Wiebe analysierte. Faktisch sei aber die Jury in ihrer Wahl autark, war er sich mit Wilgenbus einig. Und Becker warnte vor einer nachträglichen (Nicht-)Bestätigung eines Preisträgers durch den Ortsrat und stellte in dieser Hinsicht seinerseits die Sinnfrage. Und überhaupt: Nie sei Hahnenklee als Ort der Preisverleihung in Zweifel gezogen worden. Was wiederum nicht so ganz stimmt. Unter einem Oberbürgermeister Henning Binnewies stand diese Frage schon einmal mindestens verwaltungsintern auf der Tagesordnung. Der Sozialdemokrat, in dessen Amtszeit auch das Schließen des Hallenbades im Kurmittelhaus fiel, wurde aber auch im April 2011 von den Goslarern und Hahnenkleern abgewählt – wenn auch nicht (nur) wegen Hahnenklee und seinem Paul-Lincke-Ring.

Also: Fortsetzung folgt. Dann vielleicht auch schon mit detaillierten Informationen und nach einem Vor-Ort-Termin, den sich der gesamte Ortsrat zu einem Outdoor-Glockenspiel am Kranicher Teich wünscht? Per Mitteilung ließ die Goslarer Verwaltung wissen, dass eine solche Installation zum Verewigen neuer Preisträger und Loslösen von Lincke dienen soll. Laut Junior geht es um ein Xylophon aus Metall mit zunächst 16 Röhren. Man stelle sich vor, was im „Vier Jahreszeiten“ gegenüber los sei, „wenn alle zwei Minuten das Ding angeht“, argwöhnte Klockgether. Der Kurpark soll schon laut Verordnung „eine Oase der Ruhe“ sein, ergänzte Wiebe. Nur Christoph Bruns (SPD) meinte, das sei kein Neuland, in anderen Kurorten erprobt und Schall lenkbar. „Weht der Wind von Westen, klingt Roland noch am besten“, begann Sitzungsleiter Wilgenbus urplötzlich zu reimen.

Harmlose Wildschweine?

Was stach bei den Anfragen heraus? Zwei Alleinstellungsmerkmale. Ulrich Bierbaum (CDU) wähnte beim Projekt Auerhahn-Kaskaden, das er im Oktober 2022 gemeinsam mit Ex-Ortsratsmitglied Axel Bender als Projekt des Tourismusvereins vorgestellt hatte, die HTG und Chefin Junior in der Pflicht. Verabredet war seinerzeit eine Arbeitsgruppe des Vereins. Und Max Kühl brach eine Lanze für die Wildschweine, die in Hahnenklee derzeit das Ortsbild (mit-)bestimmen. „Die tun nichts“, versicherte er die Harmlosigkeit der Tierchen, konnte „nur Sorgen und Drama“ in dieser Sache nicht verstehen und rätselte, ob nicht der seit Pfingsten auf dem Bocksberg lärmende dreiköpfige Drache Ursache für die Waldflucht der Schweine hinein in den Ort sei. Ob dazu wohl etwas im Internet zu finden ist?

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