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Was beschäftigte die Bürger?

GZ Plus IconDie Bauernkriege 1525 aus Goslarer Sicht

Besucher betrachten das Bauernkriegspanorama des Malers Werner Tübke im Panorama Museum in Bad Frankenhausen. Der Volksaufstand vor einem halben Jahrtausend hat auch Spuren in Goslar hinterlassen.

Besucher betrachten das Bauernkriegspanorama des Malers Werner Tübke im Panorama Museum in Bad Frankenhausen. Der Volksaufstand vor einem halben Jahrtausend hat auch Spuren in Goslar hinterlassen. Foto: picture alliance/dpa

Vor 500 Jahren erschütterte der größte Volksaufstand Deutschlands das Land. Auch Goslar stand im Spannungsfeld von Rebellion, Reformation und Machtkampf mit dem Herzog von Braunschweig. Was ist wirklich geschehen?

Von Christian Rehse Samstag, 11.10.2025, 18:00 Uhr

Goslar. Die Bauernkriege im Jahr 1525 sind zwar in diesem Jahr 500 Jahre her, sie prägten aber auf Generationen das kollektive Gedächtnis im deutschsprachigen Raum. Der Protest der Bauern weitete sich zum größten Volksaufstand der deutschen Geschichte aus. Geschätzt 200.000 Bauern und Bürger erhoben sich 1525 und organisierten sich unter ihrer Fahne mit dem Bundschuh (gebundener Schuh der Bauern als Zeichen des Widerstandes) in verschiedenen paramilitärischen Verbänden vom Bodensee bis Thüringen.

Goslar erlebte die Jahre um 1525 in großer wirtschaftlicher Blüte. Aus Berg-, Hütten- und Forsteinkünften entstand ein Wohlstand, der sich in einer regen Bautätigkeit im Stadtzentrum widerspiegelte. So wurden der Zwinger, das Breite Tor, die Kaiserworth, das Bäckergildehaus und das Brusttuch errichtet. Auch die Ausgestaltung des Rathauses mit dem Huldigungsaal erfolgte im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts.

Zu dieser Zeit gab es in Goslar fünf Pfarrkirchen, drei Kollegiatstifte, fünf Klöster, 16 Kapellen und vier Hospitäler. Außerdem wird über 30 geistliche Bruderschaften der Zünfte und Innungen berichtet, die im Auftrag der kirchlichen Obrigkeit handelten. So wird nach alten Dokumenten von mindestens 1000 Personen des geistlichen Standes bei einer Goslarer Einwohnerzahl von 10.000 Bürgern ausgegangen.

Unzufriedenheit durch Abgabepflicht

Die Landwirtschaft war während der gesamten Epoche mit Abstand der wichtigste Wirtschaftszweig. 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung lebten auf dem Land und arbeiteten im Agrarsektor. Die Bauern trugen die Hauptlast zur Aufrechterhaltung der Feudalgesellschaft. Fürsten, Adel, Beamte, Patrizier und der Klerus lebten von deren Arbeitskraft. Aber wirtschaftliche Probleme, häufige Missernten und der große Druck der Grundherren führten immer mehr Bauern in die Hörigkeit und Leibeigenschaft.

Der Druck der Grundherren durch neue Sonderabgaben führte zu immer größer werdender Unzufriedenheit und Armut der Landbevölkerung. So wurden Steuern (Beden) auf den bäuerlichen oder bürgerlichen Grundbesitz, Baurecht im eigenen Haus (Ziese), Geflügelabgabe zu Neujahr (Rauchhuhn), Naturalienabgabe bei Tod des Bauern (Besthaupt) oder Fräuleinsteuer bei Verheiratung der Tochter des Grundherrn erhoben. Dazu kamen die Frondienste mit Stellung von Gespannen oder Handdiensten, die die eigene Erwerbstätigkeit für die Familie und den Hof verhinderten. Die Kirche erhob dazu noch den Zehnt, ursprünglich den Getreide- oder Blutzehnt (Fleisch). Die Menschen begannen sich zunehmend von der Kirche zu entfremden, das Missverhältnis zwischen den christlichen Geboten und dem wahren kirchlichen Leben blieb den Bürgern nicht verborgen. Die geistlichen Obliegenheiten wurden vernachlässigt und die leiblichen gepflegt. So drohte der Graf von Stollberg-Wernigerode den Stiftherren der Sylvestri-Kirche mit dem Entzug ihrer Stiftstellen, wenn sie nicht die nächtlichen Orgien mit den „schönen Fräuleins“ ließen. Die Menschen waren nicht mehr willens, die Bürden und Lasten der Kirche und des Adels zu tragen. Die Forderungen der Bauern nach altüberlieferten Rechten und Milderung der Lasten rüttelten aber an den Grundfesten der bestehenden feudalen Gesellschaftsordnung. In dem Manifest der 12 Artikel von Memmingen fordern die Bauern die Aufhebung der Leibeigenschaft und eine unparteiische Rechtsprechung und das, was man heute die Menschenrechte nennt. Diese ersten Flugblätter wurden in Augsburg gedruckt und verbreiteten sich in einer Auflage von 25.000 Stück schnell in ganz Deutschland.

Unerträgliches Spannungsfeld

Früh beriefen sich die Aufständischen, die zu großen Teilen aus der ländlichen Bevölkerung stammten, auf die Forderungen der Reformatoren Martin Luther und Thomas Müntzer. Während Luther ausschließlich theologische Zusammenhänge, wenig aber die Not und die weltliche Lebenssituation der Bauern im Auge hatte, konnte er sich auf die teilweise Unterstützung des Adels, beispielsweise der Mansfelder Grafen, stützen. Mit seiner Schrift „Gegen die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ überzieht Luther aus heutiger Sicht völlig. In Wahrheit wendet sich die Gewalt der Rebellen nachweislich fast nur gegen Sachen, nicht gegen Menschen. Dagegen waren die Forderungen von Thomas Müntzer radikaler. In dem theologischen Prager Manifest nahm er offen gegen die Papstkirche und deren „bösewichtischen, verräterische Pfaffen“ und die „Herren, die nur fressen und saufen und schmausen“ Stellung. Aus dieser Einstellung schöpfte er auch seinen Einsatz für soziale Gerechtigkeit, Vertrauen setzte er in das „gemeine Volk mit einer lebendigen Gottesbeziehung“. In der damaligen stark religiös geprägten Gesellschaft trug die wachsende Unterdrückung des gemeinen Volkes durch den Adel und die Kirche, sinkende Agrarpreise bei ständiger Verteuerung der Lebenskosten und drückende Steuern zu einem unerträglichen Spannungsfeld.

Goslar als nördlicher Punkt

In den Berichten über die Aufstände im süddeutschen und mitteldeutschen Raum in den Jahren 1524/25 wird auch immer wieder der Name Goslar als nördlicher Punkt des Aufstandsgebietes genannt. Allerdings findet sich im Goslarer Stadtarchiv wenig Konkretes über den Aufstand in unserer Region. Dies erstaunt, da die soziale Erhebung ja nicht nur auf die Bauern beschränkt war. Zahlreiche Bürgerproteste waren zumeist von den ärmeren und unterprivilegierten Schichten in den Städten getragen und richteten sich gegen die ökonomischen und politischen Vorrechte der Patrizier und des Klerus. Der Adel war an einer Änderung der Lebensumstände der Bauern und Unterschichten nicht interessiert, weil dadurch zwangsläufig eigene Privilegien und Vorteile eingeschränkt worden wären. Der mächtige Klerus wehrte sich ebenfalls gegen jede Veränderung. Der damalige Katholizismus stellte die Kernsäule des herrschenden Feudalismus dar. Viele Dörfer und Höfe einschließlich der Leibeigenen gehörten der Kirche beziehungsweise den Klöstern.

Allerdings war für alle Goslarer Bürger im Jahr 1525 das wesentlich wichtigere Ereignis neben den sozialen Unruhen, die beginnende 30-jährige Auseinandersetzung mit Herzog Heinrich von Braunschweig, der den Wohlstand der Stadt massiv bedrohte. Mit der Rückzahlung der Pfandsumme beendete er die Hoheit der Stadt sowohl über große Teile der Stadtforst als auch über das Bergwerk. Rücksichtslos setzte er durch Wegnahme der Transportmittel, Verhinderung des Ankaufs von Holz und Kohle und Sperrung der freien Durchfahrt durch sein Gebiet seine Forderungen gegenüber der Stadt Goslar durch. Dies führte zur Stilllegung der Gruben und damit zur Arbeitslosigkeit in unserer Stadt. Außerdem ließ er 1527 das Kloster Riechenberg militärisch besetzen und schnitt damit die Goslarer Verbindung nach Seesen und Hildesheim ab.

Machtkampf mit Braunschweig

Der Rat der Stadt versuchte neben dem Machtkampf mit dem Braunschweiger Herzog, die sozialen Unruhen verbunden mit den neuen religiösen Zielen in den Griff zu bekommen. Wichtig war für die Stadt im Konflikt mit dem Herzog, die Unterstützung des katholischen Kaisers für seine „kaiserliche und freie“ Stadt nicht zu verlieren. So vermied es Goslar lange und allen internen Auseinandersetzungen zum Trotz, dem Lager der Evangelischen zugerechnet zu werden. Erst im Jahr 1528, mit der Zerstörung der Klöster St. Georg und St. Petersstift durch Goslarer Landsknechte und Bergknappen sowie der Einführung der Reformation – Nikolaus von Amsdorf erste evangelische Gottesdienstordnung – wurde die kaisertreue Linie aufgegeben. Goslar trat 1531 dem Schmalkaldischen Bund bei, fiel in die Reichsacht und wurde nach der verlorenen Schlacht 1547 bei Mühlberg zu 4000 Gulden Strafzahlung gezwungen und musste 12 Geschütze abgeben. Danach war die Stadt ihren Gegnern militärisch nicht mehr gewachsen. Im Riechenberger Vertrag von 1552 verlor die Stadt endgültig das Erzbergwerk und den größten Teil ihres Forstbesitzes als Grundlage ihres Wohlstandes.

Brutales Ende

Nach der blutigen Niederschlagung des Bauernaufstandes wurden viele beteiligte Männer hingerichtet oder verstümmelt. Sie wurden mit Enteignung oder Verbannung bestraft und für vogelfrei erklärt. Viele Berichte sprechen von grausamen Enthauptungen, Augenausstechen, Abschlagen von Fingern und weiteren Misshandlungen. Anführer wurden grundsätzlich getötet. Historiker schätzen die Zahl der getöteten Opfer in Deutschland auf 70.000 bis 75.000 Menschen. Aber auch auf der Seite der Fürsten und Grafen war das herrschaftliche Selbstverständnis stark erschüttert, sodass auf Jahrzehnte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Untertanen bestand.

Leider sind die Akten über die Unruhen in Goslar und die beiden wichtigsten Chroniken von Geismar und von Dronewulff, die noch vor hundert Jahren in der Registratur der Marktkirche vorhanden waren, verloren gegangen. Alle Nachforschungen nach ihnen sind vergebens gewesen. Während die Auseinandersetzungen mit dem Herzog Heinrich von Braunschweig gut dokumentiert sind, sind Akten über die örtlichen Ereignisse des Bauernkrieges in Goslar kaum vorhanden.

Auch wenn der Bauernkrieg in Goslar direkt wenig Zerstörungen und kriegerische Auseinandersetzungen auslöste, beendeten die indirekten Auswirkungen, vor allem der Machtkampf Goslars mit dem Herzog von Braunschweig, die wirtschaftliche Blüte der Stadt über Jahrzehnte.

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