Harzburgs Glasfasernetz: So rasend schnell geht’s dann doch nicht

Wer einen Vertrag abgeschlossen hat, bekommt ein Schild vor die Tür gesteckt. Aber: Sind es genug, die „auch mitmachen“? Foto: Schlegel
Wie steht es um die Zahl der Glasfaser-Verträge in Bad Harzburg? Hat die Deutsche Giganetz genug Kunden für den Ausbau, oder droht das Projekt am Ende zu scheitern? Die Antworten der Firma lassen aufhorchen – und werfen neue Fragen auf.
Bad Harzburg. Wenn am 24. September die Stadt zusammen mit dem Gigabit-Büro des Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung zum Infonachmittag ans Freizeitzentrum einlädt, ist das laut dem Ersten Stadtrat Andreas Simon keine Werbeveranstaltung für die Deutsche Giganetz im Besonderen. Vielmehr soll es der letzte offizielle Versuch sein, den Bad Harzburgern die Glasfasertechnologie ans Herz zu legen. Dennoch dürfte die Deutsche Giganetz im Mittelpunkt stehen. Sie ist es nämlich, die Bad Harzburg flächendeckend versorgen soll. Oder will. Aber wird sie auch? Momentan sieht es nicht danach aus.
Wie mehrfach berichtet, hat der Landkreis einen Kooperationsvertrag mit der Giganetz abgeschlossen: Ohne finanzielle Unterstützung der Kommunen, wohl aber mit ideeller Rückendeckung soll in Braunlage, Goslar, Langelsheim, Clausthal-Zellerfeld und eben Bad Harzburg das schnelle Internet für alle installiert werden. Allein für Bad Harzburg, der Auftaktgemeinde, ist die Rede von einer 20 Millionen-Euro-Investition (wie gesagt, ohne einen Cent der Gemeinde), 263 Kilometern Kabel, und 12.200 Haushalten. Loslegen will die Giganetz erst, wenn 35 Prozent, also rund 4700 Haushalte, einen Vor-Vertrag abgeschlossen haben. Diese Quote sollte zum 1. Juli 2024 erreicht werden.
Zehn Prozent vor einem Jahr
Die erste Phase wurde zur Bauchlandung. Vor Jahresfrist hatten aber gerade einmal zehn Prozent der Haushalte unterschrieben, ohne dass die Giganetz diese Zahl offiziell nannte. Die Anwerbungsphase wurde jedenfalls verlängert. Die Verlängerung dauert jetzt schon ein Jahr. Gebaut wird aber nirgendwo. Wie steht es also? Offenkundig nicht gut. „Die Quote ist in Bad Harzburg bisher nicht erreicht“, heißt es jetzt von der Pressestelle der DGN. Welche denn dann? Das verrät die Giganetz nicht. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir keine konkreten Zahlen zu unseren Kundinnen und Kunden kommunizieren können.“
Ist jetzt Feierabend? „Sollte die Zielquote auch weiterhin nicht erreicht werden, werden wir alternative Optionen prüfen, beispielsweise eine Verlängerung der sogenannten Nachfragebündelung.“ Und wenn diese Phase beendet sei, beginne die Prüfungsphase. Erst dann würden die Kundinnen und Kunden sowie die Öffentlichkeit über die Entscheidung und die nächsten Schritte informiert. Valide Auskunft über konkrete weitere Schritte des geplanten Infrastrukturprojektes könne die DGN nicht geben. Mit anderen Worten: Belastbare Informationen, wann und ob das Projekt jemals umgesetzt wird, gibt es nicht.

Die Giganetz-Anhänger sind zusammen mit dem Büro am Bahnhof die einzige Werbung, die aktuell noch gemacht wird. Foto: Schlegel

Auch die Telekom wirbt in Bad Harzburgs mit Glasfaser. Allerdings nur in ausgesuchten Bereichen und (wie hier) an Schulen. Foto: Schlegel
Konkurrenz durch die Telekom
Dann, so wusste Simon aus einem Kontakt mit der Deutschen Netzagentur zu berichten, sei die Telekom mittlerweile dafür bekannt, überall dort, wo Konkurrenzanbieter auftauchen, plötzlich lukrative Bereiche selbst ausbauen. In Bad Harzburg beispielsweise haben Wohnbaugesellschaften mit der Telekom Verträge abgeschlossen. Große Firmen in der Stadt haben sich auf eigene Kosten ans Glasfasernetz der Telekom anschließen lassen. Auf der Galopprennbahn kommt schnelles Internet mittlerweile ebenfalls aus einer magentafarbenen Quelle. Aber die Telekom baut halt nur punktuell aus. „Rosinenpickerei“ wurde das am Pur-Stammtisch genannt.
Keine Haustürwerbung mehr
Die Einzige, die derzeit Bad Harzburg flächendeckend versorgen würde, wäre die Deutsche Giganetz. Aber, was macht denn die Giganetz jetzt, um ihre Quote zu erfüllen: Aktuell sind keine Vertriebsteams in Bad Harzburg im Einsatz, heißt es aus der Pressestelle. Die Bürgerinnen und Bürger hätten aber die Möglichkeit, sich im Glasfaser-Shop am Bahnhof zu informieren und Verträge abzuschließen. Der Shop hat montags, dienstags und donnerstags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Umfassendere Informationen dürften die Bad Harzburger am 24. September ab 15 Uhr bekommen. Das Gigabitbüro des Bundes, das unterstreiche Andreas Simon, ist unabhängig. Wobei es am Freizeitzentrum dennoch auch um Giganetz gehen wird. Denn viele Interessenten und auch potenzielle Kunden haben Fragen. Viele drehen sich beispielsweise rund um die Verträge, die abgeschlossen wurden und nun die Kunden gerne wissen würden: Wann werden sie erfüllt? Und komme ich gegebenenfalls aus dem Vertrag wieder raus?
MEINE MEINUNG
Seid gefälligst alle froh und dankbar!
Neulich, als die GZ schrieb, die Deutsche Giganetz gehe mit Informationen zurückhaltend um, gab es postwendend einen bösen Anruf aus der erkennbar dünnhäutigen Pressestelle: So etwas habe man ja von einer Zeitung noch nie erlebt, man müsse der Firma doch bitte schön Zeit geben, die Fragen zu beantworten. Sie seien an die entsprechende Fachabteilung weitergeleitet worden. Dass die GZ mit „zurückhaltend“ eher die Giganetz-Informationspolitik der vergangenen Monate meinte, spielte offenbar keine Rolle. Denn seit einem Jahr weiß niemand offiziell, wie viele Bad Harzburger eigentlich Verträge unterzeichnet haben.

Holger Schlegel Foto: GZ
Ja, für den Ausbau braucht es 35 Prozent aller Bad Harzburger Haushalte als Kunden, lautet die offizielle Auskunft. Nein, diese Quote sei nicht erreicht. Wie groß der Abstand ist? Betriebsgeheimnis.
Einen Zeitplan? Gibt es nicht. Ausbaugebiete? Werden irgendwann geprüft. Erst muss die „Nachfragebündelung“ abgeschlossen sein – ein Vorgang, der offenbar so lange gedehnt werden kann, bis auch das letzte Restinteresse versiegt ist. Kundenwerbung im Ort? Fehlanzeige. Zumal das ja in der Tat hier und da kräftig in die Hose gegangen war. Stattdessen lädt die Firma in ihren Glasfaser-Shop am Bahnhof, geöffnet an drei Nachmittagen pro Woche für jeweils drei Stunden – vielleicht in der Hoffnung, dass sich die 35 Prozent dann dort noch von selbst melden.
Ob das Projekt kommt oder sang- und klanglos beerdigt wird, bleibt offen. Bei Misserfolg werden sowieso andere Schuld sein. Natürlich auch die GZ. Der wurde nämlich aus der empörten Pressestelle ein wenig mehr Professionalität bei der Recherche und gefälligst ein wenig mehr Dankbarkeit im Umgang mit der Giganetz empfohlen: „Sie wollen doch auch Glasfaser für Bad Harzburg, oder?“ Nun, ja: Belastbare Informationen hätten fürs Erste gereicht.
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