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Ausstellung im Goslarer Mach-mit-Haus

GZ Plus IconKatholische Kirche Nordharz über Nähe, Distanz und Missbrauch

Näher ran, oder lieber etwas mehr Abstand? Stefan Bolde-Müller in der Ausstellung "Augen auf!" der katholischen Kirche Nordharz.

Näher ran, oder lieber etwas mehr Abstand? Stefan Bolde-Müller in der Ausstellung "Augen auf!" der katholischen Kirche Nordharz. Foto: Hartmann

„Augen auf!“, so heißt eine Ausstellung, die anlässlich des Goslarer Präventionstages im Mach-mit-Haus gezeigt wird. Konzipiert hat sie die katholische Kirche Nordharz. So lange können Besucher die Ausstellung noch besuchen.

Von Petra Hartmann Mittwoch, 17.09.2025, 11:00 Uhr

Goslar. Besuch bei der Oma: Die alte Frau stürzt sich auf das Kind, umarmt es und überhäuft es mit Küssen. Übergriffig oder nicht? Public Viewing bei der Fußball-WM: Plötzlich fällt ein Tor. Ein Mann springt auf und nimmt eine fremde Frau in die Arme. Belästigung oder noch okay? Die Messdiener treffen sich vor dem Gottesdienst. Julias Gewand sitzt nicht richtig. Ungefragt fasst der Küster sie an und zieht den Stoff gerade. Fängt hier schon Missbrauch an?

„Augen auf!“ heißt eine Ausstellung im Goslarer Mach-mit-Haus, die anlässlich des Präventionstags zu sehen ist. Anders als die Veranstaltung am Samstag, dem 20. September, auf dem Goslarer Marktplatz ist die Ausstellung aber bereits jetzt geöffnet. Es geht um Abstand und Nähe, um die Frage, was noch in Ordnung ist und was nicht. Aufsteller und Plakate zeigen Situationen, in denen Menschen aufeinander treffen. Eine Puppe mit halb ausgestreckter Hand steht dem Besucher gegenüber. Wie nah kann man herangehen, bis es unangenehm wird? Mit farbigen Fußabdrücken können Besucher markieren, wie weit sie gehen würden. Schnell wird deutlich: Ja, es gibt diesen Punkt, an dem es nicht mehr okay ist. Aber das Gefühl stellt sich bei manchen früher ein, bei manchen später. Distanz und Nähe sind etwas, das immer wieder neu erfahren und austariert werden muss.

An einem Tisch gegenüber sind auf Kärtchen sechs Situationen geschildert. Etwa die Oma, die die Kinder küsst oder der Küster, der die Messdienerin anfasst. Neben jedem Kärtchen steht ein großes Glas, in das die Besucher rote, grüne und orangefarbene Stimm-Steine fallen lassen können. In Ordnung, inakzeptabel oder neutral? Ein kleiner Junge liest die Texte aufmerksam. Dann lässt er einen roten Stein ins Glas neben der Oma fallen und geht weiter.

Die Ausstellung „Augen auf“ hat eine lange Vorgeschichte. Sie wurde von der katholischen Kirche Nordharz im Jahr 2019 konzipiert, zwei Jahre nach der Veröffentlichung des „Institutionellen Schutzkonzepts“ des Bischofs, eine Reaktion auf die Missbrauchsfälle in der Kirche. „Wussten Sie, dass zwischen 1946 und 2014 Missbrauchsfälle an 3677 Kindern allein in der katholischen Kirche Deutschlands aktenkundig wurden?“, heißt es im Begleittext zur Ausstellung. „Augen auf“ war bereits damals in St. Jakobi zu sehen und ist seitdem auf Reisen durch das gesamte Bistum. Am Samstag, nach dem Ende des Präventionstags, wird sie verpackt und nach Bückeburg gebracht.

Die Ausstellung ist bis Samstagabend während der Öffnungszeiten im Mach-mit-Haus zu sehen. Für Schulklassen besteht die Möglichkeit, sie auch vormittags zu besuchen. Anfragen bitte an Christian Warzecha unter (05321) 704-487, christian.warzecha@goslar.de. Schulen, die die Ausstellung in ihren Räumen zeigen wollen, können sich an Stefan Bolde-Müller unter stefan.bolde-mueller@katholische-kirche-nordharz.de wenden.

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