Auszeichnung für Projekte über NS-Opfer und jüdisches Leben
Platz eins für die Förderschule am Harly aus Vienenburg: Die siegreiche Gruppe präsentiert zusammen mit Kultusstaatssekretär Stephan Ertner (r.) die Urkunde. Foto: Kultusministerium
Zwei Schulen aus Goslar räumen in Hannover ab und belegen die vorderen Plätze beim Friedenspreis von Niedersachsen. Die GZ stellt die Sieger und ihre Arbeiten vor.
Goslar. Ihre Wege hätten sich eigentlich schon vorher irgendwo in Goslar kreuzen können, doch an diesem Tag begegnen sich zwei Schülergruppen aus Vienenburg und Oker zum ersten Mal ausgerechnet in Hannover. Die Verwunderung ist ihnen anzusehen. „Hey, kennen wir das nicht? Da waren wir doch auch! Kurt Heilbrunn – zu ihm haben wir auch geforscht“, lautet nur ein überraschter Satz.
Doch der Reihe nach. In der Vorwoche öffnen sich an einem späten Vormittag die schweren Holztüren des Gästehauses der Landesregierung. Dahinter kommen hohe Marmorwände und mächtige Holzvertäfelungen zum Vorschein. Eine imposante Treppe mit einem roten Teppich führt hinauf. Die Gästegruppen kommen an, legen ihre Garderobe ab, stecken sich Namensschilder mit dem Wappen Niedersachsens an und betreten den Saal.
Zwei der drei Preise gehen nach Goslar
Sie werden an diesem Tag geehrt als Träger des Friedenspreises für Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen 2025. Gleich zwei der drei begehrten Preise gehen nach Goslar: an die Adolf-Grimme-Gesamtschule in Oker und die Förderschule Schule am Harly in Vienenburg. Reiko Linzer (Harly-Schule) und Sabine Rehse (AGG) berichten, wie Stephan Ertner, seit Oktober neuer Staatssekretär im Kultusministerium, die Auswahl der Jury begründet. Er sagt: „Die Schülerinnen und Schüler haben sich beeindruckend für das friedliche Zusammenleben, für Vielfalt und gegen Antisemitismus sowie für Europa eingesetzt. Dafür haben sie sehr viel Zeit und Energie aufgewendet. In der aktuellen gesellschaftlichen Lage, in der Demokratiefeindlichkeit und Polarisierung zunehmen, ist dieses Engagement extrem wertvoll.“Dreimonatiges Projekt
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Jüdische Familien in Goslar um 1933
Den mit 2500 Euro dotierten ersten Preis gewinnen die Schülerinnen und Schüler der Vienenburger Harly-Schule mit ihrem Projekt „Geschichte trifft Gegenwart – das Leben jüdischer Familien in Goslar um 1933“. Die Jungen und Mädchen hatten sich besonders mit dem Jungen Kurt Heilbrunn auseinandergesetzt. Er wurde demnach zum Opfer von Mitschülern und Lehrern, zum Opfer einer Gesellschaft aus Tätern, Weg- und Hinsehern, die gemeinsam die Verantwortung für die Verbrechen des deutschen Faschismus trugen. Die Projektgruppe hatte auf dem jüdischen Friedhof und im Stadtarchiv Goslars zur Geschichte geforscht, die Synagoge in Braunschweig und das Holocaust-Denkmal in Berlin besucht und sich intensiv mit dem jüdischen Glauben beschäftigt.
Viel Arbeit floss in ein interaktives Modell nach dem Vorbild des Holocaust-Denkmals in Berlin. Hier erhielten jüdische Bürger Goslars ein Gesicht. Über einen QR-Code konnte man von ihren Schicksalen erfahren. Nach der großen Ausstellung in der Förderschule am Harly soll das Modell im Kulturmarktplatz Goslar und bei den „Jüdischen Kulturtagen“ 2026 zu sehen sein. Bei der Preisübergabe berichten Kevin und Jakob über das Projekt. Was haben sie für ihr Leben daraus mitgenommen? Es kommt auf uns an, aus der Geschichte zu lernen und Verantwortung zu übernehmen.Schicksale in der NS-Zeit
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Opfer des Nationalsozialismus
Mit einem der zwei zweiten Preis, für die 1500 Euro ausgelobt sind, wird jene Arbeitsgemeinschaft des zehnten Jahrgangs der Adolf-Grimme-Gesamtschule ausgezeichnet, die sich ein Schuljahr lang jeden Freitagnachmittag mit Opfern des Nationalsozialismus aus Goslar auseinandergesetzt hatte. Die Gruppe beschäftigte sich zunächst mit Schicksalen jüdischer Familien und verfolgte Ende Januar die Lebenswege der ermordeten Goslarer Henny Heilbrunn sowie Alfred und Kurt Lebach bis ins ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.
Platz zwei für die Okeraner Adolf-Grimme-Gesamtschule (v.l.): Die beiden Lehrerinnen Sabine Rehse und Elena Müller freuen sich zusammen mit Aliyah Bittaye, Kilian Habath, Maik Klehr, Emily-Sophie Berger, Leonie Machner, Ayamuddin Stanikzai, Jonah Diekmeier und Direktorin Christine Voß. Foto: Privat
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Von Schuld und Verantwortung
Beide Schulen machen während der Preisverleihung in beeindruckender Weise deutlich, warum es für eine demokratische Gesellschaft wichtig ist, Erinnerungskultur aktiv mitzugestalten. Schüler Ayamuddin Stanikzai findet passende Abschlussworte: „Es ist es wichtig, dass wir erinnern. Nicht, weil wir Schuld haben. Sondern, weil wir Verantwortung haben. Für eine Gesellschaft, in der jeder Mensch – unabhängig seiner Herkunft, Religion, Sexualität oder Behinderung – sicher und frei leben kann. Ohne Angst. Ohne Hass.“DAS IST DER FRIEDENSPREIS
Mit dem Friedenspreis für Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen werden seit 1993 besondere Leistungen von Schülerinnen und Schülern gewürdigt, die dem friedlichen und solidarischen Zusammenleben von Menschen in einer vielfältigen Gesellschaft dienen. Die zu verleihenden Preise sind mit einer Gesamtsumme in Höhe von 7500 Euro aus den Mitteln der politischen Bildung des Niedersächsischen Kultusministeriums dotiert. 2025 wurden insgesamt 21 Projekte eingereicht. Sie kommen aus drei Grundschulen, drei Förderschulen, fünf Oberschulen, zwei Gesamtschulen, fünf Gymnasien und drei Berufsbildenden Schulen.
Die Jury bestand aus Akteuren aus der politischen und historisch-politischen Bildung, Vertretungen der Gewinnerschulen des Schülerfriedenspreises 2024, dem Vorsitzenden des Landesschülerrates sowie aus Vertretungen des Kultusministeriums.
Einen weiteren zweiten Preis erhält das Hümmling-Gymnasium in Sögel im Landkreis Emsland für das Projekt „Europa – Leben in Demokratie, Freiheit, Frieden und Vielfalt“. Den mit 2000 Euro dotierten Zivilcouragepreis nimmt die Marion-Blumenthal-Oberschule aus Hoya aus dem Landkreis Nienburg/Weser mit nach Hause. Sie setzt mit dem Festival „Get loud against hate“ ein gesellschaftspolitisches Statement.
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