Der Duft eines knusprigen Gänsebratens
Gänsekeule mit Rotkraut und Klößen gehört bei vielen als Festessen zu Weihnachten – wie schon in Kindertagen bei Brigitte Rühe aus Goslar. Foto: picture alliance/dpa/Woitas
In Folge 10 der GZ-Serie „Advent ist ein Genuss“ erzählt Brigitte Rühe von Leckereien, Kinderträumen und unbeschwerter Adventszeit.
Goslar. Die Weihnachtszeit bringt stets besondere Momente – und solche Momente möchten wir mit unserer GZ-Serie einfangen: Was kommt im Advent auf den Tisch, was gibt es Kulinarisches an Heiligabend? Brigitte Rühe aus Goslar erinnert sich an festliche Weihnachtsgenüsse in ihrer Kindheit:
Die Verboten zum Advent waren für uns Kinder die roten Wolken am Himmel. Meine Oma sagte immer: ,,Der Weihnachtmann backt Pfefferkuchen.“ Natürlich haben wir der Oma geglaubt und schon den leckeren Pfefferkuchen gerochen. Da kam ja der Duft gleich mit aus den Wolken.
Die Geschäfte, früher gab es noch nicht die großen Supermärkte, wurden erst zur Adventszeit weihnachtlich geschmückt. Auch der erste Schnee kam meist pünktlich zur Adventszeit. Das unterstrich natürlich die festliche Note dieser wundervollen Zeit.
Kerzen und Düfte aus dem Ofen
Wir Kinder tobten auf dem Schulweg im Schnee herum und kamen klitschnass in der Schule an – und nur sehr selten gab es mal eine Erkaltung. Durch den täglichen Gang zur Schule waren wir gut gestärkt. Und natürlich las der Lehrer in der Adventszeit auch eine Weihnachtsgeschichte vor – meistens am Samstag, denn in meiner Kindheit mussten wir auch noch samstags zur Schule gehen. Es war aber samstags immer recht gemütlich, besonders in der Vorweihnachtszeit. Wir durften ein Kerzchen mitbringen und vor uns auf den Tisch stellen. Der Lehrer zündete es an, und wir beobachteten sorgsam, dass nichts passiert.GZ-Serie „Advent ist ein Genuss“
Ein Gourmet-Rezept für Heiligabend von Johannes Steingrüber
Wenn wir nach Hause kamen, hatte meine Mutter, wie immer samstags, gründlich die Wohnung gesäubert. Es roch nach Bohnerwachs und Wochenende. lch habe diesen Duft geliebt, und noch heute rieche ich ihn, wenn ich daran denke: der Duft einer glücklichen Kindheit. Nachmittags duftete es dann nach frisch angebratenem Schweine- oder Rinderbraten. Es gab nur sonntags Fleisch.
Christbaum und Weihnachtsgans
Die Adventssonntage waren besonders festlich. Am Nachmittag, als es langsam dunkel wurde, setzte sich unsere Mutti ans Fenster im Wohnzimmer, und wir sind dazugekommen. Sie zeigte uns die blaue Stunde, wenn das Tageslicht langsam zu schwinden begann und die Dunkelheit sich langsam ausbreitete. Die wunderschönen Farben des Himmels. Lila, Blautöne und natürlich auch das Rot vom Pfefferkuchenbacken des Weihnachtsmanns.
Als es dann ganz dunkel war, wurden in der warmen Stube die Kerzen des Adventskranzes entzündet. Am ersten Advent eine, und dann kam jeden Sonntag eine dazu. Wenn sonntags die vierte Kerze leuchtete, wussten wir, bis Heiligabend war nicht mehr lange hin, und unsere Mutter hatte die Weihnachtsgans und die schlesischen Bratwürstchen für den Kartoffelsalat schon bestellt. Der Weihnachtsbaum stand auch schon im Keller.GZ-Serie „Advent ist ein Genuss“
Kroketten, Crêpes und „Möwenschiss“
Die Spannung wuchs bei uns Kindern. Der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien wurde auch in der Schule ganz festlich begangen. Unsere Kerzen standen wieder vor uns auf dem Pult, das Licht im Klassenraum war ausgeschaltet, und vor den Fenstern sahen wir die Schneeflocken wirbeln. Es war so gemütlich.
Ausgenommen wie eine Weihnachtsgans
Unser Lehrer las die Weihnachtsgeschichte vom Jesuskind vor, und alle waren sehr ergriffen. Dann wünschten wir uns frohe Weihnachten und gingen mit glücklichem Herzen und strahlenden Augen heimwärts. Wir tollten noch im Schnee, rollten noch eine Schneekugel bis nach Hause, und auf der verschneiten Wiese vor unserem Haus bauten wir einen Schneemann – bis unsere Mutti zum Mittagessen rief.
Zwei Tage waren es noch bis zum Fest, und unsere Mutter hatte viel zu tun. Als Älteste durfte ich helfen, und alle versammelten sich um den Küchentisch, als wir die Weihnachtsgans ausnahmen. lch mochte das gar nicht, es roch immer komisch. Aber schauen musste ich doch. Von den lnnereien kochten wir eine Suppe. Das mochte ich gar nicht, aber da ließ mein Vater nicht locker – ich musste sie essen. Die Gans wurde gewürzt, und über Nacht kam sie in die kühle Speisekammer. Einen Kühlschrank hatten wir noch nicht. Alles war vorbereitet.
An Heiligabend kam die Oma morgens mit einer großen Tasche. Darin waren Leckereien für den bunten Teller. Am Nachmittag wurde die Gans in den Ofen geschoben und der Rotkohl gekocht, die Kartoffeln für die Klöße waren schon fertig. Das wurde ein Festmahl am Mittag. Den Kuchen für den Nachmittagskaffee hatte Oma gebacken und auch den Lebkuchen, der meist sehr knusprig war – so hart, dass wir ihn nur in unseren Getreidekaffee stippen konnten. Oma konnte ihn gar nicht so hart essen, weil sie nur noch einen Zahn hatte.
Bratwurst und Kartoffelsalat
Die Zeit verging am Nachmittag ganz langsam, und wir Kinder waren so aufgeregt. Vor lauter Aufregung schlitzte mein Bruder seinen Stoffhund auf. Er hatte es ja bei unserer Mutter gesehen, wie man das macht. Da war er aber sehr enttäuscht, dass er nur Stroh im Bauch des Stoffhund fand. Nun war der Hund kaputt, aber die Oma hat ihn wieder zugenäht. Er hatte nun eine Weihnachtnarbe.GZ-Serie „Advent ist ein Genuss“
Festlich speisen wie bei den Buddenbrooks
Im Weihnachtszimmer wurde es dunkel. Wir Kinder durften an diesem Tag nicht hinein und haben nur gesehen, wie der Vater den Baum aus dem Keller heraufgeholt hat. Der Tisch zum Essen wurde in der Küche gedeckt, natürlich mit dem guten Geschirr. Auf dem Tisch stand schon der Kartoffelsalat, und in der Pfanne brutzelten die Bratwürstchen. Es duftete so lecker, und wir hatten Hunger. Meine Mutti war immer ganz verzweifelt, wenn mal eine Bratwurst platzte.
Ein Segen zum Essen
Als alle rund um den Tisch Platz genommen hatten, gab es erst ein Tischgebet. Als Älteste war ich dran. ,,Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast“. lch fand es schön, einen Segen vor dem Essen zu sprechen. Nur nicht, wenn Besuch da war. Dann war es mir peinlich. Meinem Vater rutschte schon mal die Hand aus, wenn er mit unserem Betragen nicht zufrieden war. Aber am Heiligen Abend war alles lockerer.
Nun stand das leckere Essen auf dem Tisch, und zuerst nahm unser Vater sich vom Kartoffelsalat und den Würstchen. Dazu ordentlich Senf. lch mochte Senf sehr gerne und nahm einen ordentlichen Klecks. Nimm nicht so viel sagte mein Vater.
Schokopudding zum Nachtisch
Wir Kinder wurden immer zappeliger, und essen konnten wir sowieso nicht viel vor Aufregung – und weil wir auch noch Süßes vom bunten Teller naschen durften. Es war ein großer Genuss, denn das gab es nur zu Weihnachten.
Am ersten Weihnachtstag frühstückten wir immer etwas später. Der harte Lebkuchen wurde mit heißer Milch übergossen. Da schmeckte er dann lecker. Die Oma war auch noch da. Über die Feiertage blieb sie bei uns und schlief mit in meinem Bett. Das war dann recht eng, aber kuschelig warm. Den ganzen Vormittag spielten wir Kinder mit unseren neuen Spielsachen. Ganz vorsichtig, denn es durfte nichts zerbrechen. Die Oma half in der Küche, das Essen vorzubereiten, und unser Vater war zum Frühschoppen in seinem Stammlokal.
Als das Essen dann fast fertig war, bekamen ich und mein Bruder den Auftrag, den Vati abzuholen. Das taten wir gerne, denn dann gab es noch eine Brause zu trinken und einen Lutscher vom Wirt. Es dauerte noch etwas, bis Vati sich von seiner Skatrunde losreißen konnte. Aber dann ging es schnell nach Hause.
Alle hatten Hunger und freuten sich auf das Festessen. Unsere Mutti schob das fertige Essen auf dem Kohleherd schon hin und her und sah leicht grummelig aus, weil es doch etwas später geworden war. Aber mein Vater ließ sich gar nichts anmerken, war fröhlich und löffelte seine Vorsuppe aus den lnnereien der Gans. lch war nicht begeistert, aber danach gab es ja den Gänsebraten mit Rotkohl und schlesischen Kartoffelklößen, die wirklich gut gelungen waren. Und die knusprige Gans war so lecker. Unsere Mutter war wirklich eine gute Kochin. Zum Nachtisch gab es Schokoladenpudding mit Vanillesoße.
Dann ging es ans Abwaschen des Geschirrs und der vielen Töpfe. Aus dem Küchentisch zogen wir die Abwaschschalen heraus, aus dem Kessel vom Herd füllten wir heißes Wasser. Mutti wusch ab, und ich musste abtrocknen, auch wenn ich lieber gespielt hätte.
Königskuchen mit Rosinen
Am Nachmittag gab es zum Kaffeetrinken einen Königskuchen – ein Rührkuchen mit Rosinen. Mein Vater hielt ein Schläfchen, und wir Kinder mussten leise sein. Oder wir gingen hinaus in den Schnee. Also, die neuen roten Stiefel angezogen und holterdiepolter raus. Die Nachbarskinder waren auch auf der verschneiten Wiese vor dem Haus. Wir bauten Schneemänner und eine Schneemauer für ein lglu.
Dann rief Oma rief uns hinein in die Wohnung zur Kaffeestunde. Wir waren klitschnass und von meinen neuen roten Stiefeln löste sich schon die Sohle. Meine Mutter war entsetzt, und mein Vater schimpfte. Gegen Abend machten sich meine Eltern schick zum Ausgehen. Sie waren eingeladen, und Oma passte auf uns auf. Wir haben dann „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt, und es war immer lustig, weil mein Bruder nicht verlieren konnte.
Als wir am zweiten Weihnachtstag erwachten, hatte Oma das Frühstück vorbereitet, und wir saßen wieder alle an dem großen Küchentisch. Zum Mittagessen gab es die Reste vom Vortag, aber sie schmeckten wieder köstlich, zumal ich immer hungrig war. So klang das Weihnachtsfest wieder aus Es war eine wunderbare, unbeschwerte und glückliche Zeit – und ich habe sie sehr genossen.
Copyright © 2025 Goslarsche Zeitung | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.
