Dieser Mann möchte die Stadt Bad Harzburg auflösen
Klaus Marwede in seinem Büro. Der 62-Jährige ist Geschäftsführer des Bad Harzburger Unternehmens „kmb²“. Foto: Exner
Ein Westeröder will Bürgermeister werden – und sich und die Stadt anschließend abschaffen. Warum Klaus Marwedes radikaler Plan womöglich gar nicht so abwegig ist.
Bad Harzburg. Die Tage Bad Harzburgs sind gezählt. Zumindest, wenn es nach dem Westeröder Klaus Marwede geht. Die Stadt soll aufgelöst werden und künftig ein Ortsteil Goslars sein, so dessen radikale Forderung. Umsetzen möchte der 62-Jährige dies höchstpersönlich. Dafür tritt er als Parteiloser bei der Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr an – zumindest, sofern er die dazu noch notwendigen Unterstützer-Unterschriften zusammenbekommt. Das hat Marwede jetzt verkündet.
Die Einwohnerzahl der Kurstadt nimmt – wenn auch nur schleichend – Jahr für Jahr ab. Gleichzeitig müssen die Kommunen immer höhere Ausgaben stemmen, insbesondere, was das Thema Personal angeht. Auch im Etat Bad Harzburgs wird das in naher Zukunft voraussichtlich zu einem Minus in Millionenhöhe führen.
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Das alles schreibt Marwede auf seiner Internetseite und belegt das zum Teil auch mit Zahlen. Der 62-Jährige hat sich das nicht ausgedacht. Es handelt sich um Fakten, die so in der Vergangenheit auch schon aus dem Bad Harzburger Rathaus heraus kommuniziert wurden.
Zwangsverwaltung für Bad Harzburg?
Aus Sicht von Marwede gebe es deshalb keine Alternative dazu, dass die Städte Bad Harzburg und Goslar miteinander fusionieren beziehungsweise die Kurstadt zu einem Ortsteil Goslars wird. Alles andere sei im sprichwörtlichen Sinn ein Sterben auf Raten. Die Bad Harzburger Verwaltung sei „überdimensioniert“, es könnten und müssten dort ein Drittel der Personalkosten eingespart werden, rechnet Marwede vor. Und das müsse man den Mitarbeitern im Rathaus rechtzeitig kommunizieren, um eine Fusion nicht auf deren Rücken auszutragen.
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Goslar habe übrigens genau das gleiche Problem. Insofern könnte man das Personal der beiden Städte auch untereinander austauschen, schlägt Marwede vor. Aus seiner Sicht sei es beispielsweise nicht sinnvoll, dass Städte in dieser Größe jeweils über einen eigenen Bauamtsleiter oder eine eigene Wirtschaftsförderung verfügen. Auch das Werben um Touristen könne man aus Sicht von Marwede unter einem Dach vereinen. Bislang machen das sowohl Goslar als auch Bad Harzburg jeweils für sich allein. Auch Stellen könnten durch eine Fusion womöglich leichter nachbesetzt werden. Feuerwehren und Kirchengemeinden würden schließlich auch schon über Fusionen nachdenken. Warum dann nicht auch die Stadtverwaltungen?
„Man kann dieses Problem nicht wegbeten oder wegregieren. Man kann es aber darstellen und versuchen, Lösungen anzubieten. Und das mache ich“, sagt Marwede kämpferisch. In der Praxis ginge das aber natürlich nur dann, wenn alle Beteiligten mitmachen. „Entweder die Fusion passiert freiwillig, oder Bad Harzburg wird eines Tages unter Zwangsverwaltung gestellt“, prophezeit Marwede. „Ich bin vollkommen sicher, dass das passieren wird. Egal, ob ich Bürgermeister werde, oder nicht.“
Wer ist überhaupt Klaus Marwede?
Das Hauptwahlkampfthema des Westeröders ist nicht das einzige, was aufhorchen lässt. Auf seiner Internetseite verkündet Marwede ganz offen, parallel zu seinem Wahlkampf die CDU-Kandidatin Stefanie Hertrampf unterstützen zu wollen. Er führt dort nicht nur auf, was für ihn, sondern genauso, was gegen ihn spricht. Und schließlich räumt er sich selbst kaum Chancen ein, die Wahl überhaupt gewinnen zu können. Was ist das für ein Typ, der da Bad Harzburgs Verwaltungschef werden will, nur um sich kurze Zeit später womöglich wieder selbst zu entlassen?
Klaus Marwede wurde 1963 in München geboren. Nach dem Abitur war er zunächst Soldat, heute wohnt er in Westerode und führt zusammen mit seiner Frau die Geschäfte der Bad Harzburger Firma „kmb²“, einem Abrechnungszentrum für eine Kooperation aus deutschlandweit mehr als 80 Handwerksbetrieben. Seit 1998 bildet Marwede IT-Administratoren und Kaufleute aus. Er war jahrelang Mitglied in der KfW-Beraterbörse, ist Datenschutzbeauftragter mehrerer Firmen, Rating-Advisor – spezialisiert auf den Bereich Unternehmensnachfolge – und Wandercoach. Privat spielt Marwede Trompete in einem Goslarer Posaunenchor. Sich selbst bezeichnet der mehrfache Vater als Linker und als Christ.
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Marwedes politischer Weg indes war weniger gradlinig: Aus der CDU ist er in den 80er Jahren ausgetreten, weil die ihm zu rechtsnational gewesen sei, sagt er. Auch ein kurzer Versuch mit der FDP sei fehlgeschlagen, weil die sich in seinen Augen nicht mehr sozialliberal verhalte. Die AfD bezeichnet Marwede auf seiner Internetseite indes als „rechtsextreme Saubande“. Im Laufe seines Lebens sei er immer weiter ins linke Lager gewechselt, trat in die SPD ein, wurde dort aber rausgeschmissen. „Ich habe mich regionalem Filz im Landkreis Goslar massiv in den Weg gestellt – und solchen Widerspruch mögen die Genossen nicht“, begründet Marwede. Deren Bürgermeister-Kandidaten für Bad Harzburg, Andreas Simon, möchte er übrigens unbedingt verhindern, seine Kandidatur solle jedoch nicht als persönlicher Rachefeldzug verstanden werden.
Marwede hat ein Gespür für Ungereimtheiten
Sowohl mit Simon als auch mit Hertrampf habe er im Vorfeld lange gesprochen und versucht, diese von seiner Sache zu überzeugen, berichtet Marwede. Beide seien da aber nicht mitgegangen.
Nicht nur, was seine Fusions-Forderung angeht, ist Marwede ein Typ, der aneckt, nachbohrt und nicht locker lässt. Mit diversen Personen in Bad Harzburg hat er sich schon gestritten, teils auch auf dem Rechtsweg. Tatsächlich hat Marwede im Laufe seines Lebens aber auch schon mehrfach dabei geholfen, Ungereimtheiten in Politik und Gesellschaft aufzudecken oder dies nachgewiesenermaßen selbst getan. „Ich trete nicht an, damit mich jemand toll findet“, betont er. „Zu einer Demokratie gehört es aber auch, auszuhalten, wenn jemand eine Meinung hat, die nicht jedem gefällt.“
MEINUNG: Donald Trump lässt grüßen
Klaus Marwede hat in Bad Harzburg einen schweren Stand. Es gibt Menschen, die wollen am liebsten gar nichts mehr mit ihm zu tun haben, ihn nicht in ihre Vereine oder Gemeinschaften aufnehmen. Dafür hat es mit ihm in der Vergangenheit einfach zu oft gekracht, ob nun berechtigt oder nicht. Aus dieser Situation heraus wirklich Bürgermeister zu werden, dürfte schwierig bis unmöglich werden. Erst recht, wenn man ankündigt, bei Amtsantritt ein Drittel der fast 400 städtischen Beschäftigten absägen zu wollen. Das hat Trump-Manier, ist angesichts der vielen offensichtlichen Probleme aber auch kein völlig unvernünftiger oder gar irrer Vorschlag. Auch bei so mancher Entscheidung von Bad Harzburgs amtierendem Bürgermeister Ralf Abrahms mag der eine oder andere schließlich in der Vergangenheit schon den Kopf geschüttelt haben. Im Nachhinein hat sich dessen Handeln jedoch schon oft als klug und vorteilhaft für die Stadt erwiesen. exe
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