Darum ist Achim Kapelle der größte Goethe-Fan im Oberharz
Achim Kapelle im Amts- und Magistratszimmer des Goethehauses. Foto: Schlimme
Im historischen Ambiente des Goethehauses spricht Besitzer Achim Kapelle darüber, was ihn an Goethe fasziniert und wie ihn der berühmte Dichter Tag für Tag inspiriert.
Altenau. „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.“ Dieses Goethe-Zitat begleitet Achim Kapelle seit vielen Jahren. Kapelle hat es daher nicht nur auf seiner Schokolade verewigt, sondern sieht es Tag für Tag als seine persönliche Inspirationsquelle.
Vor rund neun Jahren hatte der jetzt 54-jährige Geschäftsmann das heutige Goethehaus in Altenau gekauft. Dort hatte der berühmte Dichter während seiner Harzreise vom 9. auf den 10. Dezember 1777 übernachtet. „Ein Haus erwerben zu dürfen, in dem eine der berühmtesten Persönlichkeiten Deutschlands zu Gast war, war eine große Ehre für mich“, blickt er zurück. Seitdem saniert Kapelle das Haus „Stückchen für Stückchen“, wie er selber sagt. Und das erledigt er nebenbei zu seinen anderen Herausforderungen und Aufgaben. Kapelle ist seit 23 Jahren selbstständig und führt gemeinsam mit seiner Schwester unter anderem den Landsitz Kapellenhöhe mit eigener Schokoladenmanufaktur am Steinhuder Meer.
„Eine besondere Gelegenheit“
In all seinen Häusern lege er vor allem Wert darauf, Authentizität mit Geschichte und Genuss zu verbinden.
Die Besucher zu inspirieren, sei sein oberstes Ziel. So auch im Goethehaus: „Das war eine besondere Gelegenheit, eine Immobilie mit solch einem Zeitbogen zu erwerben – mit all der Lust und Last“, erinnert sich Kapelle. Denn auch wenn das Haus für ihn ein Hobby und persönliches Anliegen ist, sind in den vergangenen neun Jahren bereits sechsstellige Summen in das Anwesen geflossen. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Im nächsten Jahr folgen unter anderem die Heizungsinstallationen, zumindest in einigen der Räume.
Beim Betreten des Hauses fallen zuerst der große Saal im Untergeschoss, der bereits für Veranstaltungen genutzt wurde, und ein imposantes Treppenhaus ins Auge. Im ersten Stock befindet sich das nun fertiggestellte Schlafzimmer, in dem Goethe während seiner Harzreise nächtigte. Der Fußboden wurde abgeschliffen, die Stromleitungen zurückgebaut und die Wände im passenden Design verputzt. Alles soll aussehen wie zu Goethes Zeit. Kerzen hängen an den Wänden, ein alter Schrank steht im Raum, daneben ein kleines Bett mit einem Vorhang darum. Kein Strom, keine Heizung, der Atem wirft Wölkchen. „Man kann sich vorstellen, wie kalt es in diesem Zimmer vor 250 Jahren war“, so Kapelle.

In diesem Zimmer hat Goethe während seiner Harzreise im Dezember 1777 übernachtet. Achim Kapelle hat das Zimmer im Goethehaus möglichst zeitgetreu wieder eingerichtet. Foto: Schlimme
Goethes Persönlichkeit und Vita erkunden
Auf dem kleinen Holztisch liegt eingerahmt Goethes Tagebucheintrag aus dieser Nacht. Kapelle setzt sich und beginnt zu lesen. „Goethe nutzte seine Reisen, um Abstand vom Hofe zu gewinnen, Inspiration zu finden und neue künstlerische Schaffenskraft zu entwickeln“, erklärt Kapelle das Vorgelesene. „Es ist unendlich spannend, Goethes Persönlichkeit und seine Vita zu erkunden“, findet Kapelle. Denn nahezu jeder kenne Goethe, aber kaum einer wisse, was ihn wirklich ausmacht.
Kapelle hatte die ersten Berührungspunkte mit dem berühmten deutschen Dichter und Politiker auf dem Gymnasium, als im Literaturunterricht Goethes Werk „Die Leiden des jungen Werther“ durchgenommen wurde. Auch wenn sich ihm die wahre Bedeutung des Romans erst einige Jahre später erschloss, zählt er heute zu seinen Lieblingswerken Goethes.
Lesung zum Goethegeburtstag
Der junge Werther geistert durch das Goethehaus in Altenau
„Goethe bietet für jeden und jede Lebenslage etwas“, betont Kapelle sichtlich fasziniert und ergänzt: „Er benötigte Beziehungen zu Menschen, das Lieben und das Leiden, um bis ins hohe Alter kreativ zu sein, das finde ich bewundernswert.“ Er nimmt auf einem Stuhl in der Amts- und Magistratsstube Platz, vor ihm auf dem Tisch diverse Werke des Dichters, ein Kerzenständer mit drei glühenden Kerzen und ein Kopf von Goethe. „In jeder Ecke des Hauses verstecken sich Geschichte und Geschichten“, sagt der 54-Jährige sichtlich fasziniert.

Achim Kapelle zeigt den Tagebucheintrag, den Goethe während seiner Harzreise verfasste. Foto: Schlimme
Die massive Eisentür zum Magistratszimmer stamme wahrscheinlich aus dem 19. Jahrhundert. Der Fußboden könnte sogar noch aus dem Jahr 1673 stammen. Im nächsten Zimmer prangt ein alter Eckvitrinenschrank mit den Initialen „IK“ aus dem Jahr 1752.
Das Goethehaus ist eine „historische Persönlichkeit“
Kapelle sieht sein Goethehaus als eine „historische Persönlichkeit“, die er „erhalten und bewahren“ möchte. Sogar zwei Originalgemälde befinden sich in dem Haus. Eines ist in der Mitte zweimal durchkreuzt – warum? „Diese Geschichte bleibt in dem Gemälde verborgen“, so Kapelle.
Am Ende gehe es Kapelle jedoch nicht um das Haus allein, sondern um das, was davon ausgeht. „Ich habe schon viel Zeit hier verbracht und dieses Haus strahlt einfach einen guten Geist aus“, sagt er. Während seiner Zeit im Goethehaus übernachtet er übrigens in einem provisorischen Schlafzimmer – ohne Heizung, ganz so wie Johann Wolfgang von Goethe vor rund 250 Jahren. „Ich habe eine große Ehrfurcht vor den Menschen früherer Epochen“, betont Kapelle.
Goethes Disziplin und Schaffenswillen als Inspiration
In dem Haus bleibt zwar noch einiges zu tun, doch auch Goethe habe bis zum letzten Tag Disziplin und einen starken Schaffenswillen bewiesen – das mache ihn tagtäglich zu Kapelles Inspirationsquelle. Denn trotz einiger Rückschläge lässt sich auch der Besitzer des Goethehauses die Zuversicht und den Glauben an das Gute nicht nehmen.
Wieder im Untergeschoss des Hauses angekommen, knistert ein Feuer im Kamin. Kapelle greift zu einem kleinen Buch, setzt sich vor den Ofen, und beginnt ein Gedicht vorzutragen. „Willkommen und Abschied“ ist sein Lieblingsgedicht von Goethe. „Das ist eins der schönsten Liebesgedichte“, sagt Kapelle und blickt ins Feuer. Außerdem lasse es sich auch ein kleines bisschen auf Goethes Aufenthalt in Altenau beziehen und auf seine berühmte Brockenbesteigung am 10. Dezember. Kapelle trägt die letzte Zeile vor, blickt dabei zur Decke – im Hintergrund knistert das Feuer im Kamin, und für einen Moment scheint Goethe ganz nah.
EINLADUNG IN DAS GOETHEHAUS
Achim Kapelle lädt am 28. Dezember ab 14 Uhr zum Familiennachmittag ins Goethehaus, Breite Straße 2, ein. Die Gäste erwartet Kaffee und Kuchen, sowie Gedichte und Musik. „Ich hoffe auf einen geselligen Nachmittag im Rahmen der Weihnachtsfeiertage“, erklärt Kapelle voller Vorfreude.
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