Die schlechteren Böden können in diesem Jahr profitieren
Wenn das Wetter mitspielt, dann rollen die Erntemaschinen, um das Getreide zu dreschen – so wie hier im Neiletal. Foto: Biener
Das Dreschen der letzten Weizenschläge steht an, bei Gerste und Raps ist die Ernte bereits eingefahren. Wie sieht die Bilanz der Landwirte in diesem Sommer für das nördliche Harzvorland aus? Was bringt der Herbst mit Mais und Zuckerrübe?
Nordharz. Das Dreschen der letzten Weizenschläge steht an, bei Gerste und Raps ist die Ernte bereits eingefahren. Die Erträge erreichen durchschnittliches Niveau – und die schlechten Böden sind in diesem Jahr die Gewinner.
Goslars Kreislandwirt Christian Scherb spricht von einer „Durchschnittsernte“. „Wir hatten einen extrem nassen Herbst und ein extrem nasses Frühjahr“, erzählt er. Ralph Behrens von der Landberatung Harzvorland spricht deshalb von „schlechten Bestellbedingungen“. „Der Weizen bekam nasse Füße – und das förderte Krankheiten wie den Braunrost.“ Das ist ein Pilz, der Ertragsverluste verursacht. Regelmäßig habe in den Fahrspuren das Wasser gestanden. „In Liebenburg registrierten wir beispielsweise bis jetzt 525 Millimeter Niederschlag – in normalen Jahren wären es zum jetzigen Zeitpunkt 400 Millimeter, wenn überhaupt.“
Bei trockener Witterung sind während der Erntezeit die Mähdrescher auch nachts im Einsatz, um die Felder abzuernten. Foto: Gereke
Das führte dazu, dass die Saat nicht überall gleichmäßig auflief – und zum Teil gar nicht. „Die Anzahl der ährentragenden Halme pro Quadratmeter liegt teilweise unter Durchschnitt“, berichtet Scherb. Zudem führte die Feuchtigkeit dazu, dass der Weizen schlecht wurzelte. Das Wasser sei ihm regelrecht in die „Füße“ gelaufen, weshalb er gar nicht groß Wurzeln bilden musste.
So viel Mehl steckt im Korn
Wichtig beim Weizen sei das sogenannte Hektolitergewicht. Es ist definiert als das Gewicht von 100 Litern Getreide und dient als Qualitätskriterium und zur Bestimmung des Getreidepreises. Scherb: „Und es sagt aus, wie viel Mehl im Korn ist.“ Hafer sollte ein Hektolitergewicht von 55 Kilogramm haben, Gerste von 62 Kilogramm und Weizen zwischen 76 und 80 Kilogramm liegen.

Vor der Silhouette von Lutter leert der Mähdrescher seinen Korntank. Foto: Biener
Noch stimmen beim Weizen die Qualitäten. Nach Einschätzung von Behrens steht noch etwa 10 Prozent auf den Feldern. Um die restliche Ernte einfahren zu können, ist also noch eine trockene Phase nötig, „und nicht alle zwei Tage Regen.“ Sonst könnten sich die Fallzahlen für die Frucht verschlechtern.
Die haben tatsächlich etwas mit Fallen zu tun. Versuchsaufbau: Eine genormte Spindel fällt in eine bestimmte Menge Brei. Die Zeit, die sie braucht, um auf den Boden des Gefäßes vorzustoßen, ist die Fallzahl. „Je länger sie braucht, desto besser das Mehl“, erläutert Behrens. Liegt die Zeit unter einer bestimmten Schwelle, taugt aber das Korn nicht mehr als Backweizen, sondern kann nur noch als Futterweizen dienen.

Erntezeit auf dem Kornfeld ist immer auch eine staubige Zeit. Weithin ist an den Staubwolken sichtbar, wo die Mähdrescher im Einsatz sind. Foto: Gereke
Ein Resümee, das beide ziehen: Beim Weizen erzielen die guten Standorte geringere Erträge als gewöhnlich, während die wasserdurchlässigen Böden, die in trockenen Jahren im Nachteil sind, profitieren. „Wir liegen im Moment regionsweit 5 bis 8 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt. Statt 9,5 bis 10 Tonnen ernten wir 8,5 bis 9 Tonnen“, sagt Behrens.
Frostnächte während der Rapsblüte
Auch bei Gerste sei der Ertrag durchschnittlich: In guten Jahren liegt er bei mehr als zehn Tonnen pro Hektar, jetzt pendelt er zwischen 8,5 Tonnen (mindere Standorte) und 9,5 Tonnen (gute Standorte). Der Raps bleibt ebenfalls hinter guten Jahren zurück. Die bescheren mehr als vier Tonnen pro Hektar. „Jetzt liegt der Regionsschnitt bei 3,7 Tonnen, auf schlechten Standorten sogar nur bei 2 bis 2,5 Tonnen.

Während auf den einen Feldern die Halme gehäckselt werden und auf dem Acker verbleiben, werden auf anderen Schlägen aus dem Stroh Rundballen gepresst. Foto: Gereke
Ein Grund für die Verluste beim Raps: „Die Blüte begann Anfang April. Dann aber kamen noch ein paar Frostnächte – und das mag die Frucht gar nicht“, sagt Scherb. Hinzu komme, dass einige Insektizide und Beizen für Raps nicht mehr zugelassen seien. Und: „Wir verzeichnen in diesem Jahr deutlich zu wenig Sonnenstunden. Das wirkt sich nicht nur beim Raps, sondern auch beim Getreide aus“, sagt Behrens
Es gelte eben: „Sonnenjahre sind Wonnenjahre – die Sonne liefert die Energie.“ Und gute Standorte mit wasserhaltenden Böden sind dann die Voraussetzung für überdurchschnittliche Ernten. Aber: Ein Grund zum Klagen sei die diesjährige Ernte nicht, so Behrens.
Preisniveau so niedrig wie lange nicht mehr
Wermutstropfen sei allerdings die Preisentwicklung: „Das Preisniveau ist in diesem Jahr so niedrig wie schon lange nicht mehr. Für Gerste wird derzeit frei Landlager 154 Euro je Tonne gezahlt, für Futterweizen etwa 180 Euro und für Brotweizen 191 Euro. Die Preise bewegen sich zur Zeit kaum nach oben. Da die Ernten insgesamt nicht so üppig ausfallen, besteht noch Hoffnung auf eine Preissteigerung zum Jahresanfang“, erklärt Behrens. Damit liegt der Preis pro Tonne beispielsweise beim Weizen aktuell unter dem Niveau von Anfang Februar 2022 – damals vor Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, beide Länder sind große Weizenproduzenten, pendelte er bei rund 280 Euro pro Tonne, ehe er aufgrund des Krieges in die Höhe schoss.
Allerdings: Das Beste könnte noch kommen. „Die späten Früchte wie Mais und Rübe profitieren.“ Bei beiden rechnet er mit „super Erträgen“. „Der Mais steht drei bis dreieinhalb Meter hoch. Und was wir jetzt schon unter den Rübenblättern finden, das ist groß.“ Scherb: „Die Rübe präsentiert sich hervorragend.“

Die Nacht bricht über die Har hinein – die Mähdrescher schieben sich mit ihren Scheinwerfern durch die Dunkelheit. Foto: Gereke
Scherb fuhr übrigens, gemessen am Aufwand, mit seinem Erbsenanbau am besten. „Mit dem ließ sich am meisten Geld verdienen“, so sein Fazit. Das Jahr sei wieder beispielhaft dafür, warum Landwirte mehrere Kulturen anbauen, und sich nicht nur auf einige wenige konzentrieren, so der Kreislandwirt.
Ansonsten lieferte diese Ernte wieder Beispiele dafür, wie lokal Regen fallen könne. Scherb: „In Bredelem brauchte ich den Mähdrescher gar nicht hervorzuholen, weil es nass war, bei Dörnten konnten sie am selben Tag ihre Runden auf den Schlägen ziehen.“