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Braunlage und St. Andreasberg

GZ Plus IconStreit um Dachmarke zeigt: Zwischen Orten besteht noch eine Kluft

Es gleicht einem Trauermarsch: Am 31. Oktober 2011, dem letzten Tag der selbständigen Bergstadt St. Andreasberg, marschiert eine Gruppe von Bürgern mit Fackeln, einer Fahne der Bergstadt und Trauerflor durch den Ort.

Es gleicht einem Trauermarsch: Am 31. Oktober 2011, dem letzten Tag der selbständigen Bergstadt St. Andreasberg, marschiert eine Gruppe von Bürgern mit Fackeln, einer Fahne der Bergstadt und Trauerflor durch den Ort. Foto: Eggers

Die Diskussion um die gemeinsame Dachmarke zeigt es: Noch ist das Zusammengehörigkeitsgefühl von Braunlage und St. Andreasberg nicht allzu ausgeprägt. Die Fusion zum 1. November 2011 war denn auch keine Liebesheirat, sondern eher eine Vernunftsehe.

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Von Michael Eggers
Montag, 17.02.2025, 04:00 Uhr

St. Andreasberg. Es war keine Liebesheirat, die Fusion der Stadt Braunlage und der Bergstadt St. Andreasberg. Die Kommunalpolitiker aus beiden Orten hatten vor 14 Jahren nicht unbedingt „Hurra“ geschrien, als sie zusammengingen. Und auch heute noch gibt es Probleme zwischen den einzelnen Ortsteilen, wie derzeit vor allem die Diskussionen um die gemeinsame Dachmarke, den Antrag der St. Andreasberger Ratsmitgliedern für die ehemalige St.-Andreas-Kirche und die Archivierung der historischen Akten zeigen.

Vor 14 Jahren entwickeln die drei Freunde Werner Heindorf, Hermann Rademacher und Horst Deistung dieses nicht ganz ernst gemeinte Wappen zum Zusammenschluss der drei Ortsteile zur neuen Stadt Braunlage. Es gibt es nicht nur als aufwendige Schnitzarbeit, sondern auch als Aufkleber.

Vor 14 Jahren entwickeln die drei Freunde Werner Heindorf, Hermann Rademacher und Horst Deistung dieses nicht ganz ernst gemeinte Wappen zum Zusammenschluss der drei Ortsteile zur neuen Stadt Braunlage. Es gibt es nicht nur als aufwendige Schnitzarbeit, sondern auch als Aufkleber. Foto: Eggers

Hauptproblem bei all den Streitfällen ist, wie bei Ehen zwischen Menschen manchmal auch, vor allem das Geld. Die Stadt Braunlage ist mit 21 Millionen Euro hoch verschuldet, und jährlich kamen zuletzt jeweils mehr als vier Millionen Euro dazu. Bürgermeister Wolfgang Langer (Bürgerliste) hofft allerdings, den Trend für 2026 zu stoppen und nur noch zwei Millionen Euro Defizit zu machen. Damit das gelingt, muss das Geld jetzt statt zwei-, dreimal umgedreht werden, bevor es ausgegeben wird, sprich die Stadt muss sich genau überlegen, ob sie die ehemalige St.-Andreas-Kirche wie von den Ratsmitgliedern aus der Bergstadt gefordert, in eine Multifunktionshalle umbaut.

Subventioniertes Abwasser

Diese Forderung haben die St. Andreasberger Kommunalpolitiker auch aufgestellt, weil sie das Gefühl haben, nicht entsprechend berücksichtigt zu werden. Während in Braunlage die Millionen für die Stadtsanierung und in Hohegeiß für die Sanierung des Freibades ausgegeben werden, ist in St. Andreasberg gerade einmal die Rathausscheune saniert worden, ist immer wieder zu hören.

Im Braunlager Rathaus sind die drei Ortsteile vereint, zudem tagt der Rat seit mehr als zwei Jahren stets im Ratssaal im Obergeschoss.

Im Braunlager Rathaus sind die drei Ortsteile vereint, zudem tagt der Rat seit mehr als zwei Jahren stets im Ratssaal im Obergeschoss. Foto: Eggers

Laut dem Land Niedersachsen hat die fusionierte Stadt eine Entschuldungshilfe von fast zwölf Millionen Euro erhalten. Das Geld ist weg, mittlerweile sind die Schulden wieder hoch, und das Kurhaus St. Andreasberg ist noch nicht saniert, auch wenn die Stadt derzeit dabei ist, eine Lösung zu finden und zudem weitere Projekte wie unter anderem die Sanierung des Bergwerksmuseums Grube Samson vorantreibt.

Viele Braunlager können denn auch die Kritik aus der Bergstadt nicht verstehen, denn finanziell dürften die St. Andreasberger in einigen Punkten durch die Fusion auch besser dastehen. Unter anderem subventionieren die Braunlager jetzt die Abwassergebühren für die Bürger der Bergstadt und ihrer einstigen Ortsteile Sonnenberg und Oderbrück.

Vor allem die Bürger aus St. Andreasberg sind offenkundig noch nicht unbedingt fein mit der Fusion.

Vor allem die Bürger aus St. Andreasberg sind offenkundig noch nicht unbedingt fein mit der Fusion. Foto: Eggers

St. Andreasberg hat sich bei der Fusion zudem auch viel Eigenständigkeit bewahren können. So ist die Postleitzahl „37444“ geblieben, und nicht die Braunlager „38700“ übernommen worden. Auch die Straßennamen sind nicht geändert worden, sodass es in der Stadt Braunlage gleich zwei Schützenstraßen und zwei Straßen mit Namen „Am Kurpark“ gibt. Bei der Fusion in Walkenried oder der von Langelsheim und Lutter war das anders. Lutter ist jetzt „38729 Langelsheim“, und viele Straßennamen sind geändert worden, in Bodenstein sogar gleich zwei. Die Hauptstraße wurde zur Landstraße, die Rosenstraße zur Rosengasse. Auch der Zusatz „Bergstadt“ blieb in St. Andreasberg erhalten.

Kaum Sitzungen

Auch politisch sind die St. Andreasberger im Rat der Stadt Braunlage stärker vertreten, als es ihre Einwohnerzahl hergeben würde. Im Kommunalparlament sitzen fünf St. Andreasberger, vier Hohegeißer, sieben Braunlager und kraft Gesetzes Bürgermeister Wolfgang Langer, der auch aus Braunlage kommt. Aktuell hat Braunlage mit 3034 Einwohnern sehr viel mehr als St. Andreasberg (1431 Einwohner) und Hohegeiß (844 Einwohner) zusammen.

Wie groß das Interesse der St. Andreasberger an kommunalpolitischen Sitzungen ist, zeigt der Besuch der Info-Veranstaltung zur gemeinsamen Dachmarke.

Wie groß das Interesse der St. Andreasberger an kommunalpolitischen Sitzungen ist, zeigt der Besuch der Info-Veranstaltung zur gemeinsamen Dachmarke. Foto: Eggers

Allerdings werden die Ortsteile unter anderem bei der Ausrichtung von Rats- und Ausschuss-Sitzungen objektiv betrachtet schon benachteiligt. Wie groß der Bedarf ist, an kommunalpolitischen Sitzungen teilzunehmen, hat die Info-Veranstaltung zur Dachmarke im Januar gezeigt. Das Café-Bistro „Spritzenhaus“ in St. Andreasberg war so voll, dass etliche Besucher stehen mussten. Dabei hat der Rat in seiner Geschäftsordnung erst vor anderthalb Jahren beschlossen, mindestens einmal im Jahr jeweils eine Rats- oder Ausschuss-Sitzung in St. Andreasberg und in Hohegeiß auszurichten, ein Passus, der auch vorher schon ähnlich drin stand. Im Bergdorf gab es zumindest gefühlt schon ewig keine Rats- oder Ausschuss-Sitzung mehr – zuletzt hat die Stadt vor zwei Jahren einmal zu einer Bürgerversammlung zur Grundschule eingeladen – in St. Andreasberg gab es die letzte Ratssitzung im November 2022, als der Braunlager Albert Baumann für 50-jährige Mitgliedschaft im Rat geehrt worden ist.

Zu diesen Sitzungen laden der Ratsvorsitzende Karl-Herbert Düker sowie die jeweiligen Ausschuss-Vorsitzenden jeweils in Abstimmung mit der Stadtverwaltung ein und bis auf Frederik Kunze kommen alle aus Braunlage. Kunze sitzt allerdings dem Bildungsausschuss vor, der nur sehr selten tagt.

Ein „BRL“-Kennzeichen

Diese Benachteiligungen sorgten dann, als es um die touristische Dachmarke ging, plötzlich vor allem bei den ehrenamtlich Tätigen für einen Gefühlsausbruch. Viele von ihnen engagieren sich im Bergstadtverein, der mittlerweile die meisten Mitglieder in der Stadt Braunlage hat. Der Streit um die historischen Akten aus St. Andreasberg ist aber beigelegt, der Rat fand den Kompromiss, dass die Daten vor 1972 in Hannover und die danach in Wolfenbüttel archiviert werden.

Die Auseinandersetzungen zwischen Nachbarorten ist aber ein Phänomen, dass es nicht nur zwischen Braunlage und St. Andreasberg gibt. Was Köln und Düsseldorf oder Braunschweig und Hannover im Großen sind, sind halt die beiden Harzorte im Kleinen. Das ist teilweise auch historisch gewachsen. St. Andreasberg war lange die Bergstadt, in der die Braunlager eine Zehn-Kilometer-Wanderung zur Apotheke auf sich nehmen mussten. Hinzu kommt, dass Braunlage zum Herzogtum Braunschweig und St. Andreasberg zum Königreich Hannover gehörte. Auch da habe es hin und wieder Probleme gegeben.

Besser soll da die Zusammenarbeit auf Feuerwehrebene laufen, wie Bürgermeister Wolfgang Langer am Mittwochabend in Hohegeiß berichtete. Auch da habe es „leichte Startschwierigkeiten“ gegeben, wie er meinte. Langer setzte beispielsweise durch, dass alle Wehren bei ihren Fahrzeugen das Kennzeichen „BRL“ (stand bis zur Gebietsreform für den Landkreis Blankenburg mit Sitz in Braunlage) tragen. Bis er 2019 ins Amt kam, hatten die St. Andreasberger und die Hohegeißer Feuerwehren stets auf „GS-Kennzeichen“ Wert gelegt. „Aber das mit ,BRL’ war nach kurzen Diskussionen kein Problem“, meint Langer.

Und auch zwischen den Vereinen funktioniert die Zusammenarbeit. So hatte erst kürzlich der Ski-Klub St. Andreasberg seinen Zwergencup am Wurmberg ausgerichtet und auf Schützenebene nehmen die Vereine regelmäßig an den Umzügen zum Schützenfest der jeweils anderen teil, auch wenn es da manchmal noch zu Sprüchen gegenüber des Nachbarorts kommt, die nicht alle als Frotzelei abtun.

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