Dürfen Bad Harzburger Kinder nur noch muslimische Speisen essen?
Das Frühstück in einer Kita ist eigentlich eine nette und leckere Sache, wie auf diesem Symbolbild. In der Kita Hasenwinkel jedoch eskaliert ein Streit und mutiert zur Hetzkampagne gegen die Stadt. Foto: Kahnert/dpa
Gibt es in der Kita Hasenwinkel nur noch „Halal“-Frühstück, also nur noch Essen für muslimische Kinder, weil der grüne Bürgermeister das so angeordnet hat? Aus rechten Kreisen wird genau dies seit einigen Tagen kolportiert. Die GZ hat nachgebohrt.
Bad Harzburg. Gibt es in der Kita Hasenwinkel seit einiger Zeit nur noch „Halal“-Frühstück, also nur noch Essen für muslimische Kinder, weil der grüne Bürgermeister von Bad Harzburg das so angeordnet hat? Aus einschlägigen rechten Kreisen wird genau dies seit einigen Tagen kolportiert. Ganz so ist es aber nicht. Die GZ hat nachgebohrt.
Die Initialzündung dafür hatte in der vergangenen Woche eine Mutter gegeben, die sich echauffiert, dass in der Kita als „Alleinstellungsmerkmal“ drei Wurstsorten mit dem „Halal“-Siegel auf dem Frühstücksbuffet liegen und nur eine andere Leberwurst. Zur Erklärung: Halal sind Nahrungsmittel, die nach einem speziellen muslimischen Ritual hergestellt werden.
1400 Drohmails und Briefe
Und nur noch solche Nahrungsmittel gibt es in der Kita? Selbst bei der AfD-Veranstaltung am Wochenende im Schloss wurde das thematisiert. Dass sie damit einen Proteststurm aus der rechten Ecke losgetreten hat, sei aber nicht ihr Ansinnen gewesen, sagt die Mutter nun gegenüber der GZ. Sie hatte ihren Unmut allerdings einer Influencerin mitgeteilt, die in rechten Kreisen durchaus einen Namen hat. Über diese Schiene landete der vermeintliche Skandal auf rechtspopulistischen Kanälen. Die Stadt und die Kita haben seither rund 1400 Protestmails und regelrechte Drohbriefe bekommen, so Bürgermeister Ralf Abrahms.
Ein großes Frühstücksbuffet
Was ist da los? Für Ralf Abrahms und die zuständige Amtsleiterin Silke Reinhold ist die Sache alles andere als ein Skandal: In der Kita Hasenwinkel werde ein Frühstücksbuffet angeboten, das, so Abrahms, manches Sternehotel nicht in dieser Vielfalt bereithält: Obst, Gemüse, Brot und Brötchen von Bäcker Stübig, Knäckebrot, zuckerfreie Cornflakes, Haferflocken (Zart), Milch, Naturjoghurt mit diversen Toppings wie klein geschnittenes Obst oder Saaten, zuckerreduzierte Marmelade, zwei verschiedene Streichcremes, Frisch- und Kräuterfrischkäse, Weichkäse, Schnittkäse, Eierspeisen wie Rührei oder hart gekochtes Ei, Leberwurst und eben auch „Salami, Mortadella und Hähnchenwurst (halal)“.
Stadt: „110 Familien sind zufrieden“
Streng genommen geht es bei diesem Buffet also um drei Wurstsorten und die, so Reinhold, habe es schon immer dort gegeben. Sie werden in einem heimischen Supermarkt gekauft und kommen von einem namhaften deutschen Hersteller. Der habe halt vor einiger Zeit einige seiner Produkte mit dem Halal-Siegel zertifizieren lassen. Zubereitet werde der Aufschnitt aber nach deutschen Vorschriften. Auf der Homepage des Betriebes liest sich das so: Mit der Halal-Zertifizierung folge die Schlachterei – wie viele weitere Lebensmittelhersteller – der Nachfrage nach hochwertigen Produkte, egal welcher ethnischen oder religiösen Herkunft. Oberste Priorität habe beim Schlachtvorgang die deutsche Tierschutz-Schlachtverordnung. Die Vorgaben dieser Verordnung würden sicherstellen, dass die Tiere nicht gequält werden und alle Tiere vor dem Schlachten tief und sicher betäubt, also schmerzunempfindlich, sind. Demzufolge habe die Halal-Schlachtung nichts mit dem betäubungslosen Schächten zu tun. Jedes geschlachtete Tier wird mehrfach von amtlicher Seite und vom Betrieb kontrolliert.
Es hätten sich von 110 Familien nur eine bei der Stadt gemeldet und dieses Konzept kritisiert, so Abrahms und Reinhold. Wobei die betreffende Mutter gegenüber der GZ erklärt, es gäbe auch andere Eltern, die ihrer Meinung seien.

Der Stein des Anstoßes: Die Geflügel-Mortadella hat hinten einen kleinen Aufdruck, der sie als „halal“ zertifiziert Foto: Schlegel
Das, so wiederum die Stadtverwaltung, sei weder beabsichtigt noch der Fall. Wie gesagt: Das Angebot habe sich nur durch die neue Zertifizierung der Wurst, die schon viel länger angeboten werde, verändert. Das Wort „Alleinstellungsmerkmal“ sei auch nur der betroffenen Mutter gegenüber geäußert worden, es sei kein offizielles Aushängeschild der Kita Hasenwinkel.
Es geht nur um eine Wurstsorte
Mit der Kita ist die Mutter eigentlich auch sehr zufrieden, „die ist super, gerade weil da auch so viele Kulturen zusammenkommen“. Aber sie bleibt dabei: Ein oder zwei „nicht-halal“-Wurstsorten mehr dürften es schon sein.
Hängt also die ganze Sache am Ende nur an ein oder zwei Wurstsorten? Nicht ganz. Die Mutter fühlt sich auch von der Stadt nicht genügend angehört. Bei Gesprächen oder in Briefen sei sie mit ihrem Ansinnen, das für sie so abwegig nicht ist, regelrecht abgekanzelt, gar ausgelacht worden. „Ich fühlte mich nicht vernünftig behandelt, man hätte einfach besser mit mir kommunizieren müssen.“ Auch das ist ein Umstand, auf den sich die rechten Kanäle bereits genüsslich gestürzt haben. Aber dass die Mutter ausgelacht oder abgekanzelt worden sei, sehen Amtsleiterin Reinhold und Bürgermeister Abrahms ganz anders. Und bei Gespräche seien auch andere Eltern dabei gewesen, die die Sache weit weniger kritisch sehen würden.
Aktuell kein Handlungsbedarf
Und nun? Dass sie eine rechte Protest- und sogar Hasswelle losgetreten hat, sei nicht ihr Ansinnen gewesen, so die Mutter. „Ich bin überhaupt nicht rechtspopulistisch“, sagt sie. Und sie habe auch kein rechtes Gedankengut verbreiten wollen.
Das sieht die Stadt etwas anders, mittlerweile sei nämlich aus der rechten Ecke sogar ein Anwalt gegen die Kommune eingeschaltet worden, so Abrahms. Für ihn sei offensichtlich, dass eine Verbreitung der Thematik das Ziel gewesen sei. Aktuell sei allerdings aus Sicht der Verwaltung kein vorschnelles Handeln notwendig, da die Kitas wegen der Ferien geschlossen seien. Allerdings habe die Verwaltung in der Vergangenheit nicht in die Konzepterstellung der Einrichtungen eingegriffen und werde das auch in Zukunft nicht tun.
HINTERGRUND: HALAL
Der Begriff Halal stammt aus dem Arabischen und bedeutet „erlaubt“ oder „zulässig“. Er bezeichnet Lebensmittel, die nach islamischen Vorschriften hergestellt wurden. Beim Fleisch bedeutet das unter anderem:
- Es darf nur von für den Verzehr erlaubten Tieren stammen (zum Beispiel kein Schwein).
- Das Tier muss regelgerecht geschlachtet worden sein.
- Das Tier darf vor dem Schlachten nicht bereits verendet sein.
- In einigen Ländern ist dabei die betäubungslose Schlachtung (sogenanntes „Schächten“) üblich, bei der das Tier mit einem Schnitt durch die Kehle entblutet wird. In Deutschland hingegen gilt:
Auch bei Halal-zertifizierten Produkten ist eine Betäubung vor dem Schlachten gesetzlich vorgeschrieben. So auch im Fall der Kita Hasenwinkel: Die verwendeten Wurstsorten stammen von einem deutschen Hersteller, der nach eigenen Angaben streng nach der deutschen Tierschutz-Schlachtverordnung arbeitet. Das bedeutet: Alle Tiere werden vor dem Schlachten tief und sicher betäubt.
Die Halal-Zertifizierung dieser Produkte betrifft also nicht die Schlachtmethode selbst, sondern stellt sicher, dass die übrigen religiösen Vorschriften eingehalten wurden – etwa, dass keine unzulässigen Zutaten enthalten sind.
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